JudikaturJustiz11Os90/08g

11Os90/08g – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. August 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut L***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Jänner 2008, GZ 20 Hv 170/07p-98, sowie über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung sowie über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut L***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (zu ergänzen: Z 2) StGB (III./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat Helmut L***** in Graz

I./ zu nicht genau bekannten Zeitpunkten zwischen Herbst 2003 und Frühjahr 2004 mit einer unmündigen Person, nämlich der am 24. Jänner 1991 geborenen Claudia R*****, in zumindest zwei Angriffen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er mindestens einen Finger in ihre Scheide einführte und für ca fünf Minuten hin- und herbewegte, sowie seinen erigierten Penis in ihren After einzuführen versuchte,

II./ seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Februar 2007 bis etwa Mitte Juni 2007 in mehrfachen Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen bzw von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er die Brüste der am 2. Oktober 1994 geborenen Manuela L***** mit beiden Händen massierte, ihr über der Kleidung auf den Bereich der Vagina griff und sie dazu veranlasste, ihre Hand auf seinen Penis zu legen,

III./ mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw von einer solchen Person an sich vornehmen lassen, und zwar

1./ durch die I./ geschilderten Tathandlungen zum Nachteil der minderjährigen Claudia R*****, geboren am 24. Jänner 1991, 2./ durch die zu II./ geschilderten Tathandlungen zum Nachteil der minderjährigen Manuela L*****, geboren am 2. Oktober 1994, 3./ zu nicht genau bekannten Zeitpunkten zwischen Herbst 2003 und Frühjahr 2004 mit der minderjährigen Kerstin R*****, geboren am 19. Juni 1989, indem er sie zunächst in zwei Angriffen oberhalb der Kleidung an den Brüsten und an der Scheide berührte, in fünf Angriffen gemeinsam mit ihr und der abgesondert verfolgten Elisabeth W***** und einmal allein mit ihr den Geschlechtsverkehr durchführte, und

IV./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Ende Juni 2007 und am 16. Juli 2007 Waltraud P***** durch die Äußerungen, er werde sie zusammenschlagen bzw ihr alle Zähne ausschlagen, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Schuldsprüche I./, III./ und IV./ aus § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5) haben die Tatrichter - auch dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend - hinreichend begründet dargelegt, warum sie der dies leugnenden Verantwortung des Angeklagten zuwider aus der Aussage der Zeugin, dem engen Besuchs- und Gesprächskontakt sowie letztlich aus der Tatsache, dass dem Angeklagten überdies bekannt war, dass Claudia R***** die jüngere Schwester der Kerstin R***** ist, erschlossen haben, dass er zu den Tatzeitpunkten vom tatsächlichen Alter des Opfers Kenntnis hatte (US 9, 15 oben). Der zur Untermauerung der vermeintlich mangelhaften Begründung in der Rechtsmittelschrift hervorgekehrte Satzteil („... ihre Minderjährigkeit ernstlich für möglich hielt ...", US 14 unten) bezieht sich ersichtlich auf Faktum III./. Die Mängelrüge lässt somit außer Acht, dass eine - bei subsumtionsrelevanten Umständen aufgreifbare - unzureichende Begründung dann vorliegt, wenn die Argumentation der Tatrichter den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht. Dass der aus den im Ersturteil angeführten Beweismitteln gezogene Schluss dem Beschwerdeführer nicht überzeugend genug erscheint, vermag den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zu verwirklichen. Der Vorwurf unzureichender Begründung des festgestellten (US 7 ff) Autoritätsverhältnisses iSd § 212 Abs 1 Z 2 StGB übergeht die Erwägungen des Erstgerichts zu der wechselnden Verantwortung des Angeklagten ebenso wie die Auseinandersetzung mit den Aussagen der Zeuginnen und der durch die häufigen Besuche und Übernachtungen geprägten Situation (insb US 13, 16). Insoweit (der Sache nach aus Z 9 lit a, ohne argumentative Ableitung aus dem Gesetz) die Behauptung aufgestellt wird, ein Autoritätsverhältnis müsse „eine legale Basis haben" und könne nicht durch den „Aufbau eines freundschaftlichen Verhältnisses entstehen", verkennt der Angeklagte, dass jede Form der Beaufsichtigung von § 212 Abs 1 Z 2 StGB erfasst wird und es weder ausdrücklicher Vereinbarungen noch gar etwaiger Verpflichtungserklärungen bedarf (Schick in WK² Rz 4, Fabrizy, StGB9 Rz 6, Kienapfel/Schmoller, BT III Rz 9, jeweils zu § 212), sondern, wie er selbst letztlich einräumt, ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis der zur Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht anvertrauten Person hinreicht.

Das mehrfache Vorbringen in der Rechtsmittelschrift, der Angeklagte habe „erst im Gefängnis gehört, dass man die Aufsicht über ein minderjähriges Mädchen [habe], das man in die Wohnung lässt", somit inhaltlich die Behauptung eines Tatbild- bzw Verbotsirrtums (hier der Sache nach Z 10), übergeht erneut einerseits die auch die subjektive Tatseite des § 212 StGB bejahenden Erwägungen der Tatrichter und zeigt andererseits keinen formalen Begründungsfehler auf. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die sich ohne jeglichen inhaltlichen Bezug gegen die Schuldsprüche wegen gefährlicher Drohung richtet, indem sie allgemein die Eignung der Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen, bestreitet, ist mangels Orientierung an den erstrichterlichen Feststellungen nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung (§ 285i StPO) und der impliziten (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) Beschwerde.

Ergänzend ist anzumerken, dass das sich im Rahmen der Berufung gegen die Einweisung gemäß § 21 Abs 2 StGB richtende, eine Verletzung des § 127 Abs 2 StPO behauptende Vorbringen schon deshalb fehlgeht, weil die Befundaufnahme bereits im Jahr 2007 stattfand und überdies die Nichteinhaltung dieser (einschränkbaren) Anordnung keine Nichtigkeit begründet (11 Os 61/08t).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.