JudikaturJustiz11Os83/17s

11Os83/17s – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Othmar M***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 18. Mai 2017, GZ 21 Hv 82/16a 41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Othmar M***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von November 2015 bis Februar 2016 in Feldkirch mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den mit dem Verfahren AZ 56 Cg 62/14v des Landesgerichts Feldkirch befassten Richter durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch seine Aussage und sein Prozessvorbringen als Beklagter, wonach die von Marisa M***** vorgelegte Vereinbarung vom 8. März 2001 nie von ihm unterfertigt worden sei und es sich bei der Unterschrift nicht um seine handle, zu einer Handlung, nämlich der Klageabweisung zu verleiten versucht, wodurch die Genannte um 113.369,62 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und „9“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Marisa M*****, die geschiedene Ehefrau des (hier Angeklagten und dort Beklagten) Othmar M*****, wurde im Verfahren AZ 56 Cg 62/14v des Landesgerichts Feldkirch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. Jänner 2016 als Partei (Klägerin) vernommen (ON 8 S 4 f).

In der Hauptverhandlung entschlug sie sich – nach Zurückziehung ihres Privatbeteiligtenanschlusses (vgl § 156 Abs 2 StPO) – gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO ihrer Aussage als Zeugin (ON 37 S 3).

Dennoch wurde das über ihre Parteienvernehmung im zivilgerichtlichen Verfahren errichtete Protokoll „im Sinne des § 252 Abs 2 StPO“ in der Hauptverhandlung verlesen (ON 40 S 5).

Dieser Vorgang verstieß – wie die Verfahrensrüge (Z 3) zutreffend aufzeigt – gegen § 252 Abs 1 StPO:

Das in Rede stehende Vernehmungsprotokoll zählt nämlich keineswegs zu jenen Urkunden, die – sofern sie für die Sache von Bedeutung sind – nach § 252 Abs 2 StPO verlesen werden müssen (zu von diesem Verlesungsgebot erfassten Teilen zivilgerichtlicher Verfahrensakten vgl Kirchbacher , WK-StPO § 252 Rz 124). Vielmehr ist es ein amtliches Schriftstück, das mit dem Ziel errichtet wurde, die Aussage der genannten (dort Klägerin und hier) Zeugin festzuhalten, und daher dem (grundsätzlichen) Verlesungsverbot nach § 252 Abs 1 StPO unterfällt (RIS Justiz RS0098451 [T1], RS0117259 [insbesondere T4]; 14 Os 109/09z; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 228).

Um eine kontradiktorische Vernehmung (mit der Gelegenheit für die Parteien des Strafverfahrens, sich an der Befragung zu beteiligen – § 252 Abs 1 Z 2a StPO; Kirchbacher , WK-StPO § 252 Rz 77 ff) handelte es sich bei der Parteienvernehmung im zivilgerichtlichen Verfahren nicht. Auch sonst lag keiner der in § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO normierten Ausnahmesätze vor. Daher war die Verlesung unzulässig und mit Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 3 iVm § 252 Abs 1 StPO) bedroht.

Schon weil der davon betroffene Aussageinhalt im Urteil jedenfalls insoweit Verwertung fand, als nach Ansicht des Erstgerichts (weitere) Beweisergebnisse „für die Richtigkeit“ dieser (belastenden) Aussage sprächen (US 4), ist ein dem Angeklagten nachteiliger Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Entscheidung (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO) nicht auszuschließen (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 740).

Dies führt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 285e StPO).

Mit seiner gegen den – damit ebenfalls kassierten – Strafausspruch erhobenen Berufung war der Angeklagte hierauf zu verweisen.