JudikaturJustiz11Os79/98

11Os79/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kofler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Februar 1998, AZ 13a Bl 76/98, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Bammer zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Februar 1998, AZ 13a Bl 76/98 (= GZ 10 U 203/93-11 des Bezirksgerichtes Hernals) verletzt in seiner Begründung, wonach die Verlängerung der Probezeit einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung in einem gemeinsam mit einer Strafverfügung gefaßten Beschluß gegen § 494 a Abs 5 StPO verstoße und daher unzulässig sei, das Gesetz in den Bestimmungen des § 494 a Abs 5 und Abs 6 StPO.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichtes Hernals vom 21. April 1993, GZ 10 U 203/93-3, wurde Karl S***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Strafverfügung enthält auch den Beschluß, vom Widerruf der Karl S***** im Verfahren 18 e BE 684/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO abzusehen. Zugleich verlängerte das Bezirksgericht - ohne vorangegangener Anhörung des Beschuldigten und seines Bewährungshelfers - gemäß Abs 7 (seit Inkrafttreten des Strafprozeßänderungsgesetzes 1993, BGBl 526: Abs 6) leg cit die Probezeit auf fünf Jahre.

Nach Rechtskraft des aufgrund einer weiteren Nachverurteilung erfolgten Widerrufs der bedingten Entlassung (vgl AZ 20 Bs 269/97 des Oberlandesgerichtes Wien = AS 51 ff in 10 U 203/93 des Bezirksgerichtes Hernals) stellte Karl S***** ua einen Antrag auf Aufhebung des gemeinsam mit der Strafverfügung vom 21. April 1993 ergangenen Beschlusses auf Verlängerung der Probezeit. Das Bezirksgericht Hernals wies diesen Antrag mit Beschluß vom 8. Jänner 1998 zurück (= GZ 10 U 203/93-8). Der von Karl S***** dagegen eingebrachten Beschwerde gab das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 26. Februar 1998, AZ 13 a Bl 76/98 (= GZ 10 U 203/93-11), nicht Folge.

In der Begründung sprach das Beschwerdegericht aus, daß dem Erstgericht im Zusammenhang mit der bekämpften Beschlußfassung auf Verlängerung der Probezeit ein die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde nach § 33 Abs 2 StPO rechtfertigender materieller Mangel unterlaufen sei, weil es "fälschlicherweise die Verlängerung der Probezeit mit Beschluß in einer Strafverfügung ausgesprochen hat, wodurch ein Verstoß gegen § 494 a Abs 5 StPO vorliegt".

Diese Rechtsansicht steht, wie der Generalprokurator in seiner deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 494 a Abs 5 (aF: Abs 6) StPO kann eine Entscheidung nach Abs 1 Z 1 und Abs 2 leg cit (Unterbleiben des nachträglichen Ausspruches der Strafe wegen einer Jugendstraftat sowie Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung) auch gemeinsam mit einer Strafverfügung getroffen werden. Analog zu der für das Abwesenheitsurteil in § 494 a Abs 3 zweiter Satz StPO ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit kann auch im Fall eines Ausspruches nach Abs 1 Z 1 oder Z 2 des § 494 a StPO in einer Strafverfügung von der Anhörung des Beschuldigten abgesehen werden. Gemäß § 494 a Abs 6 (Abs 7 aF) StPO kann zudem in einem Beschluß, mit dem vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht (oder der bedingten Entlassung) abgesehen wird, das erkennende Gericht (ua) auch die Probezeit verlängern. Dem Gesetz ist sohin weder aus der Bestimmung des § 494 a Abs 3 StPO noch aus der - gleichfalls nur Widerrufsentscheidungen betreffenden - Bestimmung des § 495 Abs 3 StPO zu entnehmen, daß einer Entscheidung nach § 53 Abs 2 StGB (oder § 15 Abs 2 JGG) eine Anhörung des Angeklagten (und gegebenenfalls seines Bewährungshelfers) voranzugehen hat. Vielmehr ergibt sich aus der Zusammenschau der Abs 5 und 6 (aF: 6 und 7) des § 494 a StPO, daß eine Beschlußfassung auf Verlängerung der Probezeit sowohl in einem Abwesenheitsurteil als auch in einer (im Regelfall ohne vorheriger Anhörung des Beschuldigten ergehenden) Strafverfügung zulässig ist.

Der vom Landesgericht für Strafsachen Wien vertretene gegenteilige Rechtsstandpunkt würde bei einem Absehen vom Widerruf in einer Strafverfügung zu dem vom Gesetzgeber ersichtlich nicht beabsichtigten Ergebnis führen, daß im Mandatsverfahren - sofern das Gericht nur eine Verlängerung der Probezeit einer bedingt nachgesehenen Vorverurteilung ins Auge faßt - der Beschuldigte geladen und zwar nicht zu dem ihm in der Strafverfügung drohenden Schuldspruch, wohl aber zu der beabsichtigten Verlängerung der Probezeit gehört werden müßte, zumal im Fall des - ohne Anhörung möglichen - Absehens vom Widerruf die - nur mangels Anhörung des Beschuldigten - unterbliebene Verlängerung der Probezeit aus Anlaß dieser neuen Verurteilung nicht mehr nachgeholt werden könnte (§ 494 b StPO). Dem Staatsanwalt bliebe in diesem Fall mangels einer gesonderten Beschwerde gegen diese Entscheidung (§ 494 a Abs 5 StPO; Abs 6 aF leg cit) nur die Möglichkeit, durch einen Einspruch die Strafverfügung, den Ausspruch nach § 494 a Abs 1 Z 2 StPO und das von ihm (einzig) nicht akzeptierte Unterbleiben der Verlängerung der Probezeit außer Kraft zu setzen und solcherart die Einleitung des ordentlichen Verfahrens zu erzwingen (§§ 460 Abs 2, 494 a Abs 6 StPO aF; §§ 462 Abs 1, 494 a Abs 5 nF StPO). Eine derartige Konsequenz ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen.