JudikaturJustiz12Os121/22v

12Os121/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kastner in der Strafsache gegen * I* und * C* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Genannten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Jugendschöffengericht vom 4. Juli 2022, GZ 41 Hv 61/22k 40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden sowie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Angeklagten * C* werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen im Übrigen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * I* des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (I./) und jeweils eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV./1./) und der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (V./) sowie * C* des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (I./) und jeweils eines Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III./) und der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (IV./) schuldig erkannt.

[2] Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz, hat danach * C* in P*

I./ am 24. Februar 2022 in einverständlichem Zusammenwirken mit * I* * T* mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem sich I* so vor die Haftraumtür stellte, dass T* den Haftraum nicht verlassen konnte, C* ihm mit dem Knie gegen die rechte Seite des Kopfes und den Bereich der Nase sowie der Stirn und mit den Fäusten gegen seine Hände und seinen Kopf schlug, sowie dadurch, dass I* ihm ein Foto einer zur Eröffnung des Bauchraums führenden Schnittverletzung an einem Opfer, das er niedergestochen habe, zeigte und meinte, ihm passiere das Gleiche wie dem Abgebildeten, wenn er nicht seine Hose ausziehe, damit C* ihn mit einem Besenstiel anal penetrieren könne, wobei er ihm zur Untermauerung seiner Drohung eine Gabel vor das Gesicht hielt, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich der analen Penetration mit einem Besenstiel, zu nötigen versucht;

II./ T* gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er im Anschluss an die unter I./ näher bezeichnete Tat äußerte, dass es das für heute gewesen sei, es aber morgen noch schlimmer werde;

III./ am 24. Februar 2022 (vor der zu I./ beschriebenen Tat) T* durch das Versetzen von Faustschlägen gegen den Kopf am Körper in Form von Schwellungen am Hinterkopf verletzt;

IV./ in der Zeit zwischen 24. Februar 2022 und Anfang März 2022, T* durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung oder Unterlassung genötigt, indem er wiederholt äußerte, wenn er „draußen“ ist, werde er ihn finden und wenn er die Anzeige nicht zurückziehe, werde etwas Schlimmes mit ihm passieren, zur Abstandnahme von weiteren Aussagen zu dem unter oben I./ bis III./ näher beschriebenen Geschehen, wobei die Tat beim Versuch blieb.

[3] Der Angeklagte I* hat die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausgeführt und auch bei deren Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 StPO).

Rechtliche Beurteilung

[4] Die gegen dieses Urteil erhobene, auf Z 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C* schlägt fehl.

[5] Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583). Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

[6] Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die zu den Schuldsprüchen I./, II./ und IV./ erhobene Rüge. Denn sie versucht bloß mit eigenständigen Beweiswerterwägungen die tatrichterliche Beweiswürdigung (US 7 f) in Frage zu stellen, indem sie auf die Übereinstimmung der leugnenden Verantwortung der beiden Angeklagten verweist, die Angaben des Zeugen O* als entlastend bewertet und die „schwankenden“ Angaben des (als glaubwürdig beurteilten) Opfers hervorkehrt.

[7] Die den Schuldspruch I./ betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Vorliegen eines absolut untauglichen Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB) und bezieht sich dabei auf die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Besenstiel nicht in den Anus des Opfers einführen konnte, weil er den Stiel gegen das Steißbein des T* drückte (US 6).

[8] Aus welchem Grund die Verwirklichung der angestrebten Straftat auf die vom Angeklagten vorgesehene Art bei generalisierender Betrachtung, somit losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich sein soll und demzufolge unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann (RIS Justiz RS0115363), macht die Beschwerde solcherart nicht deutlich.

[9] Bleibt anzumerken, dass bloß relativ untauglicher – und damit strafbarer – Versuch vorliegt, wenn die Tat (wie hier) bloß zufolge zufälliger Umstände des Einzelfalls gescheitert ist (erneut RIS Justiz RS0115363; Fabrizy/Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 15 Rz 24 f).

[10] Ebensowenig erklärt die weitere Beschwerde (der Sache nach Z 9 lit b), weshalb die Verantwortung des Angeklagten C*, wonach die zu III./ abgeurteilte Körperverletzung im Zuge eines zum Spaß abgehaltenen „Schattenboxkampfes“ entstanden sein soll, ein (nicht durch Feststellungen geklärtes) Indiz für eine konkludente Einwilligung (zu den erhöhten Anforderungen hierfür Schütz in WK 2 StGB § 90 Rz 31) des Verletzten (§ 90 Abs 1 StGB) sein soll.

[11] Die Relevanz des ergänzend dazu erstatteten Vorbringens, dass keiner der Angeklagten den Verletzten gezwungen habe, in der Zelle zu bleiben, sondern dieser den Haftraum jederzeit hätte verlassen können, ist nicht erkennbar.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerden und die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Angeklagten C* waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen im Übrigen (§ 285i StPO).

[13] Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last (§ 390a Abs 1 StPO).