JudikaturJustiz12Os97/14b

12Os97/14b – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Alexander R***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 27. Mai 2014, GZ 22 Hv 51/14m 45, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache dem Landesgericht Linz zur Zustellung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Alexander R***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an den gesetzlichen Vertreter des Betroffenen verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen hinsichtlich des Tatvorwurfs der gefährlichen Drohung mit dem Tod auch eine Abweisung des Antrags auf Unterbringung enthaltenden Urteil wurde Alexander R***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistig oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich auf einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen sowie einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit deutlicher Verhaltensstörung beruht,

I./ am 12. Juli 2013 in U***** Beamte mit Gewalt an Amtshandlungen zu hindern versucht hat, und zwar

1./ Reinhold F***** an der Rückverbringung in die Wohneinrichtung „N***** GmbH“, indem er versuchte, dem Beamten Fußtritte zu versetzen;

2./ Reinhold F*****, Josef N***** und Erich H***** an seiner Entfernung von Ulrike G*****, indem er auf diese einschlug und eintrat;

II./ andere vorsätzlich im Körper verletzt, und zwar

1./ am 12. Juli 2013 in U***** Reinhold F*****, somit einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben und der Erfüllung seiner Pflichten im Zug der unter I./2./ angeführten Tat in Form einer bursaseitigen SSP Partialruptur rechts sowie von Band- und Sehnenverletzungen an der rechten Schulter, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;

2./ am 3. Jänner 2014 in G***** Dr. Judith S***** in Form eines dislozierten Nasenbeinbruchs, indem er ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wobei die Verletzung der Dr. Judith S***** an sich schwer war,

er somit Taten begangen hat, die ihm, wäre er zu den Tatzeitpunkten zurechnungsfähig gewesen, als die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB (I./), das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 4 StGB (II./1./) und das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (II./2./) zuzurechnen wären.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Mit Verfahrensrüge (Z 3) verweist der Beschwerdeführer darauf, bei Begehung eines Teils der einweisungsrelevanten Taten Jugendlicher im Sinn des § 1 Z 2 JGG gewesen zu sein, weshalb gemäß § 38 Abs 2 JGG der ihn betreffende Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an seinen gesetzlichen Vertreter zuzustellen gewesen wäre.

Der am 18. November 1995 geborene Betroffene hatte bei Einbringung des Antrags nach § 21 Abs 1 StGB am 1. April 2014 das 18. Lebensjahr bereits vollendet und war daher nicht mehr Jugendlicher im Sinn des § 1 Z 2 JGG. Die Sonderbestimmung des § 38 JGG gilt jedoch nur für Beschuldigte, die im Zeitpunkt der jeweiligen Verfahrenshandlung noch Jugendliche sind (RIS Justiz RS0086923; vgl § 46a Abs 2 zweiter Satzteil JGG; Schroll , WK 2 JGG § 32 Rz 2). Eine Verletzung der Bestimmungen der § 38 Abs 2 JGG und § 431 Abs 1 StPO ist überdies nur nach hier nicht erfolgter Antragstellung durch den Betroffenen, den Sachwalter oder den Verteidiger im Weg einer auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde gegen das die Maßnahme anordnende Urteil geltend zu machen ( Murschetz, WK-StPO § 431 Rz 12).

Das weitere Vorbringen aber, der Antrag hätte darüber hinaus gemäß § 431 Abs 1 StPO auch an den für ihn mit Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 20. März 2014, AZ 36 P 56/14y, bestellten gesetzlichen Vertreter zugestellt werden müssen, ist im Ergebnis im Recht.

Das Bezirksgericht Linz bestellte mit Beschluss vom 23. April 2014, GZ 36 P 56/14y-20, das V***** S***** O***** zum einstweiligen Sachwalter des Alexander R*****, unter anderem zur Vertretung vor Gerichten. Dieser Beschluss wurde dem Betroffenen am 29. April, dem einstweiligen Sachwalter am 23. April 2014 zugestellt.

Die Wirksamkeit eines Beschlusses auf Bestellung eines einstweiligen Sachwalters tritt nach § 120 erster Satz AußStrG sofort ein, wobei dieser Zeitpunkt mit Bewirkung der Zustellung an den Betroffenen anzunehmen ist ( Schauer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 120 Rz 20; Zankl/Mondel in Rechberger , AußStrG 2 § 120 Rz 3). Wird der Beschluss, wie hier, zuerst dem einstweiligen Sachwalter, zu einem späteren Zeitpunkt aber erst dem Betroffenen zugestellt, tritt die Wirksamkeit dennoch gleich ein, weil der Schutz des Betroffenen im Vordergrund steht. Demgemäß hatte Alexander R***** ab 23. April 2014 einen gesetzlichen Vertreter.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Alexander R***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (ON 1 S 21 f) wurde mit Verfügung des Landesgerichts Linz vom 1. April 2014 (ON 1 S 22 f) dem Betroffenen am 8. April 2014 (ON 38 S 1), dem Verteidiger am 10. April 2014 zugestellt. Erklärungen auf Verzicht zur Erhebung eines Einspruchs sind im Akt nicht ersichtlich. Dennoch stellte die Vorsitzende des Schöffengerichts am 8. April 2014 die Rechtswirksamkeit des Unterbringungsantrags fest (ON 1 S 25), obwohl die Frist zur Erhebung des Einspruchs noch bis 24. April 2014 lief.

Auf Grund mehrerer Hinweise in den Akten (ON 1 S 19, S 25, ON 41) sowie im Register Verfahrensautomation Justiz (VJ) hätte das Erstgericht die prozessuale Tatsache des Bestehens einer gesetzlichen Vertretung für Alexander R***** zu beachten gehabt. Vor Feststellung der Rechtswirksamkeit des Antrags auf Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB wäre daher dieser dem einstweiligen Sachwalter als gesetzlichem Vertreter des Betroffenen zuzustellen gewesen.

Demgemäß ist der Antrag auf Unterbringung des Alexander R***** nicht rechtswirksam, sodass die Vorbereitungsfrist des § 221 Abs 2 StPO weder für den Verteidiger noch für den Betroffenen zu laufen beginnen konnte ( Schroll/Schillhammer , Rechtsmittel in Strafsachen 2 Rz 118). Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher vor ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 242).

Somit war das angefochtene Urteil in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und die Sache dem Landesgericht Linz vorerst zur Zustellung des Unterbringungsantrags an den gesetzlichen Vertreter des Alexander R***** zu verweisen. Eines Eingehens auf die weitere Nichtigkeitsbeschwerde bedarf es daher nicht.