JudikaturJustiz13Os106/99

13Os106/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. September 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. E. Adamovic, Dr. Schmucker und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jäger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert Paul U***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 25. Feber 1999, GZ 15 Vr 686/98-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Herbert Paul U***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 14. September 1994 in St. Georgen im Lavanttal Ramona R***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt hat, indem er die Genannte mit seinem PKW in ein Waldstück verbrachte, sich mit seinem Körper auf sie legte, entkleidete, einen Finger in ihre Scheide einführte und schließlich an ihr den Beischlaf bis zum Samenerguß vollzog, obwohl Ramona R***** ihn durch versuchtes Wegstoßen mit Händen und einem Knie davon abzuhalten versucht hatte.

Die aus Z 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als nicht zielführend.

Rechtliche Beurteilung

Einen Verfahrensmangel (Z 3) erblickt der Beschwerdeführer "in der Aussage der Zeugin R***** ohne ausdrücklichen Verzicht auf ihr Entschlagungsrecht" (gemeint nach dem Inhalt der Beschwerdeausführungen: Ein Verstoß gegen § 152 Abs 1 Z 2a idFd StRÄG 1998 BGBl I Nr 153), verkennt dabei aber, daß die Zeugin nach der Aktenlage im Vorverfahren nicht kontradiktorisch vernommen wurde und ihr somit ein Entschlagungsrecht nach der genannten Gesetzesstelle nicht zustand, sodaß sich auch eine diesbezügliche Belehrung erübrigte. Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund eine Verletzung des § 151 Abs 1 Z 3 StPO geltend macht, übersieht er, daß das ins Treffen geführte Vernehmungsverbot voraussetzt, daß der Zeuge - wie ein offensichtlich völlig Geisteskranker - erwiesenermaßen unfähig ist, die Wahrheit anzugeben (Mayerhofer StPO4 § 151 E 39 und § 281 Z 3 E 16). Bestehen Zweifel an der Fähigkeit des zu Vernehmenden zur Wahrnehmung, Erinnerung und Wiedergabe des Wahrgenommenen, so muß es dem Gericht vorbehalten bleiben, auf Grund des gewonnenen persönlichen Eindrucks unter Abwägung aller maßgebenden Umstände zu beurteilen, ob und inwieweit er als Zeuge befragt werden darf (Mayerhofer aaO § 151 E 41). Vorliegend haben die Tatrichter ersichtlich keine Hinweise gefunden, daß die Zeugin R***** wegen physischer und psychischer Mängel zur Ablegung eines Zeugnisses außerstande sein könnte. Abgesehen davon, daß die erstmals im Rechtsmittel dazu vorgebrachten Tatsachen gar keine absolute Zeugnisunfähigkeit zum Ausdruck bringen, "möglicherweise borderline Erkrankung, andere psychiatrische Krankheitsbilder" und zudem aus den Akten nicht zu ersehen sind, somit eine unzulässige und im Nichtigkeitsverfahren unüberprüfbare (Mayerhofer aaO § 151 E 50) Neuerung darstellen, erschöpft sich das Vorbringen in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung; denn die Frage, ob ein Zeuge zu verläßlichen Wahrnehmungen imstande war, sowie und ob in welchem Umfang er nunmehr zu deren richtiger Wiedergabe im Einzelfall willens und in der Lage ist, betrifft nicht die Zeugnisfähigkeit, sondern den (allein von den Tatrichtern zu beurteilenden) Beweiswert seiner Aussage (§ 258 Abs 2 StPO; Mayerhofer aaO § 151 E 39).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 21. Jänner 1999 gestellten Anträge auf

*Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß es mit bis auf die Knie heruntergezogener Jeans gegen den Widerstand einer Frauensperson ohne Anwendung von großer Brachialgewalt unmöglich ist, einen Geschlechtsverkehr auszuführen;

*Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens (und Einvernahme Dris. Karl M*****) zum Beweis dafür, daß der Angeklagte schon seit vielen Jahren, jedenfalls seit mehreren Jahren vor dem behaupteten gegenständlichen Vorfall an einer akuten Aids-Phobie leidet und daher ohne genaue Kenntnis der Person bzw ohne Schutzmittel keinen Geschlechtsverkehr vollzieht (S 229, 231),

Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Wie das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis (S 261, ergänzt durch die Ausführungen im Urteil US 30 und 31) im Ergebnis zutreffend darlegt, stellt das Thema des erstangeführten Beweisantrages nicht auf eine durch einen Sachverständigen zu lösende Frage, sondern eine der richterlichen Beweiswürdigung ab; zum zweiten Beweisantrag wurde nicht dargetan, welche über die Angaben des Dr. Karl M***** hinausgehende Feststellung durch einen ärztlichen Sachverständigengutachter erwiesen werden könnte (S 261). Dem erstangeführten Beweisantrag fehlt es überdies bereits mangels Opferbezogenheit auf Grund der Unbestimmtheit der Ausgangsparameter "Widerstand einer Frauensperson" "ohne Anwendung großer Brachialgewalt" an der erforderlichen Substantiierung des Beweisthemas; auch betrifft letzteres keinen Bereich medizinischen Sachwissens sondern stellt auf eine durch die Tatrichter zu klärende Schlußfolgerung ab, die, angesichts des Zerreißens der Unterhose des Opfers von einer "erheblichen Gewalt" des Angeklagten ausgegangen sind (US 30 f). Die dazu im Rechtsmittel nachgetragenen Erwägungen haben auf Grund des Neuerungsverbotes außer Betracht zu bleiben. Auch der zweitangeführte Antrag ist zu Recht auf Abweisung verfallen, betrifft doch die Frage der Durchführung des Verkehrs mit oder ohne Schutzmittel keine - im Urteil zutreffend nicht erörterte - entscheidende Tatsache. Im übrigen läßt auch dieser Beweisantrag einen ausreichenden Bezug zum gegenständlichen Vorfall vermissen und stellt sich damit im Ergebnis als Erkundungsbeweis dar. Dazu kommt, daß der Angeklagte auf Grund seiner vor der Tat mit dem Opfer geführten informativen Gespräche festgestelltermaßen davon ausgehen konnte, daß das Mädchen bis dahin keine Sexualkontakte hatte (US 25).

Die in der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Kritik, das Urteil sei "in weiten Passagen widersprüchlich" ist zum einen mangels Substantiierung nicht erwiderungsfähig, zum anderen verkennt sie, daß ein Nichtigkeit nach Z 5 begründender Widerspruch nur die Feststellung nebeneinander nicht bestehen könnender Tatsachen zum Gegenstand hat und nicht einander angeblich widersprechender Aussagen. Die Behauptung eines Widerspruchs von Urteilsannahmen mit der Lebenserfahrung läßt eine deutliche und bestimmte Bezeichnung Nichtigkeit bewirkender Umstände vermissen (§ 285 Abs 1 StPO).

Wie sich schon aus den Formulierungen "trotz des Widerspruchs zieht das Gericht eine andere ernstzunehmende Möglichkeit der Beweiswürdigung erst gar nicht in Betracht", "in dubio pro reo", "Vermutung zum Nachteil des Angeklagten" ergibt, stellen die die Glaubwürdigkeit der Zeugin R***** in Zweifel ziehenden Beschwerdeausführungen unter Heranziehung willkürlich herausgegriffener, dem Beschwerdeführer günstig erscheinender Beweisergebnisse und Anstellen aktenfremder Spekulationen einen unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung der Tatrichter dar. Das Schöffengericht hat sich jedoch ausführlich mit den Abweichungen in der Aussage der Zeugin R***** und den sonstigen entscheidungsrelevanten Depositionen der weiteren Zeugen und der leugnenden Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt und dargelegt, warum es der Darstellung der Zeugin zum Tatablauf gefolgt ist (US 13 ff). Daß dem Angeklagten die angeführten Gründe bloß nicht überzeugend scheinen und - neben den im Urteil folgerichtig gezogenen Schlüssen - auch noch andere, für den Angeklagten günstigere denkbar wären, ist Ausfluß der freien richterlichen Beweiswürdigung.

Die undifferenziert mit der Mängelrüge ausgeführte Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich ebenfalls, indem sie bloß Beweiserwägungen anstellt, ohne zu getroffenen Feststellungen konkret aus den Akten Gegenteiliges aufzeigen zu können, in einem unzulässigen Angriff auf die den Tatrichtern zukommende Beweiswürdigung. Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen werden mit diesem Vorbringen nicht geweckt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) sucht unter Behauptung von (vermeintlichen) Feststellungsmängeln die vom Erstgericht getroffenen, dem Beschwerdeführer nicht genehmen Konstatierungen durch für ihn günstigere zu ersetzen, bekämpft aber damit (wie sich auch hier aus der Formulierung "in dubio pro reo" ergibt) das Urteil - wiederum unzulässig - nach Art einer Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen.

Über die Berufung wird der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben (§ 285i StPO).