JudikaturJustiz11Os52/06s

11Os52/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dietmar Peter M***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 Z 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 10. Jänner 2006, GZ 24 Hv 5/05b-96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen unangefochten gebliebenen Teilfreispruch und einen Verfolgungsvorbehalt enthält, wurde Dietmar Peter M***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 Z 2 StGB (Punkt A I des Urteilssatzes) sowie des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (A II) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A I) in Gmunden zwischen 22. März 2002 und 27. Oktober 2003 die ihm durch behördlichen Auftrag, nämlich durch die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Gmunden (AZ 1 P 76/02y) vom 22. März 2002 und vom 15. Oktober 2002, mit denen er zum einstweiligen Sachwalter bzw zum Sachwalter für alle Angelegenheiten seiner Mutter Franziska M***** bestellt worden ist, eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht, dass er „von diversen Konten und Wertpapierdepots der Genannten Transaktionen (Konto- und Sparbuchauflösungen sowie anschließende Bargeldbehebungen), Versetzen einer Münzsammlung sowie Ummeldung deren PKWs durchgeführt" und dadurch einen 50.000 EUR übersteigenden Schaden der Franziska M***** herbeigeführt hat, sowie (A II) am 8. August 2005 in Gschwandt eine falsche Urkunde, nämlich einen Meldezettel, auf dem er die Unterschrift des Alfred W***** als Unterkunftgeber gefälscht hatte und welche er beim Gemeindeamt zum Nachweis seiner aufrechten Meldung unter der Adresse des Genannten vorlegte, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf die Gründe der Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nach dem Inhalt der Rechtsmittelanträge das gesamte Urteil, inhaltlich aber nur den Schuldspruch A I. Soweit die Beschwerde daher formell auch den Schuldspruch A II erfasst, war sie schon mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Nichtigkeitsgründe zurückzuweisen; im Übrigen kommt ihr keine Berechtigung zu. Zunächst erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die Hauptverhandlung teilweise in seiner Abwesenheit durchgeführt wurde, eine Verletzung der nichtigkeitsrelevanten Bestimmung des § 427 StPO (Z 3); indes zu Unrecht. Zwar ist die Durchführung der Hauptverhandlung über eine Anklage wegen eines Verbrechens in (auch nur teilweiser) Abwesenheit des Angeklagten nach Maßgabe der Vorschrift des § 427 StPO grundsätzlich ausgeschlossen, doch kann der Angeklagte (nach gerichtlicher Vernehmung) auch in diesem Falle auf seine Anwesenheit bei Teilen der Hauptverhandlung verzichten (für den - hier vorliegenden - Fall der Erkrankung: Schwaighofer, WK-StPO § 275 Rz 18 ff; ohne Einschränkung: Triffterer RZ 1996, 150 ff; 14 Os 79/99). Nichtigkeit kommt diesfalls nur bei Verfahrensvorgängen in Betracht, deren Vornahme dem Schutzzweck des § 427 StPO widerstreiten, so etwa, wenn in Abwesenheit des Angeklagten eine Ausdehnung der Anklage erfolgt. Vorliegend hatte der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom 10. Jänner 2006 nach seiner Vernehmung zur Anklage ausdrücklich erklärt, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an der Hauptverhandlung teilnehmen zu wollen und mit deren Fortsetzung in seiner Abwesenheit einverstanden zu sein (S 97 f/III), weshalb Nichtigkeit iSd Z 3 ausscheidet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 244; 14 Os 79/99). Aus der in der Hauptverhandlung tatsächlich vorgenommenen Anklageausdehnung kann aber eine Nichtigkeit nach Z 3 nicht abgeleitet werden, weil die davon betroffenen Taten nicht Gegenstand des Schuldspruchs sind, sondern zur Einräumung eines Verfolgungsvorbehaltes führten. Im Übrigen wurden dem Angeklagten nach seinem Wiedererscheinen die Aussagen der in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben, was er jedoch ablehnte (S 122). Schließlich wäre es Sache des Verteidigers gewesen, die Zeugen mit einer allfälligen Gegendarstellung des Angeklagten zu konfrontieren. Die Abweisung des vom Verteidiger im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Angeklagten gestellten Vertagungsantrages (S 99/III) wiederum wurde vom Beschwerdeführer (als Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO) gar nicht geltend gemacht.

Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge nach Z 4 wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (S 120 f/III) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Zwar ist die Beschwerde mit dem Einwand, der Gerichtshof habe die Begründung der noch in der Hauptverhandlung getroffenen Entscheidung gesetzwidrig den Urteilsgründen vorbehalten (und sie überdies zum Teil auch dort nicht nachgetragen), im Recht, verkennt dabei allerdings, dass es am Beschwerdeführer gelegen gewesen wäre, durch einen dahin zielenden Antrag auf Einhaltung der Formerfordernisse des § 238 StPO zu dringen. Auch § 281 Abs 3 StPO stellt nur auf den Einfluss der in der Entscheidung oder im Nichterkennen über einen Antrag bestehenden Formverletzung, nicht aber auf die Einhaltung der Formvorschriften des § 238 StPO ab (Danek, WK-StPO § 238 Rz 8; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 316). In der unterlassenen Begründung allein liegt daher keine Nichtigkeit.

