JudikaturJustiz12Os81/98

12Os81/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang C***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. März 1998, GZ 11 d Vr 10.609/97-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Wolfgang C***** wurde mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthält, (A) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und der Vergehen (B) der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 (richtig:) erster Fall StGB (US 20), (C) der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 2, 161 Abs 1 StGB sowie (D) der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Nur die Schuldsprüche wegen Betruges (A) und fahrlässiger Krida (C) bekämpft der Angeklagte aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Insoweit wird ihm angelastet, in Wien

(zu A) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Dr.Walter L***** durch Täuschung über Tatsachen, indem er vorgab, mit dessen Tochter Dr.Andrea L***** eine gemeinsame Existenz aufbauen zu wollen, (1.) in der zweiten Julihälfte 1993 zur Übergabe einer Armbanduhr Marke Patek Philippe im Wert von ca 100.000 S und (2.) im Juli/August 1993 zur Unterfertigung einer Vollmacht, die Wolfgang C***** zum Verkauf des im Eigentum des Dr.Walter L***** stehenden Anteiles 392/20658, verbunden mit Wohnungseigentum am Haus C 31 der Liegenschaft EZ 424, Grundbuch Seebenstein, und zum Inkasso des Kaufpreises ermächtigte, sowie weiters zur Duldung der Inkassierung von 1,7 Mio S, somit zu Verhaltensweisen verleitet zu haben, die diesen in Höhe von ca 100.000 S und von 1,7 Mio S an seinem Vermögen schädigten; sowie

(zu C) vom 1.Jänner bis 31.Juli 1993 als Geschäftsführer und somit leitender Angestellter (§ 309 StGB) der E***** HandelsGmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der genannten Gesellschaft fahrlässig die Befriedigung deren Gläubiger dadurch zumindest geschmälert zu haben, daß er neue Schulden einging, Schulden zahlte und die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragte.

Zum Betrug (A) stellte das Erstgericht im wesentlichen fest, daß der Angeklagte, der sich Mitte 1993 in "gröberen" finanziellen Schwierigkeiten befand und wußte, daß Dr.Walter L*****, der Vater seiner Bekannten Dr.Andrea L*****, beabsichtigte, im Falle ihrer Eheschließung seine Liegenschaft in Seebenstein zu veräußern und den Kaufpreis seiner Tochter als Mitgift zu vermachen, sich unter Nutzung der sich solcherart für ihn bietenden willkommenen Gelegenheit, seinen "Bargeldbedarf zu verringern", dazu entschloß, mit Dr.Andrea L***** eine Ehe einzugehen, dabei aber von Anfang an beabsichtigte, mit seiner Gattin nur bis zum Erhalt der Mitgift zusammenzuleben und sodann unter Mitnahme derselben Österreich zu verlassen, um sich - von ihr und den ihn verfolgenden österreichischen Finanzbehörden unbehelligt - in der Karibik auf Kosten seiner Ehegattin ein angenehmes Leben zu gestalten. Er verleitete deshalb Dr.Walter L***** durch Täuschung über seine wahren Absichten unter Vorgabe, mit dem Verkaufserlös der Liegenschaft eine gemeinsame Existenz im Ausland aufzubauen, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz am 1.Juli 1993 zur Unterfertigung einer Vollmacht, die ihn zum Verkauf seiner Liegenschaft in Seebenstein und zum Inkasso des Verkaufserlöses ermächtigte sowie weiters in der zweiten Julihälfte 1993 zur leihweisen Überlassung der im Spruch bezeichneten Uhr und begab sich in Verwirklichung seines Betrugsplans, nachdem er am 16.Juli 1993 geheiratet und am 20.August 1993 unter gleichzeitiger Empfangnahme des Kaufpreises das Grundstück um 1,7 Mio S verkauft hatte, einige Tage (richtig: einen Tag - 187/II) danach unter Mitnahme des gesamten Liegenschaftserlöses, ohne weiter mit seiner Ehegattin zusammenleben, geschweige denn eine gemeinsame Existenz aufbauen zu wollen, nach Miami bzw in die Dominikanische Republik, wo er das gesamte Geld für eigene Zwecke verbrauchte (US 10-12).

