JudikaturJustiz12Os3/96

12Os3/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rauer als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Dr.Reinhold M***** gegen die Antragsgegnerin "Die F*****" wegen Bezahlung eines Entschädigungsbetrages gemäß § 6 MedG und weiterer medienrechtlicher Anträge über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 30.Jänner 1995, AZ 8 Bs 30/95, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Dr.Weiß, des Antragstellers Dr.Reinhold M*****, und der Parteienvertreter Dr.Dellhorn und Mag.Machold zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 30.Jänner 1995, AZ 8 Bs 30/95, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1.September 1994, GZ 34 b Vr 2.654/93-17, als nichtig aufgehoben wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 8 a Abs 2; 6 Abs 1; 33 Abs 1 und 34 Abs 1 iVm 41 Abs 6 MedienG.

Das Urteil wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Antragstellers aufgetragen.

Text

Gründe:

Dr.Reinhold M***** erhob am 7.Dezember 1993 zu AZ 34 b E Vr 2.654/93 des Landesgerichtes Linz wegen angeblich ehrenrühriger, am 27.Oktober 1993 in der Nr.166, 32.Jahrgang, des "Freiheitlichen Pressedienstes" der Freiheitlichen Partei Österreichs, Landesgeschäftsstelle, 4040 Linz, Blütenstraße 21/1, veröffentlichter Äußerungen des (der FPÖ angehörigen) Abgeordneten zum Nationalrat Josef M***** Privatanklage wegen übler Nachrede und Beleidigung nach §§ 111 Abs 2; 115 StGB. Zugleich stellte er (ua) die Anträge, der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), 1010 Wien, Kärntnerstraße 28, als Verlegerin des "Freiheitlichen Pressedienstes" die Zahlung eines Entschädigungsbetrages gemäß § 6 Abs 1 MedienG und die Urteilsveröffentlichung nach § 34 Abs 1 MedienG aufzutragen und die zur Verbreitung bestimmten Medienstücke der verfahrensgegenständlichen Mitteilung des Freiheitlichen Pressedienstes, Pressedienst Nr.166, 32.Jahrgang, gemäß § 33 Abs 1 MedienG einzuziehen.

In ihrer dazu gemeinsam am 10.Mai 1994 (ON 7) erstatteten Äußerung stützte sich der Beschuldigte Josef M***** auf seine berufliche Immunität (Art 57 Abs 1 B-VG) und beantragte die Abbrechung des ihn betreffenden Verfahrens, während die als Haftungsbeteiligte in Anspruch genommene Freiheitliche Partei Österreichs, 1010 Wien, Parlament, mangelnde Passivlegitimation einwendete, weil sie nicht Medieninhaberin des Pressedienstes der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich der Freiheitlichen Partei Österreichs sei, diese Funktion vielmehr der Landespartei Oberösterreich der Freiheitlichen Partei Österreichs zukomme.

Dazu äußerte sich der Privatankläger am 30.Juni 1994 dahingehend schriftlich (ON 12), daß er an der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) als Medieninhaberin festhalte. Selbst wenn die Landespartei Oberösterreich der Freiheitlichen Partei Österreichs, sohin eine "Regionalorganisation" der Haftungsbeteiligten, Medieninhaber wäre, hätte die Freiheitliche Partei Österreichs eine Richtstellung des Impressums "schuldhaft unterlassen", woraus sich ihre Haftung "für die gegenständliche Presseaussendung" ergebe.

Da der Nationalrat schließlich der Verfolgung des Abgeordneten Josef M***** nicht zustimmte (ON 14), stellte das Landesgericht Linz das gegen ihn geführte Strafverfahren mit Beschluß vom 26.Juli 1994 gemäß § 412 StPO vorläufig ein (3 a verso des Antrags- und Verfügungsbogens) und führte sodann - insoweit dem Eventualantrag des Privatanklägers folgend (27) - das medienrechtliche Verfahren gegen die Haftungsbeteiligte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) wegen §§ 6, 33 und 34 MedienG als selbständiges Verfahren weiter.