Der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Dr. Monika S***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte keinen tätlichen Angriff auf den Gendarmeriebeamten P***** verübt und auch nicht versucht habe, diesen an einer Amtshandlung zu hindern (ON 85 iVm S 120/III), betrifft, weil der Angeklagte von diesem Vorwurf freigesprochen wurde (US 3), keine entscheidende Tatsache.

Der weitere Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung von Gunilla M***** zum Beweis dafür, dass im Haus der Besachwalteten bedeutsame Renovierungsarbeiten durchgeführt worden seien, die eine Wertsteigerung in jenem Betrag, hinsichtlich dessen dem Angeklagten Untreue vorgeworfen wird, bewirkt hätten, lässt die nach Lage des Falles gebotene Begründung vermissen, weshalb diese Zeugin zu einer entsprechenden Aufklärung überhaupt in der Lage sein sollte. Die Einholung des Gutachtens eines Bausachverständigen zum Beweis dafür, dass die Liegenschaft Franziska M*****s durch die Tätigkeiten des Angeklagten eine Wertsteigerung im Ausmaß des in der Anklage vorgeworfenen Betrages erfahren habe, war deshalb nicht geboten, weil das Schöffengericht schon der Verantwortung des Angeklagten, wertsteigernde Renovierungsarbeiten durchgeführt zu haben, mit unbedenklicher Begründung den Glauben versagte (vgl Mayerhofer StPO5 § 281 Z 4 E 67).

Weshalb es für die Auswertung der vom Angeklagten vorgelegten Belege (über Reparaturkosten) der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Sachverständigen aus dem Bereich des Rechnungswesens bedurft hätte, legt der diesbezügliche Beweisantrag nicht dar. Die erst in der Beschwerde vorgebrachten Gründe für die Beweisaufnahmen sind prozessual verspätet, weil bei der Prüfung der Richtigkeit des Zwischenerkenntnisses über einen Antrag stets auf das dazu erstattete Vorbringen abzustellen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Auch der Antrag auf Einholung eines (gemeint:) schriftvergleichenden Gutachtens zum Beweis dafür, dass die in der Anklageausdehnung (S 119 f/III) aufscheinenden Belege nicht vom Angeklagten unterfertigt wurden, verfiel zu Recht der Ablehnung, weil bezüglich der von der Ausdehnung erfassten Fakten ein Verfolgungsvorbehalt gemäß § 263 Abs 2 StPO erfolgte. Im Übrigen ist das Erstgericht ohnehin davon ausgegangen, dass die auf den vom Angeklagten zum Nachweis von Renovierungsarbeiten vorgelegten Belegen befindlichen Unterschriften echt sind (US 12 f). Damit erweist sich aber das Beweisthema als unerheblich (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 4 E 63, 63a). In der Mängelrüge (Z 5) vermag der Beschwerdeführer einen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht aufzuzeigen. Der Beschwerde zuwider haben sich die Tatrichter eingehend auch mit der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt, diese aber mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung verworfen (US 7 ff).

Weshalb die vom Erstgericht detailliert vorgenommene Schadensberechnung (siehe insb US 14 ff) mangelhaft sein sollte, wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar aufgezeigt, sodass dieser Einwand einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist. Mit der bloßen Behauptung, die Schadensberechnung sei widersprüchlich bzw offenbar unzureichend, wird ein Begründungsfehler nicht deutlich und bestimmt bezeichnet. Der Einwand, das Erstgericht hätte der glaubwürdigen Verantwortung des Angeklagten folgend wesentlich mehr Instandhaltungsarbeiten und Eigenleistungen bei der Berechnung berücksichtigen müssen, wendet sich in unzulässiger Weise nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung. Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5a) wiederum versucht der Beschwerdeführer lediglich die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen mit eigenen Beweiswerterwägungen in Zweifel zu ziehen sowie seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen, ohne dabei erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen hervorrufen zu können.

Das Vorbringen zur Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und 10) schließlich erschöpft sich in der bloßen - nicht näher substantiierten - Behauptung, die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen seien nicht vollständig bzw in sich widersprechend und es hätte daher ein Freispruch gefällt werden müssen, jedenfalls aber nur ein Schuldspruch wegen § 153 Abs 1 StGB erfolgen dürfen, und lässt damit eine prozessordnungsgemäße Darstellung, die eine am festgestellten Sachverhalt orientierte methodengerechte Ableitung des behaupteten Rechtsfehlers aus dem Gesetz erfordert, vermissen (vgl Mayerhofer, StPO5 § 285a E 45). Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils als nicht gesetzesgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.