JudikaturJustiz12Os26/16i

12Os26/16i – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Liviu U***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall und Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Liviu U***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. Dezember 2015, GZ 50 Hv 62/15t 17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch I./ zugrundeliegenden Tat auch unter § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Dem Angeklagten Liviu U***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten Liviu U***** sowie eines weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil wurde der Erstgenannte des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall und Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (I./) und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt. Danach hat er in W*****

I./ am 16. September 2014 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Martin S***** durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung eines falschen Beweismittels zu einer Handlung verleitet, die diesen mit einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, indem er ihm das Fahrzeug Suzuki Samurai Pick Up mit der Fahrgestellnummer ***** nach „Zurückdrehen des Kilometerzählers“ sowie unter Vorgabe dessen nicht bestehender Verkehrs- und Betriebssicherheit um 8.200 Euro verkaufte;

II./ „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 21. Dezember 2015“ eine falsche Urkunde, nämlich einen mit 9. Oktober 2013 datierten, das zu Schuldspruch I./ genannte Fahrzeug betreffenden, zwischen der D***** GmbH und ihm geschlossenen Kaufvertrag über 7.500 Euro mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der Tatsache gebraucht werde, er habe den PKW mit einem Kilometerstand von 20.000 (US 6) um diesen Preis gekauft.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Liviu U***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a sowie 9 lit a und lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die gegen Schuldspruch I./ gerichtete Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zeigt zutreffend auf, dass die Feststellungen zur Vornahme von Täuschungshandlungen unter Verwendung eines falschen Beweismittels (US 5 f; vgl dazu RIS Justiz RS0118119; Kirchbacher in WK 2 StGB § 147 Rz 47) unbegründet geblieben sind. Die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter (US 7 bis 9) beschränken sich nämlich auf die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des oben genannten Fahrzeuges betreffenden Beweismittel. Dieser Begründungsmangel erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der in Schuldspruch I./ angeführten Tat auch unter die Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB.

Das weitere Schuldspruch I./ betreffende Vorbringen (Z 5 erster [nominell auch dritter] Fall) vermag mit seiner Kritik an den vom Erstgericht gebrauchten Bezeichnungen für das vom Rechtsmittelwerber an Martin S***** verkaufte und das am 6. Dezember 2013 und am 9. September 2014 tatsächlich nach § 57a KFG begutachtete Fahrzeug keine Undeutlichkeit im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen. Den Entscheidungsgründen (US 5 f und 7 f) ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass der Angeklagte das nicht den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprechende Fahrzeug Suzuki Samurai Pick-Up mit der Fahrgestellnummer ***** von S***** K***** kurz nach dem 9. Oktober 2013 um 100 Euro kaufte, danach zur Erschleichung einer positiven Begutachtung nach § 57a KFG die Blechplakette mit der Fahrgestellnummer von diesem Fahrzeug abmontierte und auf einem baugleichen Fahrzeug anbrachte, dadurch am 6. Dezember 2013 und am 9. September 2014 jeweils einen positiven Prüfbericht für das Fahrzeug mit der genannten Fahrgestellnummer erlangte, die Plakette in der Folge wieder am genannten Fahrzeug anbrachte und es schließlich dem Martin S***** am 16. September 2014 unter Vorspiegelung der bestehenden Verkehrs- und Betriebssicherheit um 8.200 Euro verkaufte.

Zum (richtig:) Schuldspruch II./ vermisst der Beschwerdeführer die Erörterung seiner Ansicht nach aus einem Vergleich von Lichtbildern des „sich im Gerichtsakt befindlichen Kaufvertrages (AS 31 in ON 7)“ und dem in der Hauptverhandlung von ihm vorgelegten Kaufvertrag hervorgehender Unterschiede in der Lesbarkeit dieser Urkunden (der Sache nach Z 5 zweiter Fall). Dabei beschränkt er sich darauf, mit eigenen Erwägungen für sich günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen als das Erstgericht nach mängelfreier Erörterung dieser Beweismittel (US 9 f). Solcherart bekämpft er bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand (nominell Z 5, der Sache nach Tatsachenrüge als Aufklärungsrüge [Z 5a]), „zur Erreichung einer zweifelsfreien Feststellung [hätte] ein Schriftgutachten eingeholt werden müssen“, macht nicht deutlich, wodurch der Angeklagte Liviu U***** an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036).

Soweit sich die Rüge darüber hinaus ohne weiteres Vorbringen ausdrücklich auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO stützt, ist sie mangels Substantiierung keiner sachbezogenen Erwiderung zugänglich (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b [nominell auch lit a]) zu Schuldspruch II./, mit welcher unter Hinweis auf die konstatierte Tatbegehung „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 21. Dezember 2015“ (US 6) der Strafaufhebungsgrund der Verjährung eingewandt wird, orientiert sich nicht am Gesetz.

Sie nimmt prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Urteilsannahmen Maß, wonach der Angeklagte Liviu U***** für die Herstellung der falschen Urkunde den am 9. Oktober 2013 zwischen der D***** GmbH und S***** K***** abgeschlossenen (Original-)Vertrag verwendete (US 5 iVm US 6), sodass die Fälschung erst nach diesem Zeitpunkt möglich war. Zudem verfehlt sie mangels Hinweises auf die Annahme dieses Strafaufhebungsgrundes stützende Verfahrensergebnisse die gesetzmäßige Darstellung (RIS Justiz RS0118580, RS0122332).

Der weiteren Beschwerdekritik (der Sache nach Z 3) zuwider ist die Tat unbeschadet der unterbliebenen Festlegung auf ein bestimmtes Datum ausreichend individualisiert. Grundsätzlich sind zwar Zeit und Ort der Tat als Grundelemente der Individualisierung anzusehen; fehlende, ungenaue oder gar unzutreffende Angaben über diese Umstände begründen aber – es sei denn, sie wären ausnahmsweise rechtlich entscheidend (zB als Tatbestandsmerkmal) – keine Nichtigkeit, wenn die Tat sonst hinlänglich individualisiert ist (RIS-Justiz RS0098557; Lendl , WK-StPO § 260 Rz 14). Gerade dies trifft aber im vorliegenden Fall angesichts der genauen Bezeichnung der falschen Urkunde zu.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken:

Zum Schuldspruch II./ konstatierten die Tatrichter, dass der Angeklagte Liviu U***** die von ihm auf näher beschriebene Weise hergestellte falsche Urkunde dem Gericht in der Hauptverhandlung am 21. Dezember 2015 zum Beweis dafür vorlegte, dass er das Auto um 7.500 Euro und mit einem Kilometerstand von 20.000 gekauft habe. Dies mit dem Wissen und Wollen eine falsche Urkunde herzustellen und diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu gebrauchen (US 2, 6, 9). Zufolge stillschweigender Subsidiarität der Fälschung der Urkunde gegenüber deren Gebrauch (17 Os 2/14v; vgl Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 223 Rz 255 mwN) wäre die dem Schuldspruch II./ unterstellte Tat daher rechtsrichtig dem § 223 Abs 2 StGB zu subsumieren gewesen. Dieser Rechtsfehler wirkte sich jedoch in concreto nicht nachteilig für den Angeklagten Liviu U***** aus (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 23), sodass kein Anlass für amtswegiges Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 StPO bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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