JudikaturJustiz12Os113/22t

12Os113/22t – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kastner in der Strafsache gegen * B* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * Ba* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 6. Juli 2022, GZ 39 Hv 39/22p 86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

* Ba* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche Mitangeklagter enthaltenden Urteil wurde * Ba* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 26. März 2022 in W* in einverständlichem Zusammenwirken mit * B* und * N* Bü* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz * S* mit Gewalt durch das Versetzen von Faustschlägen und Tritten fremde bewegliche Sachen, nämlich 50 Euro Bargeld weggenommen, wobei der Genannte durch die ausgeübte Gewalt schwer in Form eines Bruchs der Orbitawand der linken Augenhöhle verletzt (§ 84 Abs 1 StGB) wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ba* schlägt fehl.

[4] Die Mängelrüge (nominell Z 5 fünfter Fall) verweist darauf, dass nach den Aufzeichnungen der Videoüberwachungskameras – entgegen den Feststellungen des Erstgerichts – nicht der Beschwerdeführer, sondern der Angeklagte B* den ersten Wegnahmeversuch unternommen habe. Soweit sie aus diesem Umstand ableitet, dass somit auch den leugnenden Angaben des Angeklagten Ba* zu folgen gewesen wäre, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Bleibt anzumerken, dass der Schöffensenat die vom Beschwerdeführer erwähnten Tatumstände bei der Beurteilung seiner Glaubhaftigkeit gar nicht in Anschlag brachte (vgl US 6).

[5] Mit der Behauptung, das Gericht stütze die Feststellung, wonach „alle Angeklagten“ „auf den Kopf des am Boden liegenden Opfers hintraten“ (US 4 und 6), auf eine gar nicht getätigte Aussage des Angeklagten B* (vgl insofern aber ON 85 S 45 iVm ON 24, 2), macht die Beschwerde abermals kein Fehlzitat im Urteil (§ 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO; RIS Justiz RS0099547) geltend, sondern kritisiert sie bloß die aus dieser Einlassung gezogenen Schlussfolgerungen. Dabei bleibt auch offen, weshalb es – bei hier angenommener Mittäterschaft (RIS Justiz RS0090006; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 26) – relevant sein sollte, welcher Angeklagte welche konkrete Tätlichkeit (Schlag oder Tritt) gegen das Opfer gesetzt hat.

[6] Die Behauptung, der Schöffensenat hätte der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers zu seiner subjektiven Ausrichtung folgen müssen, präsentiert sich ebenfalls als unzulässige Beweiswürdigungskritik.

[7] Entgegen der weiteren Beschwerdekritik ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Geschehen (US 7) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882). Gleiches gilt, soweit die Tatrichter gegenteilige Überlegungen als „absurd“ verwarfen (vgl US 8).

[8] Einen neuerlichen Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung unternimmt der Rechtsmittelwerber, soweit er die Verfahrensergebnisse eigenständig zu eigenen Gunsten interpretiert und auf dieser Basis die Feststellungen zum einverständlichen Zusammenwirken der Angeklagten kritisiert.

[9] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit dem Einwand, die Tatrichter hätten aus den belastenden Angaben des Angeklagten B* nicht auf die gemeinschaftliche Tatbegehung durch sämtliche Angeklagte schließen dürfen, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.

[10] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).

[11] An diesen Anfechtungsvoraussetzungen geht die – eine Tatbeurteilung in Richtung Diebstahls (§ 127 StGB) und schwerer Körperverletzung (§§ „83“, 84 Abs 4 StGB) anstrebende – Subsumtionsrüge (Z 10) grundlegend vorbei, indem sie den Urteilssachverhalt zur Gänze ausblendet, stattdessen erneut ihrer Argumentation die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers zugrundelegt und auf mögliche Ersatzkonstatierungen hinweist.

[12] Der Einwand des angeblichen Fehlens „individueller Feststellungen“ zur subjektiven Tatseite (vgl im Übrigen US 5) ist unverständlich.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[14] Bleibt anzumerken, dass bei Bestimmung des Strafrahmens (§ 28 Abs 1 StGB) der Schöffensenat zu Unrecht (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) – allerdings zum Vorteil der Angeklagten B* und Ba* – vom Entfall der Strafuntergrenze des § 143 Abs 2 erster Satz StGB in Anwendung des § 19 Abs 1 iVm § 5 Z 4 JGG ausgegangen ist (vgl US 8). Raub in der Begehungsform der „Gewalt gegen eine Person“ stellt nämlich nach neuerer Rechtsprechung eine „strafbare Handlung gegen Leib und Leben“ im Sinn der durch das GewaltschutzG 2019 (BGBl I 2019/105) geschaffenen Bestimmung des § 19 Abs 4 Z 1 JGG dar, in dessen Anwendungsbereich § 19 Abs 1 JGG nicht zum Tragen kommt (RIS Justiz RS0134129, im Detail dazu 12 Os 140/21m und 11 Os 90/22b; implizit anders 15 Os 122/21m).

[15] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.