JudikaturJustiz12Os143/14t

12Os143/14t – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2014 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Yunus F***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB, AZ 331 HR 179/14z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Bekchan Z***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 23. September 2014, AZ 21 Bs 310/14p (ON 129), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Bekchan Z***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

In dem von der Staatsanwaltschaft Wien zu AZ 501 St 124/14f gegen zahlreiche Beschuldigte wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB geführten Ermittlungsverfahren wurde über Bekchan Z***** mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 21. August 2014 aus den Haftgründen des § 173 Abs 2 Z 1, 2, 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 30) und am 4. September 2014 aus den genannten Haftgründen mit Ausnahme der Z 3 lit b des § 173 Abs 2 StPO fortgesetzt (ON 87).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde dieses Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 23. September 2014, AZ 21 Bs 310/14p (ON 129), nicht Folge und verlängerte die Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und lit b StPO.

Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist Bekchan Z***** dringend verdächtig, sich am 18. August 2014 in Wien als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der in der UN Sanktionsliste (Quelle: Wikipedia zu „Islamic State“ und „UN-Sanktionslisten“; www.un.org) aufscheinenden Terrororganisation IS Islamic State (bzw Jabhat Al Nusrah) beteiligt zu haben, indem er gemeinsam mit mehreren Mittätern in einem organisierten Zusammenschluss zu einer Reisegruppe einen Pkw bestieg und die Ausreise aus Österreich in Richtung Ungarn mit dem Ziel Syrien in Angriff nahm, um sich dort am bewaffneten Dschihad zu beteiligen, wobei er mit dem Wissen handelte, durch seine Beteiligung die Vereinigung oder deren Kampfhandlungen zu fördern.

Dieses Verhalten subsumierte das Oberlandesgericht dem Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (BS 2 iVm BS 6).

Den als dringend anzunehmenden Tatverdacht gründete das Oberlandesgericht auf die im Anlassbericht der Landespolizeidirektion Wien, Landesamt Verfassungsschutz, vom 19. August 2014 (ON 9) zusammengefassten Polizeierhebungen sowie insbesondere auf die Bekchan Z***** belastende geständige Verantwortung des Mitbeschuldigten Yunus F*****, der konkrete Angaben zu der die Mitglieder der Gruppe anwerbenden Kontaktperson (Magomed B***** oder „M*****“), zur gemeinsamen religiösen und politischen Gesinnung und zum Ziel der angetretenen Reise tätigte (BS 3 ff).

Die Kontaktaufnahme mit dem Anhänger der terroristischen Vereinigung „M*****“ und den organisierten Zusammenschluss zu einer Reisegruppe mit dem Ziel, an medial verfolgbaren und international verpönten Kämpfen teilzunehmen, wobei entsprechende logistische Verbindungen zu den Vertretern der terroristischen Vereinigung vor Ort als zwangsläufig auf der Hand liegend angenommen werden können, qualifizierte das Beschwerdegericht als Aktivitäten, die im Sinn des § 278b Abs 2 iVm § 278 Abs 3 StGB die Ziele der Vereinigung und deren Handlungen fördern sowie deren Infrastruktur stärken (vgl Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 39). Rechtlich ging es wie bereits das Erstgericht von vollendeter Tatbegehung aus (BS 5 f).

Der dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Da anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht nicht die Haft, sondern die Entscheidung über die Haft den Gegenstand des Erkenntnisses über eine

Grundrechtsbeschwerde bildet und § 3 Abs 1 GRBG hinsichtlich der dort angeordneten Begründungspflicht nichts anderes vorsieht (vgl § 10 GRBG), kann im Verfahren über eine

Grundrechtsbeschwerde nach ständiger Rechtsprechung die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts nach Maßgabe der Voraussetzungen der Mängel- und der Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO) in Frage gestellt werden (RIS-Justiz RS0110146, RS0114488).

Diese Kriterien verkennt der Beschwerdeführer, indem er ohne Begründungsdefizite des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen oder den Versuch zu unternehmen, aus den Akten erhebliche Bedenken an den dem Beschluss zugrundeliegenden Tatsachen zu erwecken die Annahmen zum dringenden Tatverdacht in objektiver und subjektiver Hinsicht im Ergebnis ohne weitere Begründung als willkürlich oder als Spekulation ohne Basis im Akteninhalt bezeichnet.

Weshalb „die Fahrt von Wien nach Nickelsdorf“ eine straflose Vorbereitungshandlung sein soll, erklärt der Beschwerdeführer nicht.

Soweit die Rüge vermeint, Bekchan Z***** habe keinerlei Beteiligungshandlungen gesetzt, ist ihm zu erwidern:

Das Oberlandesgericht Wien nahm wie bereits dargestellt durch die dem Beschwerdeführer angelasteten Tathandlungen den dringenden Verdacht vollendeter Begehung des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB an und führte aus, dass durch die Kontaktaufnahme mit dem die Fahrt organisierenden Anhänger der terroristischen Vereinigung „M*****“ und dem geplanten Zusammenschluss zur Teilnahme an den Kämpfen in Syrien die Ziele der Vereinigung und deren strafbare Handlungen gefördert sowie deren Infrastruktur gestärkt wurden (BS 5 f). Damit wertete das Beschwerdegericht bereits die konkrete Zusage an eine Kämpfer rekrutierende Person im Zusammenhalt mit der erfolgten Abreise in Richtung der Kampfgebiete zutreffend als Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung auf sonstige Weise, nämlich im Ergebnis als psychische Unterstützung der Mitglieder der terroristischen Vereinigung, die dergestalt bis zum tatsächlichen Eintreffen des Beschwerdeführers in den Kampfgebieten mit alsbaldiger Verstärkung und der konkreten Unterstützung im bewaffneten Kampf rechnen konnten. Damit geht diese Unterstützung sogar über jene eines (das Tatbild ebenfalls erfüllenden) „Schläfers“, dessen Tätigkeit sich vorerst bloß auf die fixe Zusage für einen zu einem unbestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt allenfalls stattfindenden Einsatz für die terroristische Vereinigung beschränkt (vgl Plöchl in WK² StGB § 278b Rz 11), weit hinaus, weil der Beschwerdeführer den Annahmen des Beschwerdegerichts zufolge bereits aktiv wurde und sich auf der Fahrt nach Syrien befunden hat.

Zu einer in der Grundrechtsbeschwerde angeregten Antragstellung im Sinn des

Art 89 Abs 2 B VG wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit der §§ 278b und 278 Abs 3 StGB sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst. Im Übrigen sucht der Beschwerdeführer seine Auffassung bloß durch pauschalen Verweis auf Schrifttum ( Sadoghi/Starzer , Zur Strafbarkeit der Teilnahme an Terrorcamps, Juridicum 2008/3, 150; Wessely , Zu den neuen Terrorismustatbeständen im StGB, ÖJZ 2004/53 ) zu belegen, das seine Position gerade nicht stützt.

Weshalb eine Unvereinbarkeit der in Rede stehenden Tatbestände mit dem Bestimmtheits- und Sachlichkeitsgebot bestehen soll, sagt die Rüge nicht.

Ob das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Verhalten nach deutschem Recht strafbar ist, ist für die Strafbarkeit nach österreichischem Recht ebenso ohne Relevanz wie rechtsvergleichende Überlegungen im Hinblick auf die behaupteten verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bekchan Z***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.