JudikaturJustiz12Os108/19b

12Os108/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Daniel B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Daniel B***** und Daisy C***** M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 28. Mai 2019, GZ 26 Hv 43/19f-85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Daniel B***** und Daisy C***** M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche des Mitangeklagten Wardy L***** enthaltenden Urteil wurden Daniel B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 3 SMG (II./3./) und Daisy C***** M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 Z 2 SMG (I./) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG (II./) schuldig erkannt.

Danach haben in I***** und an anderen Orten zwischen Anfang des Jahres 2018 bis zum 26. November 2018 als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

I./ Daisy C***** M***** nach Österreich eingeführt, indem sie im Zuge wiederholter Schmuggelfahrten insgesamt 350 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich zumindest 50 % (somit 175 g reines Cocain) im Auftrag und auf Rechnung des Wardy L***** von Frankreich nach Österreich brachte;

II./ anderen überlassen, und zwar:

1./ Daisy C***** M***** dem Wardy L***** in mehreren Teilhandlungen insgesamt 350 g Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 50 % (somit 175 g reines Cocain);

3./ Daniel B***** zumindest 300 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich zumindest 25 % (sohin 75 g reines Cocain) in einer Vielzahl von gewinnbringenden Verkaufshandlungen an im Urteil genannte Abnehmer, wobei er selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftat vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die Daniel B***** auf Z 5 und 10 sowie Daisy C***** M***** auf Z 3, 5 und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO stützen. Sie schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Daniel B*****:

Indem die Mängelrüge (Z 5) unter Bezugnahme auf isoliert herausgegriffene Angaben des Wardy L***** und der Zeugin Julia B***** die Konstatierungen zur subjektiven Ausrichtung des Angeklagten und zur Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§ 28a Abs 2 Z 2 SMG) in Frage stellt, geht sie prozessordnungswidrig an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl RIS-Justiz RS0119370) vorbei.

Denn das Erstgericht leitete die Annahme, dass sich die Angeklagten – von Anfang 2018 bis zur ihrer Festnahme am 26. November 2018 – zu einer kriminellen Vereinigung zusammenschlossen, aus einer vernetzten Betrachtung der Beweisergebnisse zu den Suchtgiftaktivitäten der Angeklagten, der Rollenverteilung, deren Angaben vor der Kriminalpolizei und der letztlich geständigen Einlassung der Angeklagten Daniel B***** und Wardy L***** ab (US 12 ff).

Der pauschale Einwand (der Sache nach Z 10), die Feststellungen zum arbeitsteiligen Vorgehen über einen längeren Zeitraum hinweg (US 21) reichten für die Subsumtion unter § 28a Abs 2 Z 2 SMG nicht aus, erschöpft sich in einer unsubstantiierten Rechtsbehauptung.

Das Vorbringen, wonach die (offensichtlich versehentliche) Bezugnahme der Tatrichter auf drei Schmuggelfahrten, die „der Erstangeklagte“ anstatt richtig „die Drittangeklagte“ durchgeführt haben soll, einen „Feststellungsmangel“ darstelle, geht schon deshalb ins Leere, weil Daniel B***** ein solches Verhalten nicht zur Last gelegt wurde.

Die gesetzmäßige Ausführung materiell rechtlicher Nichtigkeit hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie die Feststellungen zum Tatzeitraum Anfang 2018 bis November 2018 unter Bezugnahme auf ihrer Ansicht nach konträre Beweisergebnisse kritisiert. Im Übrigen macht die Rüge nicht klar, aus welchem Grund der Zusammenschluss im Sinn des § 28a Abs 2 Z 2 SMG selbst eine bestimmte Zeitdauer aufweisen müsste (vgl RIS Justiz RS0125232 [T4]; Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer SMG 2 § 27 Rz 108; Matzka/Zeder/Rüdisser SMG 2 § 27 Rz 88, wonach die Vereinigung bloß auf eine gewisse Dauer ausgerichtet sein muss).

Ebenso verfehlt auch das weitere Rechtsmittelvorbringen den Bezugspunkt zum festgestellten Sachverhalt. Denn insoweit kritisiert die Beschwerde bloß – unter dem urteilsfremden Hinweis darauf, dass der Angeklagte Daniel B***** die Suchtgiftverkäufe zur Finanzierung seiner eigenen Sucht eigenverantwortlich durchgeführt habe – die in objektiver und subjektiver Hinsicht getroffenen Feststellungen betreffend die Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Daisy C***** M*****:

Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider verstieß die Verlesung der Aussage der Zeugin Julia B***** schon deshalb nicht gegen § 252 Abs 1 StPO, weil die Beschwerdeführerin (nach dem unbeanstandet gebliebenen und unbedenklichen Hauptverhandlungsprotokoll) dem resümierenden Vortrag des Akteninhalts nach § 252 Abs 2a StPO zugestimmt hat (vgl ON 84 S 17). Eine solche Prozesshandlung bedeutet aber auch das Einverständnis (im Sinn des § 252 Abs 1 Z 4 StPO), dass die vom Vortrag umfassten Aktenstücke in der Hauptverhandlung vorkommen (RIS-Justiz RS0127712; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 8.125).

Indem die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) auf Verfahrensergebnisse rekurriert, nach denen die Angeklagte lediglich zwei (und nicht drei) Schmuggelfahrten unternommen haben soll, legt sie den Bezug zu entscheidenden Tatsachen nicht offen.

Die Kritik, das Schöffengericht habe Angaben der Angeklagten, wonach sie Daniel B***** nicht kenne, unerörtert gelassen, trifft nicht zu (vgl US 19).

Mit dem gegen die Feststellungen zum Tatzeitraum gerichteten Vorbringen kann die Rechtsmittelwerberin auf die Erledigung des diesbezüglichen Vorbringens des Angeklagten Daniel B***** verwiesen werden. Die Konstatierung, wonach die kriminelle Vereinigung auf längere Zeit ausgerichtet war (US 8), bekämpft die Beschwerdeführerin – wie anzumerken bleibt – ohnedies nicht.

Schon im Hinblick darauf, dass die Angaben der Zeugin Julia B***** – wie bei Erledigung zur Verfahrensrüge (Z 3) aufgezeigt – in der Hauptverhandlung (zu Recht) vorgekommen sind (§ 258 Abs 1 StPO), erübrigt sich ein Eingehen auf die Kritik (Z 5 vierter Fall), die Tatrichter hätten insoweit ein Beweisverwertungsverbot missachtet.

Soweit die Beschwerdeführerin in Abrede stellt, Schmuggelfahrten von Spanien über Frankreich nach Österreich durchgeführt zu haben, übt sie bloß abermals unbeachtliche Beweiswürdigungskritik.

Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite hat das Erstgericht aus dem objektiven Geschehen abgeleitet (US 21), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (vgl RIS-Justiz RS0116882).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) scheitert gleichfalls an den Anfechtungsvoraussetzungen materieller Nichtigkeit (vgl erneut RIS-Justiz RS0099810), indem sie die Konstatierungen zur subjektiven Ausrichtung der Angeklagten schlicht bestreitet und sich im Übrigen in der bloßen Rechtsbehauptung erschöpft, es fehle am „objektiven Tatbestandsmerkmal der kriminellen Vereinigung“.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.