JudikaturJustiz12Os39/17b

12Os39/17b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jürgen N***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 3. Februar 2017, GZ 16 Hv 54/16x 73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Jürgen N***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Zeitraum von 27. Februar bis 1. September 2014 in L***** und an anderen Orten als Schuldner mehrerer Gläubiger sein Vermögen verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er von der ihm durch die G***** AG am 27. Februar 2014 überwiesenen Vergleichssumme einen Betrag in nicht näher feststellbarer, „50.000 Euro jedenfalls übersteigender“ Höhe in Wettlokalen verspielte und in Tabledance-Lokalen ausgab.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, Z 5 und Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Nichtaufnahme der beantragten Beweise – wenngleich eine formelle Beschlussfassung über diese Anträge gesetzwidrig (§ 238 Abs 3 StPO) unterblieb (vgl Danek/Mann , WK-StPO § 238 Rz 8) – Verteidigungsrechte nicht verletzt:

Die Anträge auf Vernehmung der Zeugen Richard N***** und Edith N***** zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte Jürgen N***** sich in einem die Strafbarkeit ausschließenden Irrtum befunden hat und kein Unrechtsbewusstsein hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Tat hatte, zumal sein damaliger Rechtsvertreter ihm auf Nachfrage versichert hat, er könne mit seinem Geld anstellen, was er wolle, weil er nicht in Konkurs wäre“, sowie auf Vernehmung der behandelnden Psychotherapeutin Mag. Yvonne S***** und des behandelnden Psychiaters Dr. Hubert Sc***** zum Beweis dafür, dass bei Jürgen N***** „im inkriminierten Zeitraum aufgrund seiner Spiel- und Alkoholsucht ein Kontrollverlust und damit eine fehlende Dispositions- und Diskretionsfähigkeit vorgelegen hat und er damals aufgrund dieser Beeinträchtigungen nicht in der Lage war, ein allfälliges Unrecht seiner Tat einzusehen“ (ON 72 S 11), verfielen schon deshalb zu Recht der (impliziten; vgl US 7) Abweisung, weil subjektive Meinungen, Ansichten und Wertungen betreffend den Vorsatz des Angeklagten, (nach Art eines Gutachtens gezogene) Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sind (RIS Justiz RS0097540 [vgl inbes T4 und T22]).

Überdies hat das Erstgericht die dem Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugen Richard N***** und Edith N***** zugrunde liegende – Jürgen N***** eine freie Vermögensverfügung erlaubende – Äußerung des damaligen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in der behaupteten Form ohnedies in seine Überlegungen miteinbezogen (US 6).

Auch die begehrte Einholung eines psychiatrischen oder suchttherapeutischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte im inkriminierten Zeitraum aufgrund der vorliegenden Alkohol- bzw Spielsucht zurechnungsunfähig war, unterblieb zu Recht.

Spielsucht kann zwar in Ausnahmefällen Zurechnungsunfähigkeit bewirken; doch nur dann, wenn der Täter unter Anführung dafür sprechender Umstände tatsächlicher Art eine Diskretions- und/oder Dispositionsunfähigkeit aufgrund einer Spielsucht von Krankheitswert behauptet oder Verfahrensergebnisse eine solche indizieren, sind hiezu – nach entsprechender Beweisaufnahme – klärende Feststellungen zu treffen (RIS Justiz RS0097641 [T23]).

Vorliegend ist zwar schon aus der Verantwortung des Angeklagten (vgl ON 42 S 7 und 13; ON 72 S 3 ff) eine im Tatzeitraum bestehende Spiel- und Alkoholsucht abzuleiten, welche vom Erstgericht auch als dessen Zurechnungsfähigkeit einschränkend – aber nicht ausschließend – berücksichtigt wurde (US 4). Anhaltspunkte tatsächlicher Art, die auf eine gänzliche und durchgängige suchtbedingte Aufhebung der Diskretions- bzw Dispositionsfähigkeit des Angeklagten während des gesamten Tatzeitraums (von immerhin rund sechs Monaten) hindeuten würden, ergeben sich jedoch weder aus den Vernehmungen des Angeklagten noch aus den sonstigen Verfahrensergebnissen.

Indem auch im betreffenden Beweisantrag keine entsprechenden Umstände vorgebracht wurden, die es dem erkennenden Schöffengericht erlauben könnten, mit Hilfe des besonderen Fachwissens eines Sachverständigen zu den für den rechtlichen Schluss auf Zurechnungsunfähigkeit erforderlichen Sachverhaltsannahmen zu gelangen (RIS Justiz RS0097641, RS0119248), zielte er auf unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS-Justiz RS0118444 [insbes T6]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 330 f).

Soweit der Beschwerdeführer die Urteilsannahme zum bedingten Vorsatz lediglich in Bezug auf die durch Spielverluste (nicht aber durch Verbrauch in „Tabledance-Lokalen“) bewirkte Vermögensverringerung (US 4) als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) bekämpft, spricht er – zumal ein Überschreiten der (nach § 156 Abs 2 StGB [idgF] bei 300.000 Euro liegenden) Wertgrenze durch die Tatrichter ohnehin nicht konstatiert wurde – keine entscheidende Tatsache an, weshalb dazu behauptete Begründungsdefizite keinen (zulässigen) Anfechtungsgegenstand der Mängelrüge bilden (RIS-Justiz RS0117499).

Mangels Annahme einer Wertqualifikation betrifft auch die unter dem Aspekt der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) kritisierte mangelnde Quantifizierung der vom Angeklagten im Tatzeitraum getragenen Unterhalts- und Lebenshaltungskosten keine für die Frage des Schuldspruchs oder die rechtliche Unterstellung der Tat entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0106268 [insb T4 und T6]).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) lässt – offenbar unter der irrigen Annahme eines Schuldspruchs wegen § 156 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (arg: „Wertgrenze von 50.000 Euro“) – die prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes vermissen, indem sie nicht darlegt, welchem Strafgesetz die Taten nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers bei der begehrten Nichtannahme eines 50.000 Euro übersteigenden Schadensbetrags unterzogen hätten werden müssen (RIS-Justiz RS0099950).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.