JudikaturJustiz11R98/19s

11R98/19s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Hradil-Miheljak als Vorsitzende sowie den Richter und die Richterin des Oberlandesgerichts MMMag. Frank und Mag. Istjan, LL.M., in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D***** und 2. M***** , beide vertreten durch Mag. Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C***** , vertreten durch Mag. Alexander Bacher, Rechtsanwalt in Eichgraben, wegen EUR 426.294,17 samt Anhang über den Kostenrekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse EUR 27.238,41) gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 26. April 2019, GZ 4 Cg 100/17g-33, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit EUR 1.268,14 (darin EUR 211,36 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO).

Text

B e g r ü n d u n g:

Die Kläger als Käufer begehrten von der beklagten Verkäuferin EUR 431.241,77 wegen Rückabwicklung des Kaufvertrags und Schadenersatz. Die Beklagte habe vorgetäuscht, dass im Kaufobjekt als „ topsanierten historischen Wohnhaus “ kein Feuchtigkeitsproblem bestehe. Der Schaden umfasse EUR 387.000 Kaufpreis, dazu kämen die Kosten der Vertragserrichtung, Verbücherung und Beweissicherung. Sie stützen ihre Ansprüche auch auf Gewährleistung, Irrtum, List sowie Verkürzung über die Hälfte. Die Beklagte habe sowohl eine Sanierung als auch eine Rückabwicklung des Kaufvertrags abgelehnt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Sie wendete Gegenforderungen von insgesamt EUR 220.400 für Benützungsentgelt und Schäden an der Liegenschaft ein. Außerdem erhob sie die Zug-um-Zug-Einrede (Klagebeantwortung ON 3 S 8).

In der vorbereitenden Tagsatzung schränkten die Kläger ihr Begehren auf EUR 426.294,17 ein. Außerdem erhoben sie „ aufgrund der Zug-um-Zug-Einrede “ ein Eventualbegehren auf Zahlung von EUR 106.573,54 an den Erstkläger und EUR 319.720,62 an die Zweitklägerin, also auf anteilige Zahlung proportional zu ihren Liegenschaftsanteilen (PA 18.1.2018, ON 7 S 2).

Die Rückgabe der Liegenschaft boten die Kläger weder ausdrücklich an noch lehnten sie sie ausdrücklich ab.

Das Erstgericht sprach den Kläger EUR 336.665,60 Zug-um-Zug gegen Rückübertragung der Liegenschaftsanteile an die Beklagte zu. Die Kläger könnten den Kaufvertrag wegen Irrtum anfechten oder im Rahmen der Gewährleistung wandeln und in beiden Fällen den Kaufpreis von EUR 387.000 zurückverlangen. Jedoch hätten sie EUR 50.334,40 an Benützungsentgelt für 32 Monate zu entrichten. Schäden an der Liegenschaft hätten die Kläger nicht verursacht, sodass die Gegenforderung im Übrigen zu verneinen sei.

In der Kostenentscheidung ging es von einem rund 80%igen Obsiegen der Kläger in beiden Verfahrensabschnitten aus und verpflichtete die Beklagte zu einem Kostenersatz von EUR 29.133,95 (darin EUR 2.558,33 USt und EUR 13.783,95 Barauslagen). Der Zuspruch Zug um Zug falle kostenmäßig nicht ins Gewicht.

Gegen die im Urteil enthaltene Kostenentscheidung wendet sich der Kostenrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, sie nur zu einem Kostenersatz von EUR 1.895,54 zu verpflichten.

Die Kläger beantragen, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt .

1. Die Beklagte argumentiert, dass die Verurteilung zur Rückgabe des Kaufpreises nur Zug-um-Zug insoweit zu Kostenaufhebung führen müsse. Zusätzlich sei das Begehren der Kläger auf Zahlung weiterer EUR 39.294,17 (rund 8% des Streitwerts) abgewiesen worden.

1.1. Nach Auflösung eines Vertrags durch Anfechtung oder Wandlung hat gemäß § 877 (bei Gewährleistung iVm § 932 ABGB) iVm §§ 1435 ff ABGB jeder Teil alles zurückzustellen, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erlangt hat. Stehen beiden Teilen Rückforderungsansprüche zu, so brauchen diese nur Zug um Zug erfüllt zu werden. Bei einem Kaufvertrag ist der primäre Bereicherungsanspruch des beklagten Verkäufers auf die Rückgabe der vom Käufer empfangenen Leistung, also auf Rückgabe der Sache in Natur gerichtet (OGH 19.4.2018, 4 Ob 70/18z Pkt 3.2 mwN).

Aus der Anwendung des § 1052 ABGB auf die bei Auflösung eines Vertrags beiden Teilen obliegenden Rückleistungsverpflichtungen ergibt sich, dass die Rückabwicklung Zug um Zug nur auf Einrede zu beachten ist. Grundsätzlich muss der Bereicherungsanspruch des Beklagten iSd § 877 ABGB somit von diesem durch Zug-um-Zug-Einrede geltend gemacht werden (OGH 19.4.2018, 4 Ob 70/18z Pkt 3.2 mwN).

Der Kläger kann die Zug-um-Zug-Verpflichtung allerdings auch selbst durch entsprechende Beifügung in der Klage anbieten; dabei handelt es sich um eine Beschränkung des Begehrens (OGH 19.4.2018, 4 Ob 70/18z Pkt 3.2 mwN).