In der Hauptverhandlung am 1.September 1994 wiederholte der Vertreter der als Haftungsbeteiligte in Anspruch genommenen Freiheitlichen Partei Österreichs sein Vorbringen zur Äußerung vom 10.Mai 1994 (ON 7) und beantragte die Abweisung sämtlicher Anträge (165). Dazu wurde ua der Bericht des Bundesministeriums für Inneres vom 30.Juni 1994 (ON 13) über die Hinterlegung der Satzung der Landesgruppe "Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Oberösterreich" verlesen (167).

Mit Urteil vom selben Tag (ON 17) wies das Landesgericht Linz die wider die Freiheitliche Partei Österreichs, 1010 Wien, (richtig:) Kärntnerstraße 28, gerichteten Anträge nach §§ 6, 33 und 34 MedienG mangels Passivlegitimation der Antragsgegnerin im wesentlichen mit der Begründung ab, Medieninhaberin der inkriminierten Presseaussendung sei tatsächlich die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Oberösterreich, welcher aufgrund der Hinterlegung ihrer Satzung beim Bundesministerium für Inneres gemäß § 1 Abs 4 ParteienG (BGBl 1975/404) eigene Rechtspersönlichkeit zukomme. Dies folge aus dem Gesamtbild der in Rede stehenden Presseaussendung, der mit hinlänglicher Deutlichkeit zu entnehmen sei, daß die Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich, als Medieninhaber gelte, in Verbindung mit der Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres (ON 13) und dem Vorbringen der Parteien. Da eine Haftung der Freiheitlichen Partei Österreichs (Bundespartei) auch nicht aus einem Verstoß gegen das Gebot der Impressumsgenauigkeit nach § 24 MedienG abgeleitet werden könne, mangle es an der Passivlegitimation der Freiheitlichen Partei Österreichs, 1010 Wien, Kärntnerstraße 28.

Mit Urteil vom 30.Jänner 1995, AZ 8 Bs 30/95 (ON 22), gab das Oberlandesgericht Linz der (ua) auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützten Berufung des Antragstellers Dr.M***** wegen Nichtigkeit nach Z 9 lit a leg cit in nichtöffentlicher Sitzung Folge, hob das angefochtene Urteil als nichtig auf und ordnete die Fortsetzung des Verfahrens an.

Dieser Berufungsentscheidung liegt im wesentlichen die Auffassung zugrunde, daß der Aufdruck auf der inkriminierten Ausgabe des Freiheitlichen Pressedienstes, eines nach seinem äußeren Anschein periodischen Mediums, "Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgeschäftsstelle, A-4040 Linz, Blütenstraße 21/1" samt angegebener Telefon- und Faxnummer wesentliche, gemäß § 24 MedienG verpflichtend vorgeschriebene Impressumsangaben vermissen lasse, solcherart insbesondere nicht klarstelle, welche medienrechtliche Funktion dem veröffentlichen Namen samt Anschrift zuzuordnen sei (Medieninhaber, Verleger, Herausgeber, Redaktion oder Hersteller). Die Publizitätswirkung des Impressums bezwecke den Schutz des auf die Richtigkeit des Impressums gestützten Vertrauens einer von der Medienberichterstattung betroffenen Person, weshalb der Impressumsverfasser verhalten sei, die Konsequenzen eines allfälligen Verstoßes gegen das Gebot der Impressumsklarheit gegen sich gelten zu lassen, ohne daß er daraus prozessuale und/oder materielle Rechtsnachteile des Verfahrensgegners ableiten könnte. Der nicht gesetzeskonforme Inhalt des gegenständlichen Impressums erweise sich demnach als durchaus tragfähig für die Annahme des Antragstellers, daß die Freiheitliche Partei Österreichs (als Medieninhaber) das Erscheinen der hier aktuellen Ausgabe des Freiheitlichen Pressedienstes von Linz aus besorgte, mag dies auch nicht vom Erklärungswillen des Impressumsverfassers umfaßt gewesen sein. Die nach dem Antragsvorbringen als Verfasserin des Impressums geltende "Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich" müsse diese Konsequenz infolge mangelnder Impressumsklarheit gegen sich gelten lassen, ohne daß daraus dem Antragsgegner Rechtsnachteile erwachsen könnten.

