JudikaturJustiz11Os148/09p

11Os148/09p – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafvollzugssache des N***** P***** wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG, AZ 13 BE 257/09k des Landesgerichts Ried im Innkreis, über den Antrag des Strafgefangenen auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Mai 2007, AZ 8 Hv 2/07v 169, war N***** P***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG aF sowie eines Vergehens schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe (letztlich) von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden.

Er verbüßt diese Freiheitsstrafe derzeit in der Justizanstalt Suben mit einem voraussichtlichen Strafende am 30. November 2011; die zeitlichen Voraussetzungen des § 133a Abs 1 StVG liegen seit 28. Februar 2009 vor. Am 29. Juni 2009 beantragte N***** P***** ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots gemäß § 133a Abs 1 StVG. Das Landesgericht Ried im Innkreis lehnte dies mit Beschluss vom 27. Juli 2009 sowohl aus generalpräventiven Erwägungen als auch wegen Vorliegens tatsächlicher Hindernisse ab (§ 133a Abs 1 Z 3 StVG).

Das Oberlandesgericht Linz gab der dagegen vom Strafgefangenen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 13. August 2009, AZ 9 Bs 259/09s, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

In Bezug auf diese Entscheidung begehrt N***** P***** die Verfahrenserneuerung nach § 363a StPO.

Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ist zwar eine Planwidrigkeit des § 363a StPO anzunehmen und Lückenschließung dahin geboten, dass es eines Erkenntnisses des EGMR für eine Erneuerung des Strafverfahrens nicht bedarf, womit auch eine vom Obersten Gerichtshof selbst - aufgrund eines Erneuerungsantrags - festgestellte Konventionsverletzung durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts dazu führen kann (RIS Justiz RS0122229). Dabei handelt es sich aber um einen subsidiären Rechtsbehelf (RIS Justiz RS0122737, RS0123350), weshalb in Bezug auf das Grundrecht der Freiheit die Bestimmungen des GRBG zur Anwendung gelangen, das insoweit den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ausdrücklich regelt. Nach § 1 Abs 1 GRBG steht wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzugs die Grundrechtsbeschwerde zu. Nach § 1 Abs 2 GRBG gilt dies nicht für die Verhängung und den Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, weshalb in diesen Fällen eine Grundrechtsbeschwerde ebenso ausgeschlossen ist wie der - subsidiäre - Erneuerungsantrag.

Zwar argumentiert der Erneuerungswerber - vordergründig - nicht mit dem Grundrecht auf persönliche Freiheit, indem er eine unrichtige, andere Grundrechte verletzende Anwendung des § 133a StVG durch das Oberlandesgericht releviert, doch sieht er sich - losgelöst von der Ebene der versuchten rechtlichen Beweisführung des Antragstellers betrachtet - in eben diesem Grundrecht verletzt, weswegen der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens des N***** P***** (gegen den im Übrigen ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Auslieferungshaft [§ 29 ARHG; § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StPO] für den Fall der Beendigung der Strafhaft vorliegt; AZ 11 HR 235/09v des Landesgerichts Ried im Innkreis) somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen war.

Vollständigkeitshalber ist anzumerken, dass der Antrag auch inhaltlich unberechtigt wäre, weil § 133a Abs 2 StVG idF BGBl I 2009/52 (in Kraft getreten am 18. Juni 2009) ausdrücklich anordnet, dass generalpräventive Erwägungen auch bei deren Berücksichtigung bereits im Rahmen der Strafzumessung einem vorläufigen Absehen von der Strafverfolgung entgegenstehen können (vgl dazu auch RV 113 BlgNR 24. GP, 51) und Art 6 MRK nur auf Verfahren über die Stichhältigkeit einer strafrechtlichen Anklage zur Anwendung gelangt.