Wesentliches Planelement des Betruges war darnach (zu A/2.) neben der Vortäuschung der spezifischen Verwendung der Mitgift vor allem und in erster Linie die arglistige Vorspiegelung eines ernsthaften Ehewillens.

Rechtliche Beurteilung

Auf der Basis dieses Urteilssachverhalts gehen zunächst alle Einwände (Z 5 und Z 9 lit a) fehl, mit denen sinngemäß - in Ansehung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Mißachtung dieser festgestellten zentralen Täuschung - der Privilegierungstatbestand des § 166 Abs 1 StGB behauptet wird.

Ob Dr.Andrea L***** an dem nach Lage des Falles erst nach Eingehen der "Ehe" an den Angeklagten ausbezahlten Liegenschaftserlös infolge seiner - im Urteil ohnehin eindeutig konstatierten - Zweckwidmung als Mitgift bereits mit deren Inkassierung Eigentum erworben hatte oder (mangels der von ihrem Vater geforderten körperlichen Übergabe - 11, 53, 74/II) nur ein Anwartschaftsrecht, ist für die Beurteilung der relevierten Privilegierungsproblematik irrelevant. Denn § 166 StGB stellt auf den Zeitpunkt der Tatbegehung und der dadurch bewirkten Vermögensschädigung ab. Im konkreten Fall wurde die in der betrügerischen Herauslockung der Mitgift gelegene Tat nicht erst durch den baren Erhalt derselben, sondern in ihrer ersten Phase schon durch die plangemäß unabdingbar noch vor Eingehen der Ehe vorgenommene Täuschung des nicht zum Personenkreis des § 166 StGB zählenden Dr.Walter L***** und dessen darauf zurückzuführende und allein ihn (selbst-)schädigende Vermögensverfügung in Form des Zugeständnisses an den Beschwerdeführer, die Liegenschaft zu verkaufen und den Erlös zu kassieren, begangen.

Im übrigen zwingt der Normzweck des § 166 StGB (Leukauf/Steininger Komm3 § 166 RN 1) dazu, durch teleologische Reduktion von vornherein jene Fälle von der Privilegierung auszuschließen, in welchen der Täter - wie hier - die Angehörigeneigenschaft in Wahrheit allein zum Zwecke der Deliktsbegehung und zeitlich beschränkt bis zum Eintritt des beabsichtigten deliktischen Erfolges anstrebt, durch Täuschung darüber erreicht und damit - mit den dolos erwirkten äußeren Begleitumständen - eine ("familiäre") Beziehung zum Opfer schafft, die sich als deliktischer Teilakt der Tatplanverwirklichung zwangsläufig der Privilegierungsausrichtung des § 166 StGB entzieht.

An der objektiven Tatbestandsmäßigkeit des § 146 StGB würde sich zudem selbst dann nichts ändern, wenn der Beschwerdeführer im Sinne seiner Verantwortung, beim Liegenschaftserlös habe es sich um ein Hochzeitsgeschenk gehandelt - wovon das Erstgericht allerdings nicht ausgegangen ist -, daran allein auf Grund seines Betruges Mit- oder sogar Alleineigentum erworben hätte, denn auch die betrügerische Veranlassung einer Schenkung ist tatbildlich (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 146 E 61a).

So gesehen beziehen sich alle im gegebenen Zusammenhang als erörterungsbedürftig bezeichneten Beweisergebnisse (Z 5), und zwar auch in Ansehung der Dr.Walter L***** herausgelockten Uhr (A/1.), denn auch hier war primär schadenskausal die urteilsimmanente Täuschung über den Willen zur Aufrechterhaltung der Ehe über den Zeitpunkt der eingetretenen Bereicherung hinaus, auf nicht entscheidende Tatsachen.

