JudikaturJustiz12Os18/79

12Os18/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 1979

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Keller, Dr. Kral und Dr. Kießwetter als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald A wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. November 1978, GZ. 1 b Vr 7799/77- 46, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - mit dem auch ein Teilspruch erfolgte - wurde der am 12. Februar 1927 geborene Maurer Harald A des Vergehens des Betruges nach § 146

StGB schuldig erkannt, weil er am 25.10.1977 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Paul B durch Verbergen hinter dem falschen Scheine eines zahlungswilligen Gastes zur Ausfolgung einer Flasche Wein, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet hat, die diesen am Vermögen schädigte, und wobei der Schaden S 170,-- betrug.

Das Erstgericht ging davon aus, daß der Angeklagte nach Konsumation einer von einem (nur unter der Bezeichnung 'Baumeister' bekannten) Gast im Kaffeehaus C bezahlten Flasche Wein durch die in seiner Begleitung befindliche Zeugin Renate D beim Kellner Paul B eine zweite Flasche Wein zum Preise von S 170,-- bestellen ließ und diese gemeinsam mit anderen Gästen austrank.

Beim Inkasso weigerte er sich, diese Flasche Wein zu bezahlen, und zwar mit der Begründung, daß nicht er, sondern der erwähnte Gast, der sich inzwischen entfernt hatte, diese bestellt habe. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite nahm das Erstgericht an, daß der Angeklagte seine Zahlungswilligkeit vorgetäuscht und im übrigen in 'Schädigungs- und Bereicherungsabsicht' gehandelt habe. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 3, 5 und 9 lit. a (sachlich gleichfalls Z 5) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis Berechtigung zukommt.

Kein Erfolg kommt der Beschwerde allerdings zu, soweit sie eine Nichtigkeit im Sinne der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO darin erblickt, daß der wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB erhobene Strafantrag nicht verlesen, sondern dieser dem Angeklagten nur vorgehalten wurde; durch diesen Vorgang sei seinem Verteidiger die Möglichkeit genommen worden, dazu Stellung zu nehmen und etwaige Anträge zu stellen.

Nach Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles (S 186) hat der öffentliche Ankläger erklärt, den vom Bezirksanwalt im gemäß § 56 StPO einbezogenen Verfahren zu AZ 4 U 988/78 des Strafbezirksgerichtes Wien gestellten Strafantrag (siehe S 153 und ON 38 S 25) aufrecht zu erhalten, zu welchem der Angeklagte und zwei Zeugen in der Folge gehört wurden (S 186, 187, 189). Bei diesem Vorgang handelt es sich somit nicht etwa um eine mit Nichtigkeit bedrohte Nichtverlesung einer Anklage nach § 244 StPO, welche der Angeklagte offenbar vor Augen hat, sondern um eine sogenannte Ausdehnung der (wegen eines anderen Deliktes schriftlich erhobenen und /vgl. S 171/ ohnedies verlesenen) Anklage gemäß § 263 StPO, für welche eine bestimmte Form im Gesetz nicht vorgeschrieben ist (vgl. SSt 15/31 u.a.). Gewiß wäre eine noch detailliertere Form der Ausdehnung der Anklage denkbar und dem unter der Beteiligung von Laienrichtern stattfindenden Verfahren vor dem Schöffengericht sogar zweckmäßig gewesen, doch kommt auch bei der gewählten Ausdehnungsform hinreichend deutlich und bestimmt zum Ausdruck, welche (zusätzliche) Tat der öffentliche Ankläger verfolgen wollte und daß er die Bestrafung des Angeklagten (auch) wegen dieser Tat begehrte. Eine Nichtigkeit im Sinne der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO oder eine andere Nichtigkeit ist dem Erstgericht jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht unterlaufen, zumal im übrigen eine Benachteiligung des Angeklagten und seines Verteidigers schon deswegen nicht erkennbar ist, da diese Gelegenheit hatten, zum Anklagevorwurf Stellung zu nehmen und an die vernommenen Zeugen die ihnen zweckdienlich erscheinenden Fragen zu stellen. Sollte der Angeklagte die Meinung vertreten haben, daß eine längere Vorbereitungszeit von Nutzen wäre, so wäre es seine Aufgabe gewesen, durch entsprechende Antragstellung ein Zwischenerkenntnis des Erstgerichtes zu erwirken, welches im Falle der Ablehnung des Antrages allenfalls eine Beschwerdeführung im Sinne der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO ermöglicht hätte.

Rechtliche Beurteilung

Berechtigt hingegen ist die Nichtigkeitsbeschwerde soweit sie unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 (ziffernmäßig auch Z 9 lit. a) des § 281 Abs. 1 StPO dem Urteil eine unzureichende und unvollständige Begründung zum Vorwurf macht.

Die vom Erstgericht angenommene Bestellung der zweiten Weinflasche durch den Angeklagten im Wege der Zeugin Renate D wird vom Erstgericht damit begründet, daß diese trotz Leugnen des Angeklagten deswegen 'wahrscheinlich' sei, weil der unter dem Namen E aufgetretene Gast die erste Flasche Wein gezahlt hätte, und sich der Angeklagte daher für die Zeche revanchieren wollte. Gewißheit darüber sei aber deswegen gegeben, weil die Zeugin Renate D die Bestellung dieser Flasche für ihren 'Vater' (gemeint war der Angeklagte) getätigt habe und dieser weder dem Zeugen Paul B noch der herbeigerufenen Funkstreifenbesatzung gegenüber erwähnt habe, daß die Bestellung der Weinflasche durch einen Dritten erfolgt sei (S 199 d. A).

Damit fehlt es aber schon für die Tatsache der Bestellung der zweiten Flasche durch den Angeklagten an zureichenden Gründen, da das Erstgericht, das diese Bestellung zunächst selbst nur für 'wahrscheinlich' hält dabei nicht nur außer Acht läßt, daß gegen die Annahme einer 'Revanchebestellung' neben den - im Urteil berücksichtigten - Angaben der Zeugin D (S 188), auch die - insoweit übergangenen - Angaben des Zeugen B (S 187) sprechen, sondern sich auch nicht damit auseinandersetzt, daß die - gegenüber Kellner und Funkstreife abgegebene - Erklärung des Angeklagten, selbst nicht bestellt zu haben, nach Lage des Falles ohnedies auch die Behauptung der Bestellung durch einen Dritten umfaßt, daß seine Angaben bei der Funkstreife nur sinngemäß und kursorisch wiedergegeben wurden (vgl. S 11 und 12

in ON 38) und daß der Angeklagte bei seiner späteren niederschriftlichen polizeilichen Einvernahme (S 19, 20 in ON 38) sehr wohl eine genaue Schilderung gab.

Ein weiterer Begründungsmangel liegt in der Unterlassung von Erörterungen darüber, daß der Angeklagte nach Aussage des Zeugen Paul B im Lokal kein Unbekannter war (S 187 d. A), er auch offensichtlich sein Sakko samt Ausweispapieren dem Kellner übergeben hatte oder sich dieses bereits vor Entstehung von Differenzen über die Bezahlung in dessen Besitz befand (S 188, 189 d. A), sodaß für den Geschädigten jedenfalls kein Zweifel über die Identität der Person des Angeklagten bestand, dieser allenfalls sogar im Besitz von Vermögenswerten war, die den Preis der Weinflasche deckten. All diese Umstände sind vor allem für die Frage des Bereicherungs- und Schädigungsvorsatzes bedeutsam, zumal selbst ein im Verschweigen einer allfälligen (allerdings gleichfalls nicht erörterten) Barzahlungsunfähigkeit zum Ausdruck kommender Täuschungsvorsatz allein nicht auch schon dem zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 146

StGB erforderlichen Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz gleichgesetzt werden könnte, insbesonders dann nicht, wenn der Getäuschte zur Deckung seines Schadens ausreichende Vermögenswerte des Täters in seiner Verfügung hat.

So gesehen ist das angefochtene Urteil über entscheidungswesentliche Tatsachen mit Begründungsmängeln behaftet, welche die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich erscheinen lassen. Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde - mit Zustimmung der Generalprokuratur - gemäß § 285 e StPO wie im Spruche zu erkennen. Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht durch eingehende Befragung des Angeklagten und der beiden zur Verfügung stehenden Zeugen zunächst die genauen Umstände der Bestellung der zweiten Weinflasche mit schlüssiger und denkfolgerichtiger Begründung und unter Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Argumente zu klären und dabei auch zu erörtern haben, ob selbst bei angenommenem Täuschungsvorsatz jener der Schädigung und Bereicherung als erwiesen angenommen werden kann.

Dabei wird auch von Bedeutung sein, über wessen Veranlassung schließlich die Anzeige erstattet wurde (siehe S 11 und 19 in ON 38 und S 188 der Akten) und auf welche Weise das Sakko des Angeklagten in den Besitz des Zeugen B gelangt ist.