JudikaturJustiz12Os100/02

12Os100/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gheorghe R***** und Ioan R***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Bandendiebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 erster und zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 11 Vr 629/97 des Landesgerichtes Leoben, über die vom Generalprokurator zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Leoben vom 18. November 1997, GZ 11 Vr 629/97-264a, sowie des Oberlandesgerichtes Graz vom 18. Dezember 1997, GZ 9 Bs 539/97-285, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und der in diesem Verfahren ursprünglich als Beschuldigte verdächtigten Gheorghe R***** und Ioan R*****, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Gheorghe R***** und Ioan R*****, AZ 11 Vr 629/97 des Landesgerichtes Leoben, wurde durch die Unterlassung einer öffentlichen Verhandlung über die von den Genannten nach § 2 Abs 1 lit b StEG geltend gemachten Ersatzansprüche, durch die Unterlassung der öffentlichen Verkündung des Beschlusses dieses Gerichtes vom 18. November 1997 (ON 264a) sowie dadurch, dass diese Mängel vom Oberlandesgericht Graz anlässlich der Beschlussfassung vom 18. Dezember 1997, AZ 9 Bs 539/97 (ON 285), über die Beschwerden von Gheorghe und Ioan R***** nicht wahrgenommen wurden, das Gesetz in den Bestimmungen des § 6 Abs 3 und Abs 4 StEG iVm Art 6 Abs 1 EMRK verletzt.

Die genannten Beschlüsse werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht Leoben die an den dargelegten Verfahrensgrundsätzen orientierte Verfahrenserneuerung aufgetragen.

Text

Gründe:

Gheorghe R***** und Ioan R***** befanden sich im oben bezeichneten Verfahren vom 6. Juni 1997 (ON 33 und 35) bis 1. August 1997 (ON 166) in Untersuchungshaft.

Die gegen sie wegen des Verdachtes der Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Bandendiebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 erster und zweiter Fall StGB sowie der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 3 und 4 StGB eingeleitete Voruntersuchung wurde vom Untersuchungsrichter über Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 13. Oktober 1997 gemäß § 109 Abs 1 StPO eingestellt (S 3l verso des Antrags- und Verfügungsbogens).

Mit nichtöffentlich gefasstem Beschluss vom 18. November 1997 (ON 264a) stellte das Landesgericht Leoben über Antrag der Genannten fest, dass die in § 2 Abs 1 lit b StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz - gleichfalls ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und ohne den Beschluss öffentlich zu verkünden - am 18. Dezember 1997 zum AZ 9 Bs 539/97 (ON 285) nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend macht die Generalprokuratur in ihrer deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Beschwerde geltend, dass beide Gerichte im Verfahren zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit b StEG in mehrfacher Hinsicht strafprozessuale Prinzipien verletzten, weil ein an den Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK orientiertes Entschädigungsverfahren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (ÖJZ-MRK 1998/12 = NL 97/6/10; NL 00/2/4; NL 01/4/2) und des Obersten Gerichtshofes (EvBl 2001/36 ua) unabdingbar die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und die öffentliche Verkündung der Entscheidung voraussetzt.

Die aufgezeigten rechtsfehlerhaften Vorgänge gebieten die Erneuerung des Entschädigungsverfahrens (§ 292 letzter Satz StPO), weshalb spruchgemäß zu erkennen war.