1.2. Prozessual gesehen ist die Verurteilung Zug-um-Zug nach der Rechtsprechung ein Minus im Vergleich zur unbedingten Verurteilung (RIS-Justiz RS0041067; vgl auch RS0039561).

1.3. Kostenrechtlich bringt dies im Einzelfall unterschiedliche Konsequenzen mit sich (vgl auch Obermaier aaO Rz 1.147 mwN):

Nach der Entscheidung 1 Ob 555/94 ist ohne weitere Anhaltspunkte grundsätzlich mit Kostenaufhebung vorzugehen (RIS-Justiz RS0035948).

Jüngere Entscheidungen betonen, dass die Zug-um-Zug-Verpflichtung nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einzuschätzen und eine entsprechende Obsiegensquote zu bilden ist. Dabei wird insbesondere auch auf den Verfahrensaufwand abgestellt, den die Prüfung der Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung verursacht hat:

In der Konstellation, dass ein Anspruch geltend gemacht werde, welcher die gesetzlich notwendige Konsequenz einer Zug-um-Zug-Leistung auslöse, sei geringfügiges Unterliegen des Klägers anzunehmen, der daher Anspruch auf vollen Kostenersatz gemäß § 43 Abs 2 1. Fall ZPO habe (OLG Wien 22.3.1996, 6 R 562/95 = RW0000111). Ebenso liege nur geringfügiges Unterliegen des Klägers vor, wenn dieser seine ausdrückliche Bereitschaft zur Rückstellung erkläre, sodass die Prüfung der Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung keinen Verfahrensaufwand verursache (OLG Wien 19.2.2019, 129 R 9/19w).

Ist dagegen die Berechtigung der Klagsforderung von Anfang an unstrittig und war fast der gesamte Verfahrensaufwand für die Feststellung der eingewendeten Zug-um-Zug-Leistung erforderlich, so erscheint es sachgerecht, Obsiegen und Unterliegen im Sinn des § 43 ZPO im Verhältnis der festgesetzten zur beanspruchten Zug-um-Zug-Leistung zu bestimmen (OGH 16.12.2015, 7 Ob 139/15i Pkt 10; 23.2.2009, 8 Ob 150/08d; 14.11.2000, 4 Ob 281/00b; OLG Wien 29.11.2017, 15 R 141/17s).

1.4. Im vorliegenden Fall strebten die Kläger die Rückabwicklung eines Kaufvertrags wegen Irrtums bzw Wandlung an. Die Beklagte erhob nicht nur den Zug-um-Zug-Einwand, sondern bestritt die Klagsforderung auch dem Grunde nach. Das Beweisverfahren beleuchtete dementsprechend, in welchem Zustand die Liegenschaft bei Übergabe war und welche Informationen die Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags dazu hatten.

Die Kläger hatten ihre Bereitschaft zur Rückstellung der Liegenschaft weder ausdrücklich erklärt, noch diese verweigert. Eine Beweisaufnahme fand dazu nicht statt, weil keine Seite Tatsachen behauptete, warum im vorliegenden Fall die Rückgabe der Liegenschaft als gesetzliche Folge der Vertragsaufhebung im Einzelfall unterbleiben müsse. Die Prüfung des Zug-um-Zug-Einwands verursachte daher keinen Verfahrensaufwand.

Im Sinn der jüngeren Rechtsprechung ist daher von einem nur geringfügigen Unterliegen der Kläger mit ihrer Kaufpreisforderung aufgrund des Zug-um-Zug-Einwands auszugehen. Die vom Erstgericht angenommene 80%ige Obsiegensquote ist daher nicht zu korrigieren.

2. Eventualiter macht die Beklagte geltend, dass die Kläger die vorprozessualen Kosten des Beweissicherungsverfahrens zu hoch verzeichnet hätten: Für ihren Antrag auf Beweissicherung gebühre kein doppelter Einheitssatz.

2.1. Gemäß § 54 Abs 1a ZPO hat das Gericht das Kostenverzeichnis seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit der durch einen Rechtsanwalt vertretene Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt. Ohne konkrete Einwendungen sind daher nach der Rechtsprechung nur offenbare Unrichtigkeiten sowie Schreib- und Rechenfehler wahrzunehmen (RIS-Justiz RL0000133; vgl auch RW0000471, RW0000817, RW0000947, RG0000064).

Angesichts des klaren Rationalisierungs- und Dispositionsgedankens dieser Bestimmung sind die Fragen, nach welchem Tarifsatz eine Leistung zu verzeichnen ist, und/oder ob diese für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung zweckentsprechend und notwendig war, nur über entsprechende Einwendungen der Gegenseite aufzugreifen (RIS-Justiz RW0000817 [T1]). Dies muss ebenso für die Frage gelten, ob bei vorprozessualen Kosten ein doppelter Einheitssatz zuzusprechen wäre.

2.2. Dass für den Beweissicherungsantrag kein doppelter Einheitssatz zusteht, hat die Beklagte hier aber nicht eingewendet. Der globale Hinweis, dass die vorprozessualen Kosten überhöht seien, ist nicht ausreichend begründet (vgl RIS-Justiz RW0000947, RI0100000, wo sogar Einwendungen ohne Alternativkalkulation als unsubstanziiert angesehen werden).

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht dem Grunde nach auf § 11 RATG iVm §§ 41 Abs 1, 50 ZPO. Der Kostenrekurs war nur nach TP 3A.I.5.b zu honorieren.