JudikaturJustiz11Os191/84

11Os191/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Februar 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführers, in der Strafsache gegen Arnold A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 27.August 1984, AZ 21 Bs 394/84 (GZ 2 e Vr 12.367/83-127 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Knob, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 27.August 1984, AZ 21 Bs 394/84, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 393 a Abs. 1 StPO, soweit sie in ihrer Begründung - auch mit Bezug auf die Kosten der Aktenabschriften - den Ausspruch enthält 'In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß der zur Gänze erfolgte Zuspruch der Barauslagen durch das Erstgericht zu Unrecht erfolgte. Da es sich um Barauslagen des Verteidigers handelt, sind diese den Kosten des Verteidigers zuzurechnen und im Rahmen der limitierten Beträge abzugelten'.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

I. Nachdem Arnold A im Verfahren AZ 2 e Vr 12.367/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien von der wider ihn erhobenen Anklage wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 15 StGB sowie wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit a WaffG gemäß dem § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen worden war, brachte er einen auf die Bestimmung des § 393 a StPO gestützten Antrag ein, mit dem er den Ersatz der Barauslagen seines Verteidigers in der Höhe von 1.679,50

S (90 S Fahrtauslagen; 1.589,50 S als Kosten der Aktenabschrift) und die Festsetzung des gesetzlich vorgeschriebenen Pauschalbeitrages (ersichtlich gemeint: in der Höhe von 10.000 S) zu den Verteidigungskosten begehrte.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien bestimmte mit Beschluß vom 13. Juli 1984, GZ 2 e Vr 12.367/83-120, den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit den begehrten Barauslagen in der Höhe von 1.679,50 S sowie mit einem Pauschalbeitrag in der Höhe von 4.000 S und wies das Mehrbegehren ab.

Der vom Angeklagten gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde wurde mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 27.August 1984, AZ 21 Bs 394/84, nicht Folge gegeben.

II. Die Generalprokuratur erhob gegen die Begründung (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , II/12, § 292, Nr 21, 22) dieser Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien beim Obersten Gerichtshof gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wegen Verletzung des § 393 a Abs. 1 StPO und führte hiezu ua wörtlich aus:

'... das Beschwerdegericht geht ... fehl, wenn es - anders als das Oberlandesgericht Wien in der den gegenteiligen Standpunkt einnehmenden Entscheidung vom 31.August 1984, AZ 23 Bs 415/84 (ergangen in der Strafsache AZ 11 b Vr 2298/83 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt) - die (allerdings im Anlaßfall keine Konsequenzen nach sich ziehende) Ansicht vertritt, das Erstgericht hätte die oben erwähnten Barauslagen nicht zusprechen dürfen, weil es sich um solche des Verteidigers gehandelt habe. Diese müßten den 'Kosten des Verteidigers' zugerechnet werden und könnten nur im Rahmen der limitierten (Pauschal )Beträge abgegolten werden. Hiezu ist folgendes zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Die mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1983, BGBl 1983/168, eingeführte Bestimmung des § 393 a StPO sieht unter hier nicht näher interessierenden Voraussetzungen vor, daß der Bund auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten hat. Der Beitrag umfaßt die nötig gewesenen und vom Angeklagten wirklich bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 41 Abs. 2 StPO auch einen Pauschalbeitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Angeklagte bedient. Der Pauschalbeitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang oder die Schwierigkeit der Verteidigung und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf im Verfahren vor dem Schöffengericht S 10.000 nicht übersteigen.

Im Gesetzestext des § 393 a Abs. 1 StPO wird demnach nicht zwischen Barauslagen des Angeklagten und Barauslagen des Verteidigers unterschieden. Im Gegenteil, es ist von einem Beitrag zu den Kosten der Verteidigung die Rede, der bare (zu ergänzen im Rahmen der Verteidigung erwachsene) Auslagen und einen Pauschalbeitrag zu den Kosten des Verteidigers (bei denen es sich daher nicht auch um die besonders erwähnten baren Auslagen handeln kann) umfaßt. Eine Einschränkung macht das Gesetz lediglich dahin, daß es sich um nötig gewesene und vom Angeklagten wirklich bestrittene bare Auslagen handeln muß, was aber nicht - einengend - dahin verstanden werden darf, daß der Angeklagte die jeweilige (nötig gewesene) Barzahlung von vornherein selbst geleistet haben müßte. Auch dann, wenn der bezügliche Geldbetrag zunächst von einer anderen Person, und sei es auch vom Verteidiger des Angeklagten, beglichen worden sein sollte, wird die bezügliche Barauslage vom Angeklagten im Rahmen seiner Verteidigung bestritten, wenn sie diesen bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise belastet und wenn der Angeklagte letzten Endes der hiefür Zahlungspflichtige ist.

