JudikaturJustiz12Os85/06a

12Os85/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Denk als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sasa K***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Elvir H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Mai 2006, GZ 162 Hv 176/05y-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten Elvir H***** aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Angeklagten Sasa K*****, Aleksander A***** und Daniel M***** sowie einen rechtskräftigen Teilfreispruch des Angeklagten Daniel M***** enthält, wurde Elvir H***** - abweichend von der wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklage - des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB als Beteiligter gemäß § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 27. Juli 2005 in Wien dadurch dazu beigetragen, dass Sasa K*****, Aleksander A***** und Daniel M***** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter" (ein Handeln in verabredeter Verbindung ist den Entscheidungsgründen jedoch unmissverständlich zu entnehmen) mit dem abgesondert verfolgten Dragi Kr*****j und den strafunmündigen Dule B***** und Novica R***** den Christian Ro***** durch Versetzen mehrerer Schläge und Tritte im Bereich des ganzen Körpers, die Prellungen der Nase, im Bereich des linken Jochbogens, hinter dem rechten Ohr und im Bereich des linken Beines, Abschürfungen im Bereich des linken Armes sowie infolge der Schläge eine Mittelohrentzündung, verbunden mit einer teilweisen, zusätzlichen, vorübergehenden Hörschädigung, zur Folge hatten, am Körper verletzten, indem er mit den genannten Mittätern besprach, Christian Ro***** zu folgen, um diesen zu schlagen, mit ihnen dem Christian Ro***** über längere Zeit folgte und sich bei den Tätlichkeiten gegen den Genannten in unmittelbarer Nähe aufhielt und somit den Tatentschluss und die Ausführung der Tat durch gemeinsames Auftreten als Gruppe förderte.

Hiezu traf das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Dule B***** fasste den Entschluss, Christian Ro***** zusammenzuschlagen. Dies teilte er Dragi Kr*****j, Sasa K*****, Aleksander A*****, Elvir H*****, Daniel M***** und Novica R***** mit, welche sich damit einverstanden erklärten bzw damit einverstanden waren, ohne dies zu äußern. Allen Beteiligten war dabei klar, dass sie als Gruppe auftreten und Christian Ro***** in zahlenmäßiger Überlegenheit gegenübertreten würden. Alle Beteiligten waren auch deshalb damit einverstanden, weil sie eine Gruppe und somit Christian Ro***** überlegen waren. Jeweils alleine wäre keiner der Beteiligten auf die Idee gekommen, Christian Ro***** zu folgen und ihn zu schlagen. Elvir H***** hielt es dabei ernstlich für möglich, dass er die Ausführung der Tat durch das Begleiten seiner Mittäter und den Aufenthalt am späteren Tatort erleichtern würde, und fand sich damit ab. Elvir H***** stand während der in der Folge gesetzten Tätlichkeiten einige Meter neben dem Opfer (US 6 f.). Dieses Verhalten wertete das Schöffengericht als sonstigen Tatbeitrag zum Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB (vgl Burgstaller/Fabrizy in WK² § 84 Rz 50, Fabrizy in WK² § 12 Rz 36; demgegenüber jedoch SSt 59/42, Kienapfel BT I5 § 84 Rz 65 mwN).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Elvir H*****okic, der Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.

Den tatrichterlichen Konstatierungen ist eine physische Beitragshandlung des Beschwerdeführers zur Tat der unmittelbaren Täter nicht zu entnehmen. Für die Annahme eines auch nur psychischen Tatbeitrages reichen - worauf die Beschwerde zutreffend verweist - mangels Ursächlichkeit die bloße, wenngleich vom Vorsatz, die Tat hiedurch zu erleichtern, getragene Anwesenheit am Tatort, das bloße Wissen um das geplante deliktische Verhalten anderer, das bloße Begleiten der Täter oder die stillschweigende Duldung der Tatausführung (US 9 f) nicht aus (vgl Fabrizy, StGB9 Rz 4a sowie in WK² Rz 90, je zu § 12 StGB; SSt 62/96).

Das bei allen Tatbeteiligten festgestellte Bewusstsein, als Gruppe und damit in zahlenmäßiger Überlegenheit dem Tatopfer gegenüberzutreten, ist mangels darüber hinausgehender Konstatierungen, wie etwa den (verabredungsgemäßen) Entschluss, bei Bedarf in das Tatgeschehen einzugreifen (Burgstaller/Fabrizy WK² § 84 Rz 49, 13 Os 74/97), noch kein hinreichendes Indiz, dass der Angeklagte H***** durch seine bloß passive Anwesenheit am Tatort die Tatausführung der ohnedies überlegenen unmittelbaren Täter gefördert hätte.

Das Referat im Urteilsspruch, der Beschwerdeführer habe darüber hinaus mit den übrigen Beteiligten zuvor die Tat besprochen (US 4), wiederum findet in den Entscheidungsgründen keine Deckung. Insbesondere lässt die auf alle Tatbeteiligten (außer auf Dule B*****) bezogene Alternativfeststellung „welche sich damit (mit dem Vorschlag des Dule B*****, Christian Ro***** zusammenzuschlagen) einverstanden erklärten bzw damit einverstanden waren, ohne dies zu äußern" (US 6 unten) nicht erkennen, ob der Beschwerdeführer seine Zustimmung zur Tat auch nach außen erkennbar zum Ausdruck brachte und dies den Entschluss der übrigen Beteiligten zur Tatausführung gefördert hat.

Das Urteil enthält somit keine tragfähigen Feststellungen zu der für die Annahme eines sonstigen Tatbeitrages erforderlichen Kausalität für den Tatablauf. Aufgrund dieses Mangels lässt sich jedoch die Verfahrenserneuerung in erster Instanz nicht vermeiden, sodass das angefochtene Urteil - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen war.