Die Vortäuschung eines ernsthaften Ehewillens als primäre Täuschungskomponente wurde mit der Ablehnung der - gesetzeskonform im wesentlichen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) wiedergegebenen - leugnenden Verantwortung des Angeklagten, seiner desaströsen finanziellen Situation, der altersbedingten Leichtgläubigkeit des Betrugsopfers, der Aussage der als glaubwürdig beurteilten Zeugin Dr.Andrea H*****, der extrem kurzen Zeitspanne zwischen Heirat, Beuteinkasso und Flucht und schließlich mit dem häufigen und der Ehegattin jeweils verschwiegenen Wechsel des Aufenthaltsortes im Ausland mängelfrei begründet (US 16 bis 19).

Angesichts dessen geht sowohl der Einwand (Z 5) ins Leere, der laut Urteil vorgespielte Verwendungszweck des Liegenschaftserlöses fände mangels ausdrücklicher Vereinbarung darüber zwischen dem Angeklagten und dem Liegenschaftseigentümer im Akteninhalt keine Deckung, als auch die - noch dazu überwiegend mit in der Hauptverhandlung nicht zugelassenen Vorhalten (siehe den Protokollberichtigungsbeschluß vom 15. Juni 1998) untermauerte - Behauptung, das Erstgericht hätte sich mit den nach dem Urteilssachverhalt ohnehin auf der Hand liegenden und solcherart nicht näher darzulegenden (wahren) Gründen der Ehescheidung auseinanderzusetzen gehabt.

Mit dem wesentlichen Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a; zu A/2.), die vom Schöffengericht herangezogenen Begründungselemente seien kein zwingendes bzw deutliches Indiz für den Betrugsvorsatz, werden keine aktenkundigen Verfahrensergebnisse aufgezeigt, welche Anlaß zu erheblichen Bedenken gegen die diesbezüglich tragenden subjektiven Urteilsannahmen bieten könnten, sondern unter Verfehlung einer gesetzmäßigen Ausführung auch dieses Nichtigkeitsgrundes allein die erstgerichtlichen Erwägungen zur Beweiswürdigung bekämpft. Im übrigen trifft genau jener Sachverhalt, den auch die Beschwerde hier als tragfähig für ein betrügerisches Vorgehen akzeptiert, nämlich das durch Motiv und Dauer plangemäß allein auf den Erhalt der Mitgift beschränkte Eingehen einer ehelichen Gemeinschaft, auf die Urteilsannahmen zu.

Es versagt ferner der Einwand nicht ausreichender Konstatierung bzw Begründung des Bereicherungs- und Schädigungsvorsatzes des Angeklagten (der Sache nach allein Z 5), weil das Beschwerdeargument, im Rahmen der durch Heirat bedingten familiären Beziehungen würden die Grenzen zwischen "Mein" und "Dein" üblicherweise nicht so streng gezogen, - wie dargelegt - dann nicht ins Treffen geführt werden kann, wenn diese Beziehungen Scheincharakter haben und durch Täuschung darüber herbeigeführt wurden.

Da der Beschwerdeführer schließlich gegen die Urteilsannahme (zu C), daß bei Aufwendung der von einem ordentlichen Geschäftsführer geschuldeten Sorgfalt die mit spätestens Jahresbeginn 1993 eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Firma E***** für ihn subjektiv erkennbar war (US 14), angesichts der aktenkundigen Höhe schon damals nicht bedienter Kredite, der seit dieser Zeit nicht, wie behauptet, vereinzelt, sondern vermehrt und zudem auch wegen geringfügiger Rechnungsbeträge eingebrachten Klagen gegen dieses Unternehmen, mit der Behauptung einer insoweit fehlenden tragfähigen Beweisgrundlage keine erheblichen Bedenken (Z 5a) zu erwecken vermag, war die somit überwiegend offenbar unbegründete, im übrigen nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2, 285a Z 2 StPO).

Über die Berufung des Angeklagten wird demnach das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.