JudikaturJustiz12Os116/96

12Os116/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. September 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Stitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Viorel Nicolae M***** und Emanoil G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 7.November 1995, GZ 25 Vr 1333/95-16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Viorel Nicolae M***** und Emanoil G***** wurden des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil sie am 27. Dezember 1994 in Linz Michaela W***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes nötigten, indem sie das Mädchen festhielten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Viorel Nicolae M***** aus Z 5 und 5 a, von Emanoil G***** aus Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin Michaela W***** hat das Jugendschöffengericht deren Aussage, sie sei damals von beiden in der Wohnung anwesenden Angeklagten nacheinander vergewaltigt worden, wisse aber nicht, von welchem der beiden zuerst (193, 195, 201) im Zusammenhang mit der Tatsache, daß die Zeugin zwar die Wohnung des Angeklagten M***** als Tatort bezeichnen konnte, jedoch nicht in der Lage war, den Beschwerdeführer auf einem Lichtbild zu identifizieren (32), ebenso in den Kreis seiner Überlegungen miteinbezogen (US 17 und 18) wie das Verhalten dieser Zeugin nach der Tat, ihre Aussagedivergenzen zur Frage des Alkoholkonsums und das Fehlen von Verletzungen (US 15 f). Es maß diesen Umständen insgesamt aber keine den Wahrheitsgehalt der Aussage beeinträchtigende Bedeutung bei.

Gegen diese Beurteilung remonstriert der Angeklagte M***** in seiner undifferenziert ausgeführten Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) unter dem Prätext offenbar unzureichender Begründung im Ergebnis mit der Behauptung, aus den dargelegten Umständen hätten für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse gezogen werden müssen. Er führt die Nichtigkeitsbeschwerde solcherart nicht gesetzmäßig aus, denn die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Aussagen obliegt ausschließlich dem erkennenden Gericht, weshalb deren Bestreitung im Nichtigkeitsverfahren generell (EvBl 1989/24) unzulässig ist.

Gleiches gilt für die Beschwerde des Emanoil G*****, soweit sie - ohne einen formellen Begründungsmangel auch nur zu behaupten - gegen die Konstatierung, dieser Angeklagte habe das Tatopfer trotz eindeutiger und heftiger Gegenwehr festgehalten und gegen dessen Willen den Beischlaf vollzogen (US 4 und 21), unter Wiederholung der vom Erstgericht abgelehnten Verantwortung, das Mädchen habe freiwillig mit dem Angeklagten verkehrt, allein ins Treffen führt (Z 5 und 5 a), ein heftiger Widerstand sei insbesondere bei Berücksichtigung des Verhaltens der Michaela W***** vor und nach der Tat "nicht objektiviert", im übrigen aber bei Berücksichtigung des "Paarungsverhaltens im rumänischen Kulturkreis" für den Beschwerdeführer nicht als ernstgemeint erkennbar gewesen.

In diesem Zusammenhang bedurfte es - der Verfahrensrüge (Z 4) dieses Angeklagten zuwider - auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens "aus dem Bereich der Körpersprache sowie eines psychologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß die vom Gesetz geforderte schwere Gewalt nicht vorgelegen hat, insbesondere, daß von der Zeugin W***** keinerlei Äußerungen abgegeben worden wären, die einen Widerstand erkennbar gemacht haben" (217 a).

Im Sinne des bekämpften Zwischenerkenntnisses trifft es nämlich zu, daß die Frage der Anwendung schwerer Gewalt - abgesehen davon, daß diese gar nicht Tatbestandsmerkmal des § 201 Abs 2 StGB ist - als Rechtsfrage allein vom Gericht zu beantworten wäre (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 118 E 25 und 26). Das Erstgericht bedurfte zur richtigen Auswertung der Aussage des Tatopfers aber auch keines unterstützenden Fachwissens aus dem Gebiet der vergleichenden Verhaltensforschung; ist es doch evident, daß die seitens der Zeugin W***** mit dem Verabreichen einer Ohrfeige und dem Umsichschlagen mit den Händen begleitete explizite verbale Ablehnung des an sie herangetragenen Ansinnens, mit den Angeklagten einen Geschlechtsverkehr durchzuführen (193, 195), jedenfalls eine Verweigerung ihres Einverständnisses bedeutet.

Die weitere Frage, ob der Beschwerdeführer dieses Verhalten auch so interpretiert hat, ist eine dem Sachverständigenbeweis von vornherein entzogene Beweisfrage, welche das Erstgericht ohne nähere Erörterung bejahen konnte (US 21), weil sich der Angeklagte auf ein ihm insoweit nach Lage des Falles unterlaufenes Mißverständnis im gesamten Verfahren niemals berufen hat.

Auf die weitere Behauptung, das Fragerecht des Verteidigers sei vom Erstgericht "mit dem unzulässigen Hinweis beschnitten worden, daß eine eindringliche Befragung des Opfers über dem Grund seines Verhaltens unter Berücksichtigung des § 153 StPO entbehrlich sei", kann die Verfahrensrüge schon allein deshalb nicht gestützt werden, weil diese (nach wie vor) voraussetzt, daß über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt oder gegen seinen Antrag bzw Widerspruch ein Zwischenerkenntnis gefällt worden ist. Dies war hier nicht der Fall. Davon abgesehen ist das Vorbringen anhand des Hauptverhandlungsprotokolles, und zwar sowohl in Ansehung einer lückenhaften Vernehmung dieser Zeugin - mag sie auch teilweise auf ihre detaillierte Tatschilderung vor der Sicherheitsbehörde verwiesen haben (195) - als auch der behaupteten Einschränkung des Fragerechtes (201) nicht nachvollziehbar. Es versagt daher auch unter dem Aspekt des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 a StPO.

Mit der in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vom Angeklagten G***** neuerlich unter Hinweis auf ethnisch bedingte Unterschiede im Sexualverhalten aufgestellten Behauptung, das "körperliche" Verhalten der Zeugin W***** habe beim Beschwerdeführer den Eindruck erweckt, daß sie der Vornahme eines Geschlechtsverkehres zustimme, setzt sich die Beschwerde über die - bei Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes bindende - Konstatierung hinweg, daß der Beschwerdeführer trotz eindeutiger heftiger Gegenwehr gegen den Willen des Mädchens mit diesem unter Einsatz von Gewalt einen Geschlechtsverkehr durchgeführt hat (US 4, 21) und verfehlt damit eine prozeßordnungsgemäße Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes.

Demnach waren die Nichtigkeitsbeschwerden teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO) bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die von den Angeklagten außerdem ergriffenen Berufungen hat somit das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.