JudikaturJustiz11Os68/96

11Os68/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kaindl als Schriftführerin, in der beim Landesgericht St.Pölten zum AZ 17 E Vr 145/96 anhängigen Strafsache gegen Kurt T***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Kurt T***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 15.März 1996, AZ 19 Bs 113/96, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Kurt T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Kurt T***** ist beim Landesgericht St.Pölten zum AZ 17 E Vr 145/96 ein Strafverfahren vor dem Einzelrichter anhängig, das sich (im zweiten Rechtsgang) im Stadium der Hauptverhandlung (Zwischenverfahren) befindet.

Beim Landesgericht für Strafsachen Wien wurde gegen Kurt T***** außerdem zum AZ 28 c Vr 11738/95 die Voruntersuchung (u.a.) wegen des Verdachtes des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB eingeleitet. Gegenstand ist der im angefochtenen Beschluß detailliert wiedergegebene Sachverhalt. Mit Beschluß vom 26.November 1996 wurde ausschließlich wegen des Verdachtes der Erpressung vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gemäß § 180 Abs 2 Z 1 sowie 3 lit b und c StPO über Kurt T***** die Untersuchungshaft verhängt. In der Folge wurde das Verfahren AZ 28 c Vr 11738/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien dem Landesgericht St. Pölten zur Einbeziehung in das dort gegen den Beschuldigten anhängige Verfahren abgetreten. Mit Beschluß vom 28.Februar 1996, GZ 17 E Vr 145/96-144, ordnete der Einzelrichter des Landesgerichtes St.Pölten die Fortsetzung der Untersuchungshaft an. Einer dagegen gerichteten Beschwerde des Kurt T***** wurde mit dem angefochtenen Beschluß, in dem das Oberlandesgericht Wien dem Landesgericht St.Pölten die Rückabtretung des Aktes 28 c Vr 11738/95 an den Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auftrug, nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

In seiner gegen den zuletzt genannten Beschluß gerichteten Grundrechtsbeschwerde erblickt der Beschwerdeführer ausschließlich darin eine Grundrechtsverletzung, daß der Einzelrichter des Landesgerichtes St.Pölten als - seiner Meinung nach - sachlich, örtlich und funktionell unzu- ständiger Richter die Fortsetzung der Untersuchungshaft beschlossen hat. Die Frage des Vorliegens der Voraus- setzungen der Untersuchungshaft läßt die Beschwerde im übrigen unberührt.

Die Beschwerde ist nicht im Recht.

Gegenstand der Grundrechtsbeschwerde ist gemäß § 1 Abs 1 GRBG eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung, die für eine Freiheitsbeschränkung oder Anhaltung ursächlich war, demnach also nicht (auch) die Frage einer allfälligen Einbeziehung oder Ausscheidung eines Verfahrens gemäß §§ 56, 57 StPO.

Im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen - auf eine einen anders gelagerten Sachverhalt betreffende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gestützte - Auffassung kann auch die örtliche Unzuständigkeit grundsätzlich nicht Gegenstand des Grundrechtsbeschwerde- verfahrens sein, weil Untersuchungshandlungen eines örtlich unzuständigen Gerichtes wegen dieser Unzuständigkeit allein nicht ungültig sind (§§ 64 Abs 2, 66 StPO). Daraus ergibt sich, daß - bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen - (selbst bei Zutreffen der Beschwerdebehauptung) aus der Haftentscheidung eines örtlich unzuständigen Gerichtes eine Grundrechtsverletzung in der Bedeutung des § 2 GRBG nicht abgeleitet werden könnte (so schon 11 Os 74/94 = NRsp 1994/165 = EvBl 1994/130 = JBl 1995, 185 f).

Ebenfalls im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Meinung fallen Haftentscheidungen im Zwischenverfahren in die funktionelle Zuständigkeit des Vorsitzenden oder des Einzelrichters (Foregger-Kodek, StPO6 Erl V A.2.), sodaß aus dieser Sicht auch durch den die Vorgangsweise des Einzelrichters des Landesgerichtes St.Pölten nach "faktischer Einbeziehung" des Aktes AZ 28 c Vr 11738/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bestätigenden angefochtenen Beschluß eine Grundrechtsverletzung nicht bewirkt wurde.

Da dem angefochtenen Beschluß im übrigen auch in der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft kein Fehler anhaftet, Kurt T***** sohin in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.