JudikaturJustiz12Os140/00

12Os140/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Eveline H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 22. August 2000, GZ 26 Vr 544/00-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eveline H***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie in Linz als Beamtin der Landessanitätsdirektion dadurch, dass sie sich insgesamt 313.878 S Bargeld zueignete, anstatt es ordnungsgemäß an die Berechtigten abzuführen, mit dem Vorsatz, das Land Oberösterreich in seinem konkreten Recht auf ordnungsgemäßes Führen und Abrechnen der "Gesundheitsstraße" und der "Impfkasse" zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Landes Oberösterreich als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbrauchte, und zwar:

1. in den Jahren 1996 bis 1999 durch Einbehaltung von 191.000 S aus Regiebeiträgen der "Gesundheitsstraße",

2. im Oktober 1999 durch Einbehaltung von Regiebeiträgen der "Impfkasse" in Höhe von 19.604 S,

3. vom 2. bis 12. November 1999 durch die Einbehaltung von Einnahmen aus Impftätigkeiten in Höhe von 7.784 S und

4. von Juli 1999 bis 12. November 1999 durch die Einbehaltung von Honoraren der Impfärzte in Höhe von 95.390 S.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen war die Angeklagte als pragmatisierte Beamtin (Verwendungsgruppe C) im Verwaltungsdienst der Landessanitätsdirektion beschäftigt, wobei zu ihrem Aufgabengebiet unter anderem die Mitarbeit im Rahmen der sogenannten "Gesundheitsstraße" und die Verwaltung der "Impfkasse" gehörte. In dem vom Land Oberösterreich initiierten Projekt "Gesundheitsstraße" wurden am Wochenende, meist am Freitag oder Samstag, bei verschiedenen Gemeinden der Landbevölkerung auf freiwilliger Basis gegen einen Unkostenbeitrag von 50 S eine Blutuntersuchung, Blutdruckmessung und Ernährungsberatung angeboten und diese Maßnahmen durch einen Amtsarzt, eine Ernährungswissenschaftlerin und drei Verwaltungsbeamte durchgeführt. Die Angeklagte übernahm dabei von Angestellten der Gemeinden die vereinnahmten Gelder, meist 2.000 bis 3.000 S pro Veranstaltung, und hatte sie auf ein Konto des Landes Oberösterreich zu überweisen. Darüber hinaus verwaltete sie die Impfkasse für die reisemedizinische Beratungsstelle der Landessanitätsdirektion. Die dabei pro Impfung zu bezahlenden Kosten waren von ihr, getrennt nach Verwaltungsabgaben, Regiebeiträgen und Arzthonoraren, auf verschiedene Konten des Landes Oberösterreich einzuzahlen bzw an die Impfärzte weiterzuleiten. Einen Teil dieser Gelder (siehe Urteilsspruch) veruntreute sie, weil sie aus ihrem Einkommen die hohen Kosten ihrer psychisch bedingten Ess-Störung (Bulimie) nicht bestreiten konnte.

Rechtliche Beurteilung

Indem das Erstgericht, ersichtlich wegen des staatlichen Leistungserbringers (US 11), die medizinischen Maßnahmen des Landes Oberösterreich im Rahmen der Gesundheitsstraße und der reisemedizinischen Beratungstätigkeit und demnach auch die der Angeklagten dabei obliegende Einnahmenverwaltung der Hoheitsverwaltung zuordnete, ist es - wie die Angeklagte in ihrer Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) zu Recht geltend macht - einer rechtlichen Fehlbeurteilung unterlegen.

Anders als beim Tätigwerden von Amtsärzten bei der Vorbereitung von Hoheitsakten, etwa bei der Tauglichkeitsprüfung im Verfahren zur Erlangung eines Führerscheines, traten die Bediensteten des Landes Oberösterreich im konkreten Fall nicht als Träger staatlicher Gewalt auf. Vielmehr bot das Land auf freiwilliger Basis medizinische Leistungen im Rahmen sogenannter "Leistender Verwaltung" an (vgl Novak, Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung, ÖJZ 1979, 1 und 2), die dann, vergleichbar dem Fall eines privat konsultierten Arztes, auf Grund eines mit den Gemeindebürgern und Impfwerbern jeweils eingegangenen Behandlungsvertrages tatsächlich erbracht wurden. Unter diesen Voraussetzungen liegt eine Amtstätigkeit "in Vollziehung der Gesetze" nicht vor (H. Mayer, B-VG MKK, Erläut II/3 zu Art 23), weshalb der Tatbestand des § 302 StGB auch bei der der Angeklagten angelasteten missbräuchlichen Verwaltung der dabei erzielten Einnahmen von vornherein ausscheidet.

Rechtsrichtig war das festgestellte Verhalten vielmehr als Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zu qualifizieren.

Eine Entscheidung in der Sache selbst war dem Obersten Gerichtshof jedoch verwehrt, weil im Urteil im Sinne des weiteren Beschwerdevorbringens der Angeklagten (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) - bedingt durch die rechtsirrige Subsumtion - Feststellungen zur Frage tätiger Reue fehlen, obwohl das Beweisverfahren die dafür erforderlichen Voraussetzungen indiziert.

Nach der Verantwortung der Beschwerdeführerin (82 f) zahlte sie im Einklang mit einem Aktenvermerk ihres Dienstgebers (Blg 1 zu ON 11) vor Einlangen der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft am 21. Jänner 2000 (19) bereits am 23. Dezember 1999 27.388 S und am 13. Jänner 2000 20.767,50 S zurück und verpflichtete sich nach Gesprächen mit Verantwortlichen des Landes Oberösterreich, den damals offenbar bereits genau ermittelten restlichen Schaden in monatlichen Raten von 2.000 S zurückzuzahlen.

Ob, bejahendenfalls zu welcher Zeit der Geschädigte dieser Schuldenbegleichung, welche im Gegensatz zur Argumentation des Erstgerichtes einen - für die Bejahung des Strafaufhebungsgrundes nach § 167 StGB genügenden - zumindest bestimmbaren Endtermin enthalten haben konnte (Leukauf/Steininger Komm3 § 167 RN 40), zustimmte oder ob er sie mangels anderer Alternativen der Schadensgutmachung lediglich zur Kenntnis nahm, lässt sich nach der derzeitigen Aktenlage nicht beurteilen.

Damit fehlen wesentliche Sachverhaltsprämissen für eine abschließende rechtliche Beurteilung der der Angeklagten angelasteten Tat, weshalb die Anordnung eines zweiten Rechtganges unvermeidlich war. Mit dem weiteren Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO) ebenso wie mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.