JudikaturJustiz11Os147/96

11Os147/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Oktober 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Albert R***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 8.Juli 1996, GZ 37 Vr 588/96-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Albert R***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit von etwa Mai 1994 bis Mai 1995 in Salzburg als Münzfernsprech-Entstörer der Post- und Telegraphenverwaltung mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf wahrheitsgemäße Abrechnung von Auslandsgesprächen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbrauchte, daß er zum Anschluß 040755002147 eine Anrufumleitung programmierte und Telefongespräche des Teilnehmers Walter R***** zum Ortstarif ermöglichte, wobei die Post- und Telegraphenverwaltung um Ferngesprächsentgelte in der Höhe von 11.853,80 S verkürzt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 (inhaltlich auch 9 lit b) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Durch das am 1.April 1994 in Kraft getretene Fernmeldegesetz 1993 (BGBl 1993/908) wurden auf dem Gebiet der Telekommunikation die hoheitlichen von den betrieblichen Funktionen getrennt. Als Fernmeldebehörde, somit in Ausübung der Hoheitsverwaltung, sind die Fernmeldebüros und das Zulassungsbüro sowie der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als oberste Fernmeldebehörde tätig (§§ 36 f FG), während die Post- und Telegraphenverwaltung - an deren Stelle mittlerweile die Post und Telekom Austria AG getreten ist (Art 95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201) - das feste öffentliche Fernmeldenetz sowie den reservierten Fernmeldedienst bereitzustellen und den Fernmeldedienst zu erbringen hat (§ 44 FG), wobei die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen im Bereich des Fernmeldewesens entstehenden Rechtsbeziehungen privatrechtlicher Natur sind (§ 45 Abs 1 FG). Die Kunden der Post- und Telegraphenverwaltung haben daher für die in Anspruch genommenen Leistungen ein Entgelt (§ 46 FG) und keine Gebühr zu bezahlen. Die Tätigkeit der Post- und Telegraphenverwaltung im Fernmeldebereich war somit im inkriminierten Zeitraum bereits dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen. Gegenstand eines Amtsmißbrauches können aber nur Geschäfte der Hoheitsverwaltung sein (Leukauf-Steininger, Komm3 § 302 RN 22 ff). Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes und des Oberlandesgerichtes Linz (AZ 9 Bs 97/96) erfüllt das inkriminierte Verhalten des Angeklagten nicht (mehr) den Tatbestand des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB.

Da im angefochtenen Urteil ausreichende Feststellungen zu einer abschließenden Beurteilung des der Anklage zugrunde liegenden Sachverhaltes (allenfalls in Richtung § 146 StGB und gegebenenfalls auch zum Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach § 167 StGB) fehlen, die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung somit unvermeidlich ist, war spruchgemäß zu entscheiden.