JudikaturJustiz12Os61/13g

12Os61/13g – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herolind Z***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und eine andere strafbare Handlung, AZ 14 Hv 139/10i des Landesgerichts für Strafsachen Graz über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. September 2012, AZ 10 Bs 326/12k (ON 175), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, sowie der Verteidigerin Mag. Baar Baarenfels zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. September 2012, AZ 10 Bs 326/12k, verletzt im Alban G***** betreffenden Strafausspruch durch Unterlassung der Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Oktober 2011, GZ 64 Hv 82/11x 29, § 31 Abs 1 erster Satz StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Umfang der Entscheidungen in Betreff des Angeklagten Alban G***** aufgehoben und insoweit die Erneuerung des Berufungs- und Beschwerdeverfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 29. November 2010, GZ 14 Hv 139/10i 102, wurde Alban G***** (mit zwei weiteren Angeklagten) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB sowie (alleine) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Aus Anlass erhobener Nichtigkeitsbeschwerden hob der Oberste Gerichtshof das Urteil zu GZ 12 Os 64/11w 4 (ON 128) teilweise auf.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 26. September 2011, GZ 14 Hv 139/10i 135, das zufolge von Berufungen und einer impliziten Beschwerde nicht in Rechtskraft erwuchs, wurden Alban G***** sowie seine Mittäter im zweiten Rechtsgang in rechtlich verfehlter (aber unschädlicher) Wiederholung des insoweit bereits rechtskräftigen Schuldspruchs erneut des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und (nur Alban G*****) abermals des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von viereinhalb Jahren verurteilt. Unter einem erging der Beschluss auf Widerruf der Alban G***** zu AZ 6 Hv 21/10b des Landesgerichts für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsicht.

Mit gekürzt ausgefertigtem und am 11. Oktober 2011 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Oktober 2011, GZ 64 Hv 82/11x 26, wurde Alban G***** wegen einer am 29. November 2010 begangenen Tat des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Zugleich fasste der Einzelrichter den Beschluss auf Absehen vom Widerruf der Alban G***** zu AZ 6 Hv 21/10b des Landesgerichts für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsicht, verlängerte die Probezeit aber auf fünf Jahre.

Mit Urteil vom 25. September 2012, AZ 10 Bs 326/12k (ON 175) gab das Oberlandesgericht Graz nicht der Berufung des Angeklagten, sondern jener der Staatsanwaltschaft Folge und erhöhte die über Alban G***** verhängte Freiheitsstrafe auf vier Jahre und zehn Monate. In der Urteilsbegründung hielt das Oberlandesgericht fest, dass eine Bedachtnahme auf das Urteil vom 7. Oktober 2011 deshalb nicht in Betracht komme, weil die Tat während des Rechtsmittelverfahrens begangen worden sei (Berufungsurteil, US 8). Die (implizite) Beschwerde des Alban G***** gegen den Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 6 Hv 21/10b blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in der gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Wird hinsichtlich desselben Angeklagten nach einem infolge Anfechtung nicht rechtskräftigen Urteil, das einen Strafausspruch enthält, ein weiteres gefällt, dessen Schuldspruch ausschließlich eine vor dem ersten Urteil gelegene Tat betrifft, und erwächst das zweite Urteil vor dem ersten in Rechtskraft, ist nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung über die Berufung im ersten Verfahren auf das Urteil im zweiten Verfahren gemäß § 31 StGB Bedacht zu nehmen (RIS Justiz RS0090926; Ratz , WK² § 31 Rz 3). Da dem seit 11. Oktober 2011 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Oktober 2011, GZ 64 Hv 82/11x 29, eine am 29. November 2010 begangene Straftat zugrunde liegt, die mit dem (im zweiten Rechtsgang ergangenen) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 26. September 2011 hätte abgeurteilt werden können, wäre das Oberlandesgericht Graz verpflichtet gewesen, bei der Strafneubemessung auf das Vorurteil Bedacht zu nehmen.

Die Feststellung der dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Gesetzesverletzung war wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verbinden und dem Oberlandesgericht die neue Verhandlung und Entscheidung im aufgezeigten Umfang aufzutragen.