JudikaturJustiz12Os117/82

12Os117/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Lilly A wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 18. Mai 1982, GZ. 6 Vr 585/81-24, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 6.August 1954 geborene Tierärztin Dr. Lilly A des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2

StGB schuldig erkannt, weil sie am 17.Juli 1981 in Ried in Innkreis vor dem dortigen Kreisgericht in der Rechtssache Stefan B gegen Erna B wegen Ehescheidung (3 Cg 200/81) als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptungen Stefan B habe sich Ende Juni oder Anfang Juli 1981

in Schärding nur einmal ca. eine halbe Stunde lang in ihrem Zimmer aufgehalten und sie habe mit Stefan B keinen Geschlechtsverkehr vollzogen, unter Eid falsch ausgesagt habe.

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO - der Sache nach aber nur auf den letztgenannten Nichtigkeitsgrund - gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß das Erstgericht die zur Beurteilung des Sachverhaltes unter dem Gesichtspunkt des Schuldausschließungsgrundes des Aussagenotstandes gemäß § 290 StGB gebotenen Tatsachenfeststellungen nicht getroffen habe, mithin mit einem Feststellungsmangel behaftet sei, kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 290 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB ist eine falsche Beweisaussage vor Gericht (unter anderem) dann nicht zu bestrafen, wenn der Täter sie abgelegt hat, um von sich Schande oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung abzuwenden, wenn er von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses befreit war oder hätte befreit werden können und nicht wußte, daß dies der Fall war, oder den Befreiungsgrund nicht geoffenbart hat, um die schon aus der Offenbarung drohenden Folgen der bezeichneten Art abzuwenden. Gegenstand der inkriminierten Zeugenaussage im Rahmen eines Verfahrens wegen Ehescheidung war die von der Beklagten und Widerklägerin Erna B aufgestellte Behauptung, daß der Kläger und Widerbeklagte Stefan B mit der (unverheirateten) Angeklagten ehewidrige Beziehungen unterhalten und bis in jüngste Zeit Ehebruch begangen hätte. Unter diesen Umständen wäre die als Zeugin vernommene Angeklagte gemäß § 321 Abs. 1 Z. 1 ZPO. berechtigt gewesen, über Fragen bezüglich eines Geschlechtsverkehrs zwischen ihr und Stefan B die Aussage zu verweigern, weil sie deren wahrheitsgemäße Beantwortung der Schande (vgl. hiezu 13 Os 122/78) und zudem noch der - nach Lage des Falles durchaus konkreten -

Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung wegen Vergehens des Ehebruches nach § 194 Abs. 1 StGB ausgesetzt hätte. In Anbetracht der nach den Feststellungen des Erstgerichtes für die Angeklagte gegeben gewesenen Notwendigkeit, bei rechtmäßiger Zeugenaussage ein Tatsachengeständnis des Ehebruches abzulegen, hätte das Erstgericht ungeachtet der auf die Richtigkeit der abgelegten Zeugenaussage beharrenden Verantwortung der Angeklagten - welche schon im Vorverfahren bestimmte Widersprüche ihrer Zeugenangaben mit der Furcht vor der Beschuldigung wegen Ehebruches zu erklären versucht hatte (S. 66 d.A.) - Konstatierungen darüber treffen müssen, weshalb die Angeklagte den Befreiungsgrund nach § 321 Abs. 1 Z. 1 ZPO. nicht für sich in Anspruch genommen und in welcher Absicht sie die falsche Beweisaussage abgelegt hat (siehe hiezu ÖJZ-LSK. 1978/251). Dies umsomehr, als der Anlaß für Feststellungen in der aufgezeigten Richtung sich unmittelbar aus dem Thema der von der Angeklagten abgelegten falschen Beweisaussage ergibt, wogegen die auch den Aussageverweigerungsgrund nach § 321 Abs. 1 Z. 2 ZPO. ins Auge fassende Behauptung der Beschwerdeführerin, (auch) einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Nachteil durch Heranziehung zum Ersatz der von Erna B zur Aufdeckung der ehebrecherischen Beziehung aufgewendeten Detektivkosten befürchtet zu haben, durch die Verfahrensergebnisse in keiner Weise indiziert gewesen ist und eine im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Schöffengerichte unbeachtliche Neuerung darstellt.

Die aus dieser Sicht für das Vorliegen eines Aussagenotstandes maßgebenden tatsächlichen Umstände sind vom Erstgericht nicht festgestellt worden, wobei - den Beschwerdeausführungen zuwider - bereits die Frage offen geblieben ist, ob die Angeklagte vom Bestehen eines solchen Befreiungsgrundes gewußt hat; im Ersturteil wird nämlich nicht darauf eingegangen, welchen Inhalt die (auf S. 94 d. A. 3 Cg 200/81 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Vorhalt des § 321 ZPO. beurkundete) Bekanntgabe der Zeugnisbefreiungsgründe an die Zeugin (§ 339 Abs. 1 ZPO.) gehabt hat und ob der Angeklagten auf Grund dieser Belehrung oder anderer Erkenntnisquellen die einschlägige Rechtslage auch bewußt geworden ist. Die in den Entscheidungsgründen enthaltene Bezugnahme auf eine eindringliche Belehrung der Angeklagten anläßlich der gegenständlichen Zeugenaussage durch den Verhandlungsrichter (S. 150, siehe auch S. 153 d.A.) betrifft nämlich überhaupt nicht eine Konfrontation der Zeugin mit den Befreiungsgründen des § 321 ZPO., sondern einen Hinweis auf die Konsequenzen einer falschen Beweisaussage vor Gericht unter Eid (siehe hiezu S. 95 des Zivilaktes). Auch die für die strafrechtliche Beurteilung gebotene Klärung des Motives der Täterin ist unterblieben. Ging es ihr nämlich darum, von sich Schande oder Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung abzuwenden, und war sie in Unkenntnis des bezüglichen Befreiungsgrundes oder unterließ sie dessen Offenbarung darum, weil ihr das Gericht keinen Weg eröffnete, die Gründe der Antwortverweigerung (siehe hiezu § 323 ZPO.) ohne praktisches Zugeständnis eines Ehebruches anzugeben (zu einer ähnlichen Problematik in bezug auf § 153 StPO siehe SSt. 48/80), wären die Voraussetzungen des Aussagenotstandes nach § 290 Abs. 1 StPO gegeben.

Bei einem entsprechenden Ergebnis des zweiten Rechtsganges würde das Erstgericht auf der Grundlage auch in dieser Hinsicht notwendiger Sachverhaltsannahmen außerdem zu beurteilen haben, ob der Angeklagten im Sinne des § 290 Abs. 3 StGB allenfalls dennoch Straffreiheit nicht zuzubilligen wäre, falls es ihr nämlich insbesondere im Hinblick auf den aus der falschen Aussage einem anderen drohenden Nachteil dennoch zuzumuten gewesen sein sollte, wahrheitsgemäß auszusagen. Für eine in diesem Zusammenhang erforderliche Abwägung der Interessen des durch die wahrheitswidrige Aussage Betroffenen mit den Interessen des Täters (ÖJZ-LSK. 1977/215 und 1979/44) läßt die bisherige Aktenlage allerdings ein erhebliches überwiegen der nachteiligen Folgen der falschen Beweisaussage für Erna B nicht erkennen, weil die Angeklagte anläßlich der Tat zwar nicht einen Ehebruch, aber immerhin - wenn auch erst im Rahmen einer rechtzeitigen Richtigstellung der Aussage - ein ehewidriges Verhalten des Stefan B bezeugt hat und eine besondere Beeinträchtigung des Prozeßstandpunktes der betroffenen Partei in dem übrigens ohne gerichtliche Entscheidung über die Richtigkeit der Zeugenaussage beendeten Zivilverfahrens wegen Ehescheidung nicht ersichtlich gewesen ist.

Die eine Nichtigkeit nach der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO bewirkenden Feststellungsmängel im dargelegten Umfang erfordern eine Urteilsaufhebung sowie die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten nach Anhörung der Generalprokuratur (§ 285 e StPO) Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.