Eine Erörterung weiterer Berufungseinwände (insbesondere jener gegen die Nichtannahme der Freiheitlichen Partei Österreich als Medieninhaber), unterblieb angesichts der mit Anordnung der Verfahrenserneuerung verbundenen Kassierung des Ersturteils folgerichtig.

Im fortgesetzten Verfahren stellte das Landesgericht Linz mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 25.August 1995 (ON 39) - anders als im ersten Rechtsgang - in Anlehnung an die Ausführungen des Oberlandesgerichtes Linz über die Rechtskonsequenzen mangelnder Impressumsklarheit und unter ersichtlich mißverständlicher Gleichsetzung der (jeweils wechselseitig auf beide Prozeßparteien zutreffenden) Begriffsbedeutung "Verfahrensgegner" mit dem prozessual absolut eindeutigen Begriff "Antragsgegner" (US 4) ohne jede Begründung und aktenfremd fest, daß die Antragsgegnerin "Die Freiheitlichen", 1010 Wien, Kärnterstraße 28, Medieninhaber (Verlegerin und Herausgeber) des periodischen Mediums "Freiheitlicher Pressedienst" sei. Davon ausgehend verurteilte es die Antragsgegnerin (die zwischenzeitig ihren Namen von "Freiheitliche Partei Österreichs" in "Die Freiheitlichen" geändert hatte) zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 6 MedienG an den Antragsteller und ordnete die Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke der inkriminierten Ausgabe gemäß § 33 MedienG und die Urteilsveröffentlichung gemäß (richtig:) § 34 MedienG in der nächsten Ausgabe des periodischen Mediums "Mitteilung des Freiheitlichen Pressedienstes, Pressedienst" an. Der Antragsgegnerin wurde ferner der Ersatz der Verfahrenskosten des Antragstellers sowie der gerichtlichen Kosten des Medienverfahrens auferlegt.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht, steht das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 30.Jänner 1995 mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Mit dem Oberlandesgericht Linz ist zwar zunächst davon auszugehen, daß der Verfasser des unklaren Impressums - nach den Behauptungen der in Anspruch genommenen Antragsgegnerin und den Feststellungen im angefochtenen Urteil die "Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich" - die im Impressum enthaltenen Unvollständigkeiten und Undeutlichkeiten im Rahmen der vom Antragsteller vorgenommenen denkmöglichen Interpretation des Impressums gegen sich gelten lassen muß (Hager-Walenta, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht3 E 265). Im konkreten Fall hat dies zur Folge, daß der verfahrenseinleitende, am 7.Dezember 1993 beim Landesgericht Linz gegen die Freiheitliche Partei Österreichs eingebrachte Antrag auf Zahlung eines Entschädigungsbetrages, Urteilsveröffentlichung und Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke im selbständigen Verfahren mit Wirkung gegen die Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich, sohin rechtzeitig und bei dem nach § 41 Abs 2 MedienG zuständigen Strafgericht eingebracht wurde (§§ 8 Abs 1, 8 a Abs 2 MedienG).

