JudikaturJustiz12Os122/12a

12Os122/12a – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Oktober 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rachidin B***** wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 2 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 2. April 2012, GZ 36 Hv 29/12k 36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verfügt, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldig sprechenden Teil aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur weiteren Verfahrensführung an die Staatsanwaltschaft Innsbruck verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rachidin B***** (richtig:) der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in I***** „im Zweifel vor dem 4. Juni 2007“ den bestehenden Vorschriften zuwider 0,5 Gramm Cannabisharz (mit dem Wirkstoff THC) erworben, besessen und Claudia C***** zum persönlichen Gebrauch geschenkt.

Es erübrigt sich, auf die gegen diesen Schuldspruch erhobene Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof schon bei der vorläufigen Beratung über dieses Rechtsmittel die Voraussetzungen des § 362 Abs 1 Z 1 StPO für gegeben erachtet hat.

Den Schuldspruch gegen den die Tat leugnenden Angeklagten gründeten die Tatrichter einzig auf die Aussage der Zeugin Claudia C***** vor der Polizei, wonach sie Rachidin B***** als den Mann identifizierte, der ihr ungefähr ein Jahr vor der Vernehmung (die am 6. Juni 2008 stattfand) 0,5 bis 1 Gramm Cannabisharz zum persönlichen Gebrauch geschenkt habe (US 5 iVm ON 6 S 17).

Zu einer damit in Frage kommenden Tatzeit Anfang Juni 2007 (das Erstgericht ging offensichtlich von einer solchen vor dem 4. Juni 2007 aus; vgl US 1, demgegenüber aber die Feststellungen auf US 4 [vor dem 4. Juli 2007]) befand sich der Angeklagte jedoch bereits seit 11. April 2007 in Untersuchungshaft und wurde aus der zu AZ 36 Hv 102/07p des Landesgerichts Innsbruck verhängten Freiheitsstrafe erst am 20. Juli 2007 bedingt entlassen (ON 83 in 36 Hv 102/07p des Landesgerichts Innsbruck). Es bestehen daher erhebliche Bedenken gegen seine Täterschaft.

Rechtliche Beurteilung

Im Übrigen wurde die Anordnung der Festnahme (vgl § 58 Abs 3 Z 2 StGB) im vorliegenden Verfahren erst am 7. Mai 2008 erlassen (ON 1 S 3), sodass eine Tatbegehung vor dem 7. Mai 2007 bei einer Strafdrohung bis zu sechs Monaten infolge Ablaufs der einjährigen Verjährungsfrist des § 57 Abs 3 fünfter Fall StGB verjährt wäre.

Bei einer Tatzeit vor dem 10. April 2007 käme zwar aufgrund des nachfolgenden, zu AZ 36 Hv 102/07p des Landesgerichts Innsbruck ergangenen Schuldspruchs vom 4. Juni 2007 auch wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1, Abs 2 Z 2 SMG aF eine Ablaufhemmung gemäß § 58 Abs 2 StGB in Betracht. Gegenstand der zuletzt genannten Verurteilung war jedoch der gewerbsmäßige Verkauf nicht mehr feststellbarer Mengen von Cannabisprodukten an zum Teil bekannte und zahlreiche weitere namentlich nicht bekannte Drogenkonsumenten (ON 64 in 36 Hv 102/07p des Landesgerichts Innsbruck), sodass der Verfolgung einer bis 9. April 2007 begangenen - wenngleich unentgeltlichen - Weitergabe von 0,5 Gramm Cannabisharz an Claudia C***** unter Umständen der in § 17 Abs 1 StPO normierte Grundsatz „ne bis in idem“, somit das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache, entgegenstehen könnte (RIS Justiz RS0124619).

Das Verfahren tritt daher in den Stand des Ermittlungsverfahrens (§ 362 Abs 4 iVm § 358 Abs 2 StPO), sodass es an die Staatsanwaltschaft Innsbruck zur weiteren Verfahrensführung zu verweisen war (§ 20 StPO).

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die auf Z 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, dass mit Blick auf die Feststellungen zu ausschließlich für den persönlichen Gebrauch eines anderen nach § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG begangener Straftaten, aus denen der Angeklagte (zufolge unentgeltlicher Überlassung an Claudia C*****) keinen Vorteil gezogen hat (US 4), zwingend die Diversionsbestimmungen nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG anzuwenden gewesen wären, zumal sich Konstatierungen, welche die Nichtanwendung der Diversion tragen könnten, im Urteil nicht finden.