Eine andere Interpretation des Gesetzestextes - die sich übrigens weder auf die zur in Rede stehenden Frage nicht Stellung nehmenden Erläuterungen der bezüglichen Regierungsvorlage noch auf den hiezu ergangenen Bericht des Justizausschusses berufen könnte (vgl 1084 bzw 1422 der Beilagen zu den sten Prot des NR, XV. GP) - müßte zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, daß ein Angeklagter, der die im Rahmen der Verteidigung nötigen Barauslagen stets selbst begleicht, deren Ersatz verlangen könnte, wogegen ein (weniger gut belehrter) Angeklagter, der obgleich letzten Endes hiefür zahlungspflichtig, die Begleichung dieser Barauslagen zunächst dritten Personen (insbesondere seinem Verteidiger, der sie jedoch in der Folge auf ihn überwälzt und der unter Umständen sogar schon vorher auf einen entsprechenden Kostenvorschuß zurückgreifen kann) überläßt, keinen entsprechenden Ersatzanspruch hätte. Mit den im § 393 a Abs. 1 StPO enthaltenen Worten: '... die nötig gewesenen und vom Angeklagten wirklich bestrittenen baren Auslagen ...' wird daher ersichtlich nicht eine unterschiedliche Behandlung der Barauslagen des Angeklagten und der Barauslagen des Verteidigers - die diesem doch im Falle des § 41 Abs. 2 StPO sogar bei einem Schuldspruch des Angeklagten zu vergüten sind (vgl § 393 Abs. 2 StPO) - bezweckt, sondern vielmehr der Gegensatz zwischen (bloß) nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen betont. Daß bare Auslagen an sich nötig waren, soll für deren Ersatz nicht genügen. Vielmehr müssen sie auch tatsächlich bestritten worden sein.

Zu demselben Ergebnis führt die Erwägung, daß die Höhe der nötigen Barauslagen je nach Art und Umfang des dem Freispruch zugrunde liegenden Verfahrens sehr verschieden (und nach den forensischen Erfahrungen mitunter sehr beträchtlich) ausfallen kann und dem Umfang und der Schwierigkeit der eigentlichen Verteidigung keineswegs entsprechen muß. Der Pauschalbeitrag zu den Kosten des Verteidigers ist aber unter Bedachtnahme auf den Umfang und die Schwierigkeit der Verteidigung und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Wollte man daher die Barauslagen des Verteidigers, wie das Oberlandesgericht Wien vermeint, den Kosten des Verteidigers hinzurechnen, dann ergäbe dies eine ganz andere - vom Gesetzgeber nicht gewollte - Bemessungsgrundlage, die demgemäß auch zur Festsetzung unangemessener (geschmälerter) Pauschalbeträge führen müßte.' III. über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wurde erwogen:

Die Beschwerde ist im Ergebnis teilweise begründet. Ein rechtskräftig freigesprochener oder sonst nach Durchführung einer Hauptverhandlung außer Verfolgung gesetzter Angeklagter hat nach dem § 393 a StPO (mit Wirksamkeit vom 1.1.1984) Anspruch auf Ersatz von Barauslagen und - außer im Fall des § 41 Abs. 2 StPO - auf einen Pauschalbeitrag zu den Kosten seines Verteidigers.

Der Gesetzestext schränkt den Barauslagenersatz auf 'nötig gewesene' sowie 'wirklich bestrittene' Auslagen ein und nennt in diesem Zusammenhang ausschließlich den Angeklagten als maßgebenden Zahler; dies obwohl es vom Zufall abhängt, ob die Barauslagen in einem Strafverfahren vom Angeklagten (sofort) selbst oder zunächst von seinem Verteidiger (oder einem Dritten) für ihn bestritten werden. Der Gesetzgeber bedient sich hier ersichtlich nur einer verkürzten Ausdrucksweise: Der Begriff 'Angeklagter' kann im gegebenen Zusammenhang nicht einschränkend verstanden werden, weil für die Verteidigung des Angeklagten nötig gewesene und auch tatsächlich erwachsene Barauslagen immer Kosten der Verteidigung sind und es für die Frage des Ersatzanspruches nicht darauf ankommen kann, wer diese Kosten zunächst trägt. Eine Differenzierung der Regelung des Ersatzes notwendiger und auch tatsächlich erwachsener Auslagen nach der (mehr oder weniger zufälligen) Person des zunächst Zahlenden ist dem Gesetzgeber unter den obwaltenden Umständen nicht zusinnbar. Aus all dem folgt für den vorliegenden Fall, daß - entgegen der Meinung des Oberlandesgerichtes Wien in der Begründung des angefochtenen Beschlusses - auch zunächst vom Verteidiger vorgeschossene Barauslagen - wie hier für die Beschaffung von Aktenabschriften - als vom Angeklagten im Rahmen seiner Verteidigung bestritten, das heißt letzten Endes getragen gelten, wenn sie den Angeklagten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise belasten und er an sich der hiefür Zahlungspflichtige ist.

Daraus erhellt aber auch, daß nur die den Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von der Tätigkeit eines (gewählten oder nach § 41 Abs. 3 StPO bestellten) Verteidigers jedenfalls treffenden, wenn auch allenfalls vom Verteidiger vorfinanzierten baren Auslagen voll zu ersetzen sind, wogegen alle jene baren Auslagen (Spesen) des Verteidigers, hier Fahrtkosten, die nach den Autonomen Honorarrichtlinien (B) gesondert oder durch Inanspruchnahme des einfachen oder doppelten Einheitssatzes (§ 23 C) in die Kostennote einzusetzen sind, einen Teil des Honoraranspruches des Verteidigers darstellen und daher nur im Rahmen des Pauschalbeitrages abgegolten werden können.

über die Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur war daher spruchgemäß zu befinden.