JudikaturJustiz12Os100/07h

12Os100/07h – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer, in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB, AZ 73 U 472/06z des Bezirksgerichtes Graz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Jänner 2007, AZ 1 Bl 81/06z, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Jänner 2007, AZ 1 Bl 81/06z (GZ 73 U 472/06z-7 des Bezirksgerichtes Graz), verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 38 Abs 1 BWG iVm § 145a StPO.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren AZ 73 U 472/06z gegen unbekannte Täter wegen „§ 134 Abs 1 StGB" ordnete das Bezirksgericht Graz mit Beschluss vom 10. November 2006 (ON 3) die Beschlagnahme der Videoaufzeichnungen über Vorgänge vom 3. Juli 2006 in der Zeit zwischen 13.21 Uhr und 13.25 Uhr am Bankomat Nr ***** in der Abflughalle des Flughafens G*****, an und beauftragte die Sicherheitsorgane der Grenzpolizeiinspektion Flughafen G***** mit der Durchführung des Beschlagnahmebefehls und der Auswertung der Videoaufzeichnung. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf den gegen unbekannte Täter bestehenden Verdacht, das Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB (richtig: Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB) begangen zu haben, indem sie am 3. Juli 2006 zwischen 13.21 Uhr und 13.25 Uhr in der Abflughalle des Flughafens G***** das von Ing. Franz K***** nach einer Behebung am Bankomat ***** im Automatenschlitz vergessene Bargeld in Höhe von 300 Euro (mit auf unrechtmäßiger Bereicherung gerichtetem Vorsatz) wegnahmen. Da die unbekannten Täter nach den Erhebungen der Grenzpolizeiinspektion Flughafen G***** vermutlich von der in der Nähe des Bankomaten installierten Kamera abgelichtet wurden und diese Fotos daher für die Untersuchung einer strafbaren Handlung von Bedeutung sein konnten, wurde deren Beschlagnahme gemäß § 143 Abs 1 StPO über Antrag der Staatsanwaltschaft Graz angeordnet. Einer dagegen von der E***** GmbH (im Folgenden kurz: E*****) erhobenen Beschwerde (ON 4) gab das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 3. Jänner 2007, AZ 1 Bl 81/06z (ON 7), Folge, hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf und verfügte die Zurückstellung der von der Beschwerdeführerin versiegelt zwecks Entscheidung der Ratskammer nach § 145 Abs 2 StPO übergebenen Unterlagen.

Zur Begründung verwies das Beschwerdegericht auf die von der E***** im Rechtsmittel dargestellte Situation bei der Entstehung der Bilder, wonach die Überwachung der Geldausgabeautomaten derart erfolge, dass jeweils nur der Kopf und ein Teil des Oberkörpers der den Automaten bedienenden Person aufgezeichnet würden, weitere Aufzeichnungen jedoch nicht stattfänden, im Besonderen der Vorgang über die Bargeldbehebung selbst nicht festgehalten werde. Aus den Aufnahmen sei daher nicht ersichtlich, ob eine Person lediglich vergessenes Geld aus einem Geldautomaten entnehme oder (auch) selbst Abhebungen am Bankomat tätige, wodurch sie Kunde des Bankinstitutes würde und vom Bankgeheimnis geschützt wäre, während auf eine - neben der unberechtigten Geldwegnahme - keine eigene Transaktion durchführende Person dieser Schutz nicht zuträfe. Da nach der beschriebenen Aufzeichnungsart eine zuverlässige Beurteilung der von der abgebildeten Person gesetzten Handlungen und damit ihre allfällige Kundeneigenschaft nicht möglich sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschlagnahmeanordnung einen dem Bankgeheimnis unterliegenden Vorgang betreffe und daher gegen die zwingende Bestimmung des § 145a StPO verstoßen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Ergebnis zutreffend ausführt, steht der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 38 Abs 1 BWG dürfen (ua) Kreditinstitute sowie für diese tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindung mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs 3 BWG anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis).

Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht gemäß § 38 Abs 2 Z 1 BWG (ua) nicht im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten. Die verfahrensrechtliche Durchführung der Durchbrechung des Bankgeheimnisses regelt § 145a StPO. Nach Abs 1 Z 1 dieser Bestimmung sind Kredit- oder Finanzinstitute und für sie tätige Personen, soweit sie das Bankgeheimnis gemäß § 38 Abs 2 Z 1 BWG nicht zu wahren haben und dies zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz fällt, erforderlich erscheint, verpflichtet, die Stammdaten, also den Namen, sonstige ihnen bekannte Daten über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung sowie dessen Anschrift bekannt zu geben. Die vorliegenden Überwachungsfotos fallen jedoch schon deshalb nicht unter das Bankgeheimnis und damit in den Regelungsbereich des im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht anwendbaren § 145a StPO, weil § 38 Abs 1 BWG nur solche Informationen erfasst, die den zur Geheimhaltung Verpflichteten ausschließlich aufgrund der Geschäftsverbindung mit Kunden oder aufgrund einer Großkreditmeldung (§ 75 Abs 3 BWG) anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind (vgl 13 Os 89/07y). Dazu zählen völlig unabhängig von der tatsächlichen Durchführung einer Transaktion angefertigte Bilder im Bereich eines Bankomaten aufhältiger Personen jedenfalls nicht.

Da sich die mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Jänner 2007 vertretene irrige Rechtsmeinung nicht zum Nachteil eines bestimmten Verdächtigen auswirkte, hat es mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden.

Rechtssätze
1
  • RS0116106OGH Rechtssatz

    13. Dezember 2007·3 Entscheidungen

    1) Die mit der Preisgabe der Identität des Karteninhabers untrennbar verbundene Identität des Bankkunden fällt unter den Schutz des Bankgeheimnisses, das ua im Zusammenhang mit - auch gegenüber unbekannten Tätern - eingeleiteten Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten nicht besteht (§ 38 Abs 2 Z 1 BWG). 2) Während § 38 Abs 2 Z 1 BWG nur auf einen Zusammenhang mit dem Verfahren zur Aburteilung (§ 1 StPO) einer Straftat abstellt, verlangt § 145a StPO in Hinsicht auf Informationen, die Art und Umfang der Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle betreffen, dass die Geschäftsverbindung einer Person mit dem Kreditinstitut mit der Begehung einer strafbaren Handlung und nicht bloß mit der Aufklärung einer Straftat im Zusammenhang steht und schließt solcherart jene Lücke, die ein Teil der Rechtsprechung bis zu diesem Zeitpunkt durch teleologische Reduktion des § 38 Abs 2 Z 1 BWG bejaht hatte, in dem Sinn, dass für die davon erfassten, den Kern des Geheimnisbereiches ausmachenden Informationen besondere Pflichten, einerseits der Kreditinstitute, andererseits der Gerichte festgeschrieben werden. 3) Wird die Bank nicht zur Preisgabe der Art der Geschäftsverbindung, sondern bloß zur Bekanntgabe der Tatsache veranlasst, dass eine solcherart identifizierte Person überhaupt eine Geschäftsverbindung mit ihr unterhält, liegt zwar ein Fall des § 38 Abs 2 Z 1 BWG, nicht aber ein solcher des § 145a Abs 1 StPO vor, sodass es nur eines Zusammenhanges zwischen einem strafgerichtlichen Verfahren zur Aburteilung einer Straftat, nicht aber zusätzlich der Annahme bedarf, dass auch die aufzuklärende Tat selbst im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung stand.