JudikaturJustiz12Os8/24d

12Os8/24d – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten nach § 21 Abs 2 StGB über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. November 2023, GZ 56 Hv 36/23g 159.1, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil und der Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter (Straf )Nachsichten aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

* B* wird mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil vom 23. Mai 2023 (ON 122) wurde * B* im ersten Rechtsgang der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1.A.) und der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (1.B. und 2.) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem ordnete das Erstgericht wegen der zu 1.A. angeführten Tat die strafrechtliche Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB an.

[2] Nach Aufhebung des Schuldspruchs zu 2. und demgemäß des Strafausspruchs sowie der Anordnung der strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB durch den Obersten Gerichtshof (12 Os 80/23s) zog die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift zu 2. des Schuldspruchs zurück (US 3; ON 1.104).

[3] Nach dem rechtskräftig verbliebenen Teil des Schuldspruchs hat * B*

1. am 12. Juni 2022 in W* Nachgenannte durch gefährliche Drohung zu Handlungen genötigt, zu B./ zu nötigen versucht, und zwar

A. * Bu* und * L* durch die Äußerung: „Schleicht's euch von da, sonst werdet ihr den Abend nicht mehr erleben!“, und dadurch, dass er mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von circa 15 cm in der Hand vor das Haus trat und auf Bu* zulief, zur Beendigung ihrer Tätigkeit und zum Verlassen der Örtlichkeit, wobei er die Nötigung beging, indem er mit dem Tod drohte;

B. im Anschluss an die zu 1.A. angeführte Handlung Bu* durch die eine Verletzung am Körper ankündigende Äußerung: „Wenn du nicht das Foto löschst, dann wirst du den Abend nicht überleben!“ zum Löschen des von ihm gemachten Fotos.

[4] Mit dem nunmehr im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil wurde * B* neuerlich zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt und zugleich seine strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des * B*, der Berechtigung zukommt.

[6] Zutreffend macht die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) geltend, dass – wie auch das Erstgericht einräumt (US 2 und 6) – eine Bedachtnahme (§ 31 StGB) auf das Vorurteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. Juli 2022, AZ 112 Hv 6/22f, zu Unrecht unterblieben ist. Denn die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Taten waren schon vor dem genannten Vorurteil verübt worden, hätten also bereits im bezeichneten Verfahren abgeurteilt werden können.

[7] Demzufolge waren – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – das Urteil sowie der zugleich gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter (Straf )Nachsichten schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO). Da das Gesetz das vorläufige Absehen vom Vollzug der strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB an den Strafausspruch bindet (§ 157a Abs 1 letzter Satz StVG), war auf diese Weise auch mit deren Anordnung zu verfahren (§ 289 StPO; vgl RIS Justiz RS0115054 [T4]). Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst hatte schon deshalb nicht einzutreten, weil Feststellungen zum aktuellen Zustand des * B* (vgl dazu Ratz in WK² StGB § 21 Rz 24 f) zu treffen wären (vgl Ratz , WK StPO § 285i Rz 4 f).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.