JudikaturJustiz11Os152/14h

11Os152/14h – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen M***** H***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 17. Oktober 2014, GZ 64 Hv 96/14k 17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ***** geborene M***** H***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1./ und 2./) sowie Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 3 StGB (1./) schuldig erkannt.

Danach hat er von Juli 2012 bis Anfang Jänner 2013 in G***** mit seiner am ***** geborenen, sohin unmündigen Halbschwester J***** H***** wiederholt, und zwar zumindest fünfundzwanzig Mal

1./ den Beischlaf durch vaginalen Geschlechtsverkehr vollzogen und

2./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er Oralverkehr an der Genannten durchführte und von dieser an sich vornehmen ließ sowie mit seiner Hand ihre nackte Scheide berührte und einen seiner Finger darin einführte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Mängelrüge beanstandet das Unterbleiben der Erörterung (Z 5 zweiter Fall) angeblicher, (nur) die Dauer des Tatzeitraums betreffender Abweichungen zwischen der zum gesamten Anklagevorwurf (ON 10) übrigens umfassend geständigen (ON 16 S 5) Verantwortung des Angeklagten und der Aussage der Zeugin J***** H*****. Damit spricht sie weil weder Verjährung noch für die Schuld oder Subsumtionsfrage bedeutsame Altersgrenzen (etwa § 206 Abs 4 StGB) auf Seiten des Opfers oder des Angeklagten in Frage stehen keine entscheidende Tatsache an ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 und 406; RIS Justiz RS0116736, RS0098557 [T10, T11 und T14]) und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Ebensowenig releviert das betreffende Beschwerdevorbringen, soweit es auch auf „die Strafbemessung“ Bezug nimmt, einen für die Grenzen der Sanktionsbefugnis entscheidenden Umstand (gegebenenfalls Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall; dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 669).

Bleibt anzumerken (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass das Erstgericht die vom Schuldspruch 1./ erfassten Tathandlungen zu Recht (auch) der mit Blick auf Art 8 MRK verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl das Erkenntnis des EGMR vom 12. April 2012, Stübing gegen Deutschland, Nr 43547/08) Bestimmung des § 211 Abs 3 StGB unterstellte, weil diese nach ihrem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers (30 BlgNR 13. GP 353) den Vollzug des Beischlafs zwischen (nicht nur voll , sondern auch) wie hier halbbürtigen Geschwistern pönalisiert ( Leukauf/Steininger Komm 3 § 211 RN 2; Mayerhofer StGB 6 § 211 Anm 1; Hinterhofer SbgK § 211 Rz 18; Bertel/Schwaighofer BT II 10 § 211 Rz 1; Philipp in WK 2 StGB § 211 Rz 5; aM Fabrizy , StGB 11 § 211 Rz 2 [unter Hinweis auf die gegenüber dem Geschlechtsverkehr zwischen vollbürtigen Geschwistern geringere Gefahr einer Beeinträchtigung der durch die Strafnorm geschützten Rechtsgüter der Gesundheit der Nachkommenschaft und des Bestands der Familie] und Kienapfel/Schmoller Grundriss BT III § 211 Rz 13 [mit dem Argument von Zweifelhaftigkeit des Strafbedürfnisses in Bezug auf Beischlaf zwischen Blutsverwandten insgesamt]; zur Rechtslage in Deutschland vgl Dippel in LK 11 § 173 Rz 18).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.