JudikaturJustiz11Os135/03

11Os135/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter Benedikt J***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 4. Juli 2003, GZ 23 Hv 63/03b-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Angeklagten wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung bewilligt.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Walter Benedikt J***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (Punkt A 1 des Urteilssatzes) und des Mordes nach § 75 StGB (A 2), des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG (B 1) sowie des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (B 2) schuldig erkannt.

Danach hat er, soweit für das Nichtigkeitsverfahren relevant, (zu A) zwischen dem 6. und 9. März 2001 in Zaandijk im gewollt gemeinsamen Zusammenwirken mit der gesondert verurteilten Nathalie H*****

1) Hendrik Albert S***** mit Gewalt sowie nach Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld in unerhobenem Wert, einen Videorekorder, ein 20-teiliges Silberbesteck, Medikamente sowie einen PKW der Marke Renault Berlingo mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mit erhobenem Hammer und den Worten: "Überfall, ruhig bleiben", auf den im Bett liegenden Hendrik Albert S***** zuging, in weiterer Folge nach erfolgter Gegenwehr ihn mit beiden Händen von vorne am Hals umklammerte und würgte, während Nathalie H***** zunächst mit einem Stellschlüssel und danach mit einem anderen Gegenstand mehrfach auf seinen Kopf einschlug und daran anschließend ein Kabel oder einen Schlauch einige Male um seinen Hals wickelte, Walter J***** sodann ein Ende des Kabels/Schlauches ergriff und es, so fest er konnte, zudrehte,

2) Hendrik Albert S***** durch die zu A 1 geschilderten Gewalthandlungen vorsätzlich getötet.

Nur gegen die Schuldsprüche A richtet sich die auf die Gründe der Z 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, verbunden mit dem Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zu bewilligen.

Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Die schriftliche Urteilsausfertigung wurde nach einem Verteidigerwechsel dem nunmehrigen Verteidiger am 21. August 2003 zugestellt (RS zu ON 47). Die vierwöchige Frist für die Ausführung der rechtzeitig angemeldeten Rechtsmittel begann an dem der Zustellung folgenden Tag (§ 6 Abs 1 StPO) und endete somit mit Ablauf des 18. September 2003, eines Donnerstags, sodass die erst am 6. Oktober 2003 zur Post gegebene Ausführung der Rechtsmittel verspätet erfolgte. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag hatte der Verteidiger am Vormittag des 18. September 2003 die Ausführung unterzeichnet und die Sekretärin Magdalena S***** angewiesen, sie in zweifacher Ausfertigung samt Rubrik noch am selben Tag vor 17.00 Uhr zur Post zu bringen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wurde dies von Magdalena S***** unterlassen und der Akt offensichtlich abgelegt (schriftliche Bestätigung der Magdalena S*****), sodass die Säumnis erst am 23. September 2003 aus Anlass einer telephonischen Anfrage durch das Landesgericht Feldkirch wegen des Verbleibs der erwarteten Rechtsmittelausführung erkannt wurde (Kopie des Telefonverzeichnisses der Anwaltskanzlei). Nach dem weiteren detaillierten Antragsvorbringen ist die am 30. Oktober 1956 geborene Magdalena S***** seit 1994 bei der Anwaltspartnerschaft Piccolruaz Müller beschäftigt und Leiterin der Kanzlei, ist bestens geschult und hat sich immer durch besondere Umsicht und Zuverlässigkeit ausgezeichnet. Ein Versehen wie das vorliegende war ihr noch nie unterlaufen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 364 Abs 1 StPO ist dem Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels zu bewilligen, wenn er nachzuweisen vermag, dass ihm die Einhaltung der Frist durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden (nicht bloß minderen Grades) unmöglich war. Ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Grund besteht, war die fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung zu bewilligen, weil sie auf einem unabwendbaren Umstand beruht, der weder auf ein Verschulden des Wiedereinsetzungswerbers noch auf ein über eine entschuldbare Fehlleistung in der Sphäre seines Vertreters hinausgehendes Verschulden zurückzuführen ist.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Die aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zielt auf die Stellung einer Eventualfrage in Richtung Totschlag nach § 76 StGB, legt jedoch nicht dar, aus welchem Grund die dafür herangezogenen Verfahrensergebnisse Anlass zu einer solchen Fragestellung geboten haben sollen. Dazu wäre der Hinweis auf ein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung erforderlich, wonach, wäre es erwiesen, der Täter in einem tiefgreifenden, allgemein begreiflichen Affektzustand handelte. Eine Gemütsbewegung, mag sie auch heftig gewesen sein, ist nur dann allgemein begreiflich, wenn es für einen maßstabgerechten Durchschnittsmenschen vorstellbar wäre, aus den dafür geltend gemachten Gründen in eine solch heftige Gemütsbewegung zