JudikaturJustiz12Os159/18a

12Os159/18a – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gianpiero F***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Stephanie L***** sowie über die Berufung des Angeklagten Gianpiero F***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 28. August 2018, GZ 26 Hv 38/18v 74, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im beide Angeklagten betreffenden Ausspruch des Verfalls (im Umfang eines Betrags von insgesamt 1.200 Euro) aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Stephanie L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Verfallsaussprüche enthaltenden Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Gianpiero F***** (zu I./A./ und II./A./) jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und Stephanie L***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 dritter Fall und Abs 2 Z 2 SMG (richtig: II./B./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (III./B./ und C./) schuldig erkannt.

Danach haben Gianpiero F***** (I./A./, II./A./ und III./B./b./) und Stephanie L***** (II./B./, III./B./ und C./) von Anfang 2017 bis 18. Dezember 2017 in W***** und an anderen Orten als Mitglieder einer im Urteil näher beschriebenen kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabisprodukte mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 8 % THC in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (Stephanie L*****) bzw in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (Gianpiero F*****)

I./A./ zur Einfuhr beigetragen, indem Gianpiero F***** dem Gjovalin K***** im Vorhinein zusicherte, die von Italien nach Österreich einzuführende Suchtgiftmenge von zumindest 28 Kilogramm Cannabis (2.240 Gramm reines THC – 112 Grenzmengen) nach der Einfuhr bei sich in W***** zu lagern;

II./A./ als Beitragstäter ausgeführt, indem Gianpiero F***** dem Frank R***** und unbekannten Mittelsmännern 20 Kilogramm Cannabiskraut (1.600 Gramm reines THC – 80 Grenzmengen) zwecks Verbringung nach Deutschland übergab;

II./B./ als Beitragstäterin ausgeführt, indem Stephanie L***** dem Frank R***** 1 Kilogramm Cannabiskraut (80 Gramm reines THC – 4 Grenzmengen) zwecks Verbringung nach Deutschland übergab;

III./B./b./ in einverständlichem Zusammenwirken mit Gianpero F***** der Julia H***** 200 Gramm Cannabiskraut überlassen;

III./C./ dem Frank R***** 1 Kilogramm Cannabiskraus (80 Gramm reines THC – 4 Grenzmengen) überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, Z 9 lit a, Z 10 und Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Stephanie L***** ist teilweise berechtigt.

Entgegen der Mängelrüge (nominell Z 5 erster, zweiter und dritter Fall) hat das Erstgericht den Zusammenschluss zu einer kriminellen Vereinigung ohnedies nicht mit 18. Dezember 2017 datiert, sondern insoweit den gesamten abgeurteilten Tatzeitraum – ungeachtet des sprachlich missglückten Wortes „Zeitpunkt“ (US 7) – in den Blick genommen. Dies ergibt sich bei verständiger Lesart schon unmissverständlich aus dieser Urteilspassage selbst („entwickelte sich von zumindest Anfang des Jahres 2017 bis zur Festnahme […] am 18. 12. 2017 das rege Geschäftsmodell eines internationalen Cannabishandels“), aber auch bei der prozessual gebotenen (RIS Justiz RS0119370) Beachtung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl etwa US 15 f: „Zeitraum“, „Geschäftsmodell“).

Soweit die Rüge in Bezug auf die Suchtgiftübergaben an Frank R***** und Julia H***** sowie die der Angeklagten angelasteten Mitgliedschaft zu einer kriminellen Vereinigung das Fehlen einer „erkennbaren zeitlichen Einordnung“ kritisiert, spricht sie keine entscheidenden Tatsachen an (vgl RIS Justiz RS0098557; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.114).

Die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell auch Z 9 lit a) erklärt nicht, weshalb im Verhältnis von Überlassung und gleichzeitigem Beitrag zur anschließenden (hier:) Ausfuhr durch den Übernehmer bloße Scheinkonkurrenz vorliegen sollte (vgl RIS Justiz RS0131468; Hinterhofer in Hinterhofer SMG 2 § 28a Rz 92).

Hingegen wendet die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zutreffend ein, dass der Verfallsausspruch die verfehlte Anordnung einer Solidarhaftung der Angeklagten Gianpiero F***** und Stephanie L***** enthält. Sind nämlich Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären (RIS Justiz RS0129964).

Gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO war das aufgezeigte Rechtsdefizit auch zugunsten des Angeklagten Gianpiero F***** wahrzunehmen. Da dieser Angeklagte nur Berufung gegen den Strafausspruch ergriffen hat, wäre dem Berufungsgericht – zufolge der Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte (§ 295 Abs 1 erster Satz StPO) – die amtswegige Wahrnehmung dieser Nichtigkeit verwehrt (RIS Justiz RS0119220 [T9, T10]).

Dieser Rechtsfehler führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 288 Abs 2 Z 3, § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Im diesbezüglichen neuen Verfahren steht die Entscheidung (unter Berücksichtigung des § 43 Abs 2 StPO) im Sinn des letzten Satzes des § 445 Abs 2 StPO dem Vorsitzenden des Schöffengerichts als Einzelrichter zu (vgl RIS Justiz RS0117920, RS0100271).

Über die gegen die Strafaussprüche gerichteten Berufungen hat vorerst das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden.

Bleibt dazu mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO – worauf die Generalprokuratur zutreffend hinweist – anzumerken, dass dem Angeklagten Gianpiero F***** nur ein Verbrechen nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3, Abs 5 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB anzulasten gewesen wäre, weil dieser Angeklagte den Feststellungen zufolge (US 8) den sich über mehrere Staatsgrenzen erstreckenden Suchtgiftschmuggel in tatbestandlicher Handlungseinheit (als Beteiligter) verübt hat (vgl jüngst 11 Os 106/18z; siehe dazu auch Oshidari SbgK § 233 Rz 57). Unter Berücksichtigung, dass das Erstgericht das Zusammentreffen dieser beiden Verbrechen nicht als erschwerend gewertet hat (US 30), kam jedoch amtswegiges Vorgehen mangels konkreten Nachteils insoweit nicht in Betracht. Angesichts dieser Klarstellung hat das Oberlandesgericht die aufgezeigte Gesetzesverletzung – ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung – bei der Entscheidung über die gegen den Sanktionsausspruch gerichtete Berufung zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK StPO, § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.