JudikaturJustiz12Os76/23b

12Os76/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Besic in der Strafsache gegen * G* und einen anderen Angeklagten wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten G* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 13. Oktober 2022, GZ 144 Hv 89/21w 38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten * G* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung hier von Bedeutung – * G* der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./), der Vergehen der Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 15 StGB (II./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (III./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in Wien

(I./) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) sowie unter Verwendung einer Waffe Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, und zwar

A./ am 9. Oktober 2021 * M* eine Zigarette, * T* ein Feuerzeug und einen Grinder sowie * S* 80 Euro Bargeld, indem er ihnen drohend einen Schlagring vorhielt, sie aufforderte, die Gegenstände herauszugeben, und diese an sich nahm;

B./ am 6. Oktober 2021 im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit zwei Mittätern M* und * Sc* 70 Euro Bargeld, indem er sie aufforderte, die Taschen auszuräumen und gegenüber M* unter Vorhalt eines Messers äußerte, wenn er einen Stich wolle, solle er es gleich sagen, woraufhin Sc* 10 Euro übergab und ein Mittäter 60 Euro aus der Geldbörse des M* entnahm (US 4);

(II./) durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zur Unterlassung der Verständigung der Polizei genötigt und zu nötigen versucht, indem er

A./ am 9. Oktober 2021 im Anschluss an die zu I./A./ geschilderte Tat zu M*, T* und S* sagte, wenn er die Polizei höre, werde er das nächste Mal den Schlagring verwenden, wobei es infolge Verständigung der Polizei beim Versuch blieb;

B./ am 6. Oktober 2021 im Anschluss an die zu I./B./ geschilderte Tat zu Sc* sagte, wenn er die Polizei rufe, werde er ihn finden und „ficken“;

(III./) Anfang Oktober 2021 bis zum 9. Oktober 2021 einen Schlagring, sohin eine verbotene Waffe (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besessen.

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und „Z 9 b“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des G*, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Urteilsanfechtung aus Z 5 zielt im Unterschied zur Berufung wegen Schuld nicht darauf ab, dass anderslautende Feststellungen getroffen werden mögen. Vielmehr ist geltend zu machen, dass eine getroffene Feststellung über eine entscheidende Tatsache (RIS Justiz RS0106268) wegen ihrer Darstellung (undeutlich, widersprüchlich) oder angesichts der Beweiswürdigung dazu (undeutlich, unvollständig, widersprüchlich, nicht oder offenbar unzureichend begründet, aktenwidrig) unhaltbar ist ( Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 281 Rz 46/1).

[5] Der Mängelrüge (der Sache nach: Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Feststellungen zum Tathergang zu I./B./ und II./B./ keineswegs im Rahmen einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten, sondern anhand der für glaubwürdig erachteten Angaben der Opfer (US 7 bis 10) im Einklang mit den Kriterien logischen Denkens und grundlegender Erfahrungssätze (RIS Justiz RS0118317) begründet. Das dazu erstattete Vorbringen des G*, wonach die Angaben der Opfer (insbesondere in Ansehung der Tatzeit) unglaubwürdig und widersprüchlich seien, seine Eltern ihm ein Alibi verschafft hätten und er nicht eindeutig identifiziert worden wäre, erschöpft sich in bloßer Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[6] Indem die Mängelrüge unter selektiver Hervorhebung der sehr wohl berücksichtigten Verantwortung des Angeklagten und der ebenso ins Kalkül gezogenen Deponate seiner Eltern (US 9 f) unter eigenständiger Würdigung von Beweisergebnissen für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht und von einer Absprache der Zeugen ausgeht, verfehlt sie die Anfechtungskriterien.

[7] Welche Verfahrensergebnisse das Erstgericht mit Stillschweigen übergangen haben soll (der Sache nach: Z 5 zweiter Fall; RIS Justiz RS0098646), erklärt die Rüge nicht.

[8] Der vom Rechtsmittelwerber angesprochene „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS Justiz RS0102162).

[9] Entgegen der weiteren Mängelrüge (der Sache nach: Z 5 vierter Fall) blieben auch die Urteilskonstatierungen zur objektiven Tatseite zu I./A./ und II./A./ nicht offenbar unzureichend, sondern anhand der anlässlich der Vernehmung vor der Polizei für glaubwürdig erachteten Angaben der Opfer, mit deren Aussagegenese sich die Tatrichter auseinandersetzten (US 10 f), logisch und empirisch einwandfrei (RIS Justiz RS0118317) begründet.

[10] Das Vorbringen, wonach die Angaben der Zeugen unglaubwürdig seien und diese G* fälschlich identifiziert hätten, während seine durch den Mitangeklagten zunächst weitgehend bestätigte, leugnende Verantwortung glaubwürdig sei, orientiert sich neuerlich nicht am aufgezeigten Anfechtungsrahmen.

[11] Die Darstellung einer Diversionsrüge (Z 10a) ist – unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 und 2 JGG – auf Basis der Urteilsfeststellungen methodisch korrekt zu entwickeln (RIS Justiz RS0124801 [T4]). Diese Vorgaben verfehlt die (eventualiter zu „§ 271 Abs. 1 Ziff. 9b StPO“) erstattete Rüge, wonach es „zumindest zum Versuch kommen [hätte] müssen, dem Beklagten einen Diversionsvorschlag zu unterbreiten, ... ihm jedoch ein derartiges Vorgehen nicht angeboten und er diesbezüglich auch nicht rechtlich aufgeklärt“ worden sei, gänzlich.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO).