JudikaturJustiz12Os21/07s

12Os21/07s – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab, Dr. Lässig, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Constantin S***** wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. November 2006, GZ 161 Hv 96/06b-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Constantin S***** der Vergehen nach § 27 Abs 1 (erg: sechster Fall) und Abs 2 (richtig:) Z 2 erster Fall SMG und der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und Baden den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel,

A. teilweise gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, und zwar in der Zeit von November 2005 bis April 2006 in einer Vielzahl von Angriffen ca 500 Stück Ecstasy-Tabletten, indem er ca 300 Stück an Marco P***** zum Selbstkostenpreis weitergab und weitere 200 Stück an Reinhard W***** und unbekannte Abnehmer gewinnbringend verkaufte;

B. zum Eigenkonsum erworben und besessen, und zwar in der Zeit von Herbst 2005 bis 17. Juli 2006 Ecstasy-Tabletten, Amphetamine (Speed) und Cannabiskraut.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 5, 5a, 9 lit b und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie geht fehl.

Weshalb die auf der Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei basierenden Urteilsannahmen, dass der Angeklagte aus Suchtgiftweitergaben einen Gewinn in Höhe von 600 Euro über einen Zeitraum von November 2005 bis April 2006 lukriert und sich aus den Suchtgiftverkäufen über ein halbes Jahr die Kosten für das Ausgehen am Wochenende finanziert habe (US 4, 7), angesichts der weiteren Feststellung, er sei im Herbst 2005 in Kontakt mit Suchtmitteln geraten und habe ab diesem Zeitpunkt zum Eigenkonsum wiederholt Ecstasy-Tabletten, Speed und Cannabiskraut erworben (US 3), mit Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) behaftet seien, sodass das Vorliegen der - vom Erstgericht nicht angenommenen - Privilegierung des § 27 Abs 2 Z 2 letzter Satz SMG nicht beurteilt werden könne, und welcher weiterer „Verdeutlichung der Mittelerwerbung" es bedurft hätte, vermag die Mängelrüge nicht darzutun.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) entbehrt einer prozessförmigen Darstellung, beschränkt sie sich doch darauf, die Glaubwürdigkeit der im Gegensatz zu ihren Angaben in der Hauptverhandlung stehenden, aber vom Erstgericht als überzeugend beurteilten Aussagen des Angeklagten und der - als Verdächtige vernommenen - Zeugen Marco P***** und Reinhard W***** vor der Polizei in Zweifel zu ziehen. Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zeigt der Beschwerdeführer damit jedenfalls nicht auf.

Mit Hinweisen auf die Urteilsannahme, dass es sich beim Angeklagten keinesfalls um den typischen „Großdealer" gehandelt habe, sondern viel eher um einen zeitweilig fehlgeleiteten jungen Erwachsenen, der einen Weg gefunden habe, sich über ein halbes Jahr auf leichte Weise die Kosten für das Ausgehen am Wochenende zu verdienen, und den vom Erstgericht festgestellten Gewinn in Höhe von 600 Euro bringt die Rechtsrüge (Z 9 lit b, der Sache nach Z 10) kein darauf hinweisendes Sachverhaltssubstrat zur Darstellung, dass der Beschwerdeführer an Suchtmittel gewöhnt gewesen wäre und die Suchtgiftverkäufe vorwiegend deshalb getätigt hätte, um sich für den eigenen Gebrauch ein Suchtmittel oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen. Damit fehlt es jedoch an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 601). Die Argumentation, angesichts der über den Tatzeitraum des Inverkehrsetzens hinausgehenden Dauer des Eigenkonsums und eines lediglich geringfügigen Gewinns in Höhe von 100 Euro pro Monat, liege es klar auf der Hand, dass diese Beträge in Ermangelung eines sonstigen nennenswerten Einkommens für die zum Schuldspruch B festgestellten Suchtgiftankäufe verwendet worden seien, sodass von der Privilegierung des § 27 Abs 2 Z 2 letzter Fall SMG auszugehen gewesen wäre, scheitert bereits an der mangelnden Konstatierung einer beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt bestehenden Suchtmittelgewöhnung (vgl 11 Os 117/06z) und vernachlässigt überdies die weitere Feststellung, wonach er mit den Suchtgiftgeschäften tatplankonform vor allem sein Ausgehen am Wochenende finanziert hat. Soweit die Diversionsrüge (Z 10a) in Ansehung des Schuldspruches wegen § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B) die - obligatorische - Anwendung des § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG einfordert, übergeht sie, dass dem Angeklagten auch das Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG zur Last liegt (Rosbaud in Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 35 Rz 19 mwN).

