JudikaturJustiz11Os27/21m

11Os27/21m – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. April 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen C*****, wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 dritter und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 18. November 2020, GZ 79 Hv 36/20f 55, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde C***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 dritter und vierter Fall StGB (idF BGBl I 2013/116 – 1), des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (2), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Z 2 und Z 3, 15 StGB (3) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (4) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit hier relevant – von 8. bis 9. Dezember 2019 in R*****

1) „V***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur wiederholten Vornahme und Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er ihr wiederholt Schläge gegen den Hinterkopf und in das Gesicht versetzte, immer wieder eine Luftdruckpistole gegen ihren Kopf und Körper richtete, wobei er sie im Unklaren ließ, dass es sich nicht um eine echte Pistole handelte, ihr ständig androhte, sie umzubringen bzw schwer zu verletzen, wodurch er im Verlauf der ganzen Nacht dreimal vaginalen, oralen und analen Geschlechtsverkehr mit ihr erzwang, wobei die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde, indem er sie während der drei Vergewaltigungen stundenlang immer wieder mit der Pistole bedrohte, sie zwang, den Pistolenlauf in den Mund zu nehmen, ihr die Pistole gegen das Geschlechtsteil drückte und angab , er werde ein weiteres Loch hineinschießen und herauslecken, ihr fortlaufend Schläge gegen den Hinterkopf und in das Gesicht versetzte und wiederholt kundtat, er sei ihr Gott, sie zwang, zu ihm zu beten, ihr in das Gesicht spuckte, sagte, sie sei nur eine ungarische Hure, er sei heute Gott und er sei geil darauf, über sie Macht zu haben und alles mit ihr machen zu können, dass er über sie frei verfügen könne, sie ihm völlig ausgeliefert sei und dass er sie, ihre dreijährige Tochter, ihre Schwester St***** und deren zweijährigen Sohn umbringen und St***** ebenfalls vergewaltigen werde, und indem er nach Durchführung des Analverkehrs ihr den erigierten Penis in den Mund einführte, Oralverkehr abverlangte und in ihren Mund ejakulierte;

3) V***** vor, nach und zwischen den zu 1) geschilderten Vergewaltigungen stundenlang wiederholt mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tode, erheblicher Verstümmelung und teils mit einer Gefährdung durch Sprengmittel zu nachangeführten Handlungen, Duldungen und Unterlassungen genötigt, bzw zu einer Handlung, die besonders wichtige Interessen der Genötigten, und zwar der gemeinsamen Obsorge für die gemeinsame Tochter nach Ehescheidung verletzt, zu nötigen versucht, nämlich dazu, sich nicht von ihm scheiden zu lassen, das gemeinsame Kind in seiner Obsorge zu belassen, sich Telefonaufnahmen anzuhören, ihm bedingungslos zu folgen, sich nicht zu bewegen, nicht zu reden oder Hilfe zu holen, ihre Schwester St***** nicht von den Übergriffen zu informieren, die Anzeigeerstattung bei der Polizei zu unterlassen und auf einen Zettel zu schreiben: 'Ich V***** bin eine dumme Sau. Egal was passiert scheidungsmäßig, ich möchte, dass unser Kind (abverlangter aber nicht geschriebener Textpassus: bei C*****) bleibt. Ich bin zum Schluss gekommen selbst zu gehen. Ich habe falsch gehandelt. Ich beginne eine Therapie, weil ich maßlos übertrieben habe', und zwar durch die fortlaufenden Äußerungen, er werde sie und ihre Tochter, ihre Schwester St***** und deren Sohn durch Erschießen oder durch Zündung des von ihm im Haus verteilten Sprengstoffs töten, weiters indem er eine Luftdruckpistole zog und sie mit den Worten 'Heute werden wir Spielchen spielen' an ihre Schläfe hielt, ihr mitteilte, dass sie heute sterben werde, es sei ihre letzte gemeinsame Nacht und er werde sie 'ganz normal' umbringen, er werde ihr das ganze Gesicht brechen, sollte sie sich bewegen, reden oder schreien, wobei er sie wiederholt mit der Pistole bedrohte, diese an ihren Kopf und Körper ansetzte und ihr laufend Schläge gegen den Kopf und den Gesichtsbereich versetzte und die Genötigte V*****, gegen die sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtete, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt.“

Rechtliche Beurteilung

[3] Ausdrücklich ausschließlich gegen den Schuldspruch 1) richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Soweit der Rechtsmittelantrag dennoch (auch) auf gänzliche Urteilsaufhebung abzielt, blieb die Nichtigkeitsbeschwerde mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).

[5] Die Kritik fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall), weshalb den Angaben der Zeugin V***** anlässlich ihrer polizeilichen und kontradiktorischen Vernehmung gefolgt, ihre (entlastende) Aussage in der Hauptverhandlung hingegen als nicht überzeugend beurteilt wurde, verkennt, dass der Bezugspunkt der Mängelrüge nicht in der Sachverhaltsannahme der (Un )Glaubhaftigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen liegt (RIS-Justiz RS0119422 [T4]). Der Umstand, dass der Schöffensenat einem Teil der Angaben der Zeugin Glauben schenkte, einem anderen aber nicht, stellt weder einen Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall noch sonst einen Begründungsmangel dar (RIS Justiz RS0098372).

[6] Im Übrigen unterlässt die Beschwerde die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370), indem sie die ausführlichen – auch Kontrollbeweise umfassenden – Erwägungen der Tatrichter (US 12 bis 19) zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin vor der Polizei und im Zuge der kontradiktorischen Vernehmung übergeht.

[7] Der Einwand, die Ursache für die Abänderung der Aussage sei unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), nimmt neuerlich nicht auf eine Feststellung zu entscheidenden Tatsachen Bezug (RIS Justiz RS0130729).

[8] Soweit die Rüge die Angaben der Zeugin V***** in der Hauptverhandlung eigenständig bewertet, diese als glaubhaft darzustellen versucht und Vorteile im Scheidungsverfahren als Motiv für die (zunächst) erhobenen Vorwürfe in den Raum stellt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Ebenso wenig wird mit dem Vorbringen, die Zeugin hätte sich „nur entschlagen brauchen, wodurch ihre bisherigen Aussagen nicht verwertet werden hätten dürfen“, ein Nichtigkeitsgrund angesprochen.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der sich einmal mehr in eigenständige Beweiswürdigung ergehende Äußerung des Angeklagten dazu – bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[10] Soweit die Generalprokuratur mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO unter H inweis auf Schwaighofer in WK² StGB § 106 Rz 30 (der auf die Beseitigung früherer Wertungswidersprüche „seit der Anhebung der Strafdrohungen bei den Sexualdelikten“ hinweist und ohne Bezugnahme auf konkrete Sachverhaltskonstellationen ausführt, die Versetzung in einen länger dauernden qualvollen Zustand führe „zur Anwendung der speziellen Qualifikationen gem § 201 Abs 2 bzw 202 Abs 2, die § 106 Abs 1 Z 2 verdrängen“) anmerkt, dass die Qualifikation des § 201 Abs 2 dritter Fall StGB jene des § 106 Abs 1 Z 2 StGB fallbezogen verdrängt, sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, seine Gegenposition näher darzulegen .

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.