JudikaturJustiz13Ns3/17w

13Ns3/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Sebastian O***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit c und § 13 FinStrG, AZ 31 Hv 32/16p des Landesgerichts Salzburg, über Vorlage gemäß §§ 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz, 215 Abs 4 StPO durch das Oberlandesgericht Linz, AZ 9 Bs 406/16v, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Graz zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.

Text

Gründe:

Mit Anklageschrift vom 31. Oktober 2016 (ON 73) legte die Staatsanwaltschaft Salzburg Sebastian O***** und Mag. Markus S***** (richtig [ Lässig in WK 2 FinStrG § 39 Rz 3]) je ein Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit c und § 13 FinStrG zur Last.

Danach sind sie verdächtig, vom Mai 2011 bis zum März 2013 im einverständlichen Zusammenwirken (§ 11 erster Fall FinStrG) in wiederholten Tathandlungen vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflichten sowie unter Verwendung verfälschter Rechnungen Verkürzungen an Umsatzsteuer um 796.816,13 Euro bewirkt zu haben, wobei es hinsichtlich eines Teilbetrags von 300.085,72 Euro beim Versuch geblieben sei. Dabei ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass Sebastian O***** Rechnungen, die er als Geschäftsführer der I***** GmbH umsatzsteuerfrei an deutsche Subunternehmen gelegt hatte, nachträglich durch Einfügung eines Betrags über jeweils 20 % Umsatzsteuer verfälschte und dass Mag. Markus S***** namens der Rechnungsempfänger beim Finanzamt Graz Stadt die Rückerstattung der nachträglich eingefügten Umsatzsteuerbeträge beantragte. Die Rückerstattungs bescheide seien in der Zeit vom Mai 2011 bis zum März 2013 ergangen, wobei die Rückerstattung von insgesamt 300.085,72 Euro abgelehnt worden sei.

Gegen die Anklageschrift wurde kein Einspruch erhoben.

Mit Verfügung vom 25. November 2016 (ON 1 S 27 ff) teilte das Landesgericht Salzburg dem Oberlandesgericht Linz gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO unter Angabe von Gründen Bedenken gegen seine Zuständigkeit mit.

Mit Beschluss vom 9. Jänner 2017, AZ 9 Bs 406/16v, legte das Oberlandesgericht Linz – nach Verneinen des Bestehens eines der in § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO genannten Gründe – die Akten gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 195 Abs 1 FinStrG gelten für das Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Finanzvergehen – unter welchen Begriff auch Verbrechen des Abgabenbetrugs fallen ( Lässig in WK 2 FinStrG § 1 Rz 7) – die Bestimmungen der StPO, soweit in §§ 195 bis 247 FinStrG nicht etwas Besonderes vorgeschrieben ist. Da diese Gesetzesstellen keine Sondernormen hinsichtlich der örtlichen Gerichtszuständigkeit enthalten, sind daher insoweit die Bestimmungen der StPO maßgebend.

Primärer Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit im Hauptverfahren ist nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO jener Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.

Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgesprochen hat, ist bei Finanzvergehen, die durch Erstattung einer Steuererklärung (oder gesetzwidriges Unterlassen einer solchen) begangen werden, Ausführungsort im Sinn des § 36 Abs 3 erster Satz StPO der Sitz jenes Finanzamts, bei dem die Steuererklärung einzureichen ist (13 Ns 18/16z, ZWF 2016/49, 277), was sinngemäß auch hier gilt:

Nach § 17 AVOG 2010 obliegt dem Finanzamt Graz Stadt für das gesamte Bundesgebiet die Erhebung der Umsatzsteuer von Unternehmern, die ihr Unternehmen vom Ausland aus betreiben und im Inland weder eine Betriebsstätte haben noch Umsätze aus der Nutzung eines im Inland gelegenen Grundbesitzes erzielen. Demzufolge sind auch diesbezügliche Anträge auf Rückerstattung der Umsatzsteuer an das Finanzamt Graz Stadt zu richten, was hier – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Zuweisung an das zuständige Gericht nach sich zieht.

Hinzugefügt sei, dass der Anklage nicht deutlich zu entnehmen ist, ob Mag. Markus S***** tatsächlich als steuerlicher Vertreter (§ 83 BAO) der involvierten deutschen Subunternehmen anzusehen ist (siehe insbesondere AS 7). Sollte dies zu verneinen sein, wird die Judikatur zur Abgrenzung zwischen den Tatbeständen des FinStrG und jenen der §§ 146 ff StGB zu beachten sein ( Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 186 sowie Lässig in WK 2 FinStrG § 22 Rz 9, jeweils mwN).

Zu Sebastian O***** wird überdies darauf hingewiesen, dass nicht klar ist, aus welchem Grund die Staatsanwaltschaft auch in Bezug auf diesen Angeklagten von unmittelbarer Täterschaft (§ 11 erster Fall FinStrG) ausgeht. Die ihm im Abschlussbericht der Steuerfahndung (ON 67) vorgeworfenen Verkürzungen an Jahres Umsatzsteuer bezüglich der I***** GmbH sind vom Anklagesachverhalt nicht umfasst.