Wenn die Beschwerde vermeint, die Tatrichter hätten zum Schuldspruch A vom Gewöhnungsprivileg des § 27 Abs 2 Z 2 letzter Satz SMG auszugehen gehabt und daher gemäß § 37 iVm § 35 Abs 2 SMG vorgehen müssen, orientiert sie sich nicht an den entsprechenden Urteilsannahmen und verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Mit der Behauptung, im Umfang der 300 unentgeltlich weitergegebenen Ecstasy-Tabletten wäre ein Vorgehen nach § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG angezeigt gewesen, ignoriert die Rüge den auch insoweit erfolgten Schuldspruch wegen § 27 Abs 1 sechster Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG und legt überdies nicht dar, weshalb - dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes zuwider - auch die Weitergabe (§ 27 Abs 1 sechster Fall SMG) von Suchtgift von der diversionellen Reaktionsform des § 35 Abs 1 SMG erfasst sein sollte.

Aber auch das Vorbringen, die im angenommenen Umfang in überschaubarem Kreise und in überschaubarem Umfang vorgenommenen Suchtgiftverkäufe indizierten - auch angesichts der seitens des Erstgerichts vorgenommenen Persönlichkeitsbeschreibung des Angeklagten - keine schwere Schuld, entfernt sich von der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen, wonach Constantin S***** neben dem in gewerbsmäßiger Absicht vorgenommenen Verkauf von immerhin 200 Tabletten weitere 300 Stück, wenngleich unentgeltlich, über einen Zeitraum von sechs Monaten weitergegeben hat.

Schließlich bringt die Diversionsrüge vor, dass das Erstgericht das fehlende Geständnis zwar logisch mit der Angst des Angeklagten vor der Nichtaufnahme in eine Elitegruppe beim Bundesheer erklärt habe, dieser Umstand aber trotzdem Grund für die Verweigerung diversioneller Maßnahmen gewesen sei, obwohl eine geständige Verantwortung nicht als generelle Voraussetzung für eine derartige Erledigung angesehen werden könne. Bei einer - vom Erstgericht vorgenommenen - Gesamtbeurteilung des Täterverhaltens sei daher keine schwere Schuld anzunehmen. Unter Vernachlässigung der tatrichterlichen Erwägungen, dass die mangelnde Bereitschaft des Angeklagten, sein Fehlverhalten einzugestehen, sondern demgegenüber zu hoffen, negative Konsequenzen durch beharrliches Leugnen vermeiden zu können, ein diversionelles Vorgehen unter allen Umständen ausschließe (US 7), legt die Beschwerde jedoch nicht argumentativ begründet dar, weshalb - kumulativ neben dem Erfordernis „nicht schwerer Schuld" - die Einstellung des Verfahrens nicht weniger als eine Verurteilung geeignet erschiene, den Angeklagten in Hinkunft von nach §§ 27 oder 30 SMG strafbaren Taten abzuhalten, die Entscheidung des Erstgerichtes also insoweit auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht habe oder das den Tatrichtern zustehende Ermessen willkürlich ausgeübt worden sei (vgl 14 Os 109/06w).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung ebenso sofort zurückzuweisen (§ 285 Abs 1 StPO) wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (bloß angemeldete) Berufung wegen Schuld.

Daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufung wegen Strafe (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.