Die darüber hinausgehende Schlußfolgerung des Oberlandesgerichtes, daß als Folge des vom tatsächlichen Medieninhaber "Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich" verfaßten unklaren Impressums das die Anträge des Antragstellers gegen die Freiheitliche Partei Österreichs (die nach den Urteilsfeststellungen nicht Medieninhaber ist) abweisende Urteil nichtig sei, findet jedoch im Gesetz keine Deckung. Denn die Publizitätswirkung des Impressums gewährleistet den Schutz des auf die Richtigkeit des Impressums gestützten Vertrauens einer von einer Berichterstattung betroffenen Person nur so lange, als diese mit Grund auf dessen Richtigkeit vertrauen kann. Stellt sich aber die Unrichtigkeit des Impressums heraus oder wird der durch Impressumsunklarheit eröffnete Interpretationsfreiraum beseitigt, muß der Antragsteller - will er den Vertrauensschutz in die Richtigkeit des Impressums nicht verlieren - dieser geänderten Sachlage Rechnung tragen und seine Anträge (zumindest auch) gegen jene Person richten, die sich nunmehr als Medieninhaber (oder Verleger) darstellt. Im konkreten Fall hätte der Antragsteller - wenn nicht schon infolge der Äußerung des Beschuldigten und der als Haftungsbeteiligten in Anspruch genommenen Freiheitlichen Partei Österreichs vom 10.Mai 1994 - spätestens in der Hauptverhandlung vom 1.September 1994 nach Verlesung des Berichtes des Bundesministeriums für Inneres, aus dem sich die Rechtspersönlichkeit der damit übereinstimmend als Medieninhaberin bezeichneten Freiheitlichen Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich, ergab, auf die zwischenzeitige Klarstellung reagieren und - infolge des bis dahin wirksamen Vertrauensschutzes trotz objektiv bereits abgelaufener Frist für die Geltendmachung der Ansprüche von damals noch rechtzeitig - (zumindest auch) gegen die Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich, richten müssen. Ab diesem Zeitpunkt kann vom Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens in die Richtigkeit der zum (unklaren) Impressum beachteten Interpretationsvariante (mit den vom Oberlandesgericht Linz für die als Impressumsverfasserin erwiesene Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich, aufgezeigten Konsequenzen) nicht mehr gesprochen werden. So gesehen war aber zum Zeitpunkt der "Richtigstellung der Bezeichnung des Haftungsbeteiligten" in "Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich" in der am 16.Dezember 1994 bei Gericht eingelangten Berufungsausführung (ON 19.V) infolge Verstreichens der in § 8 a Abs 2 MedienG normierten (materiellrechtlichen) Frist von sechs Monaten nach Beginn der dem Anspruch zugrundeliegenden Verbreitung entsprechender Anspruchsverlust eingetreten.

Gerade darüber setzt sich aber die vom Oberlandesgericht Linz ausgesprochene Kassierung des Urteils des Landesgerichtes Linz vom 1. September 1994 zum Nachteil der vom Antragsteller als Medieninhaber in Anspruch genommenen und solcherart mit den Rechten eines Beschuldigten ausgestatteten (§ 41 Abs 6 MedienG) Freiheitlichen Partei Österreichs hinweg. Da das Erstgericht - vom Antragsteller allerdings bekämpft - ausdrücklich feststellt, daß nicht die Freiheitliche Partei Österreichs (Bundespartei), sondern die Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Oberösterreich, Medieninhaber (Verleger) des in Rede stehenden Druckwerkes ist, erfolgte insoweit die Abweisung der gegen die (vorliegend auch nicht als Verfasser des unklaren Impressums ingerierte) Freiheitliche Partei Österreichs als Bundespartei als (vermeintlicher) Medieninhaberin gerichteten Anträge des Dr.Reinhold M*****, dem die geltend gemachten Ansprüche (§§ 6 Abs 1, 33 Abs 1, 34 Abs 1 MedienG) nur gegen den tatsächlichen Medieninhaber zustehen, zu Recht.

In Stattgebung der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher die nicht gesetzeskonforme Rechtsmittelentscheidung aufzuheben und dem Oberlandesgericht Linz spruchgemäß die Erneuerung des Berufungsverfahrens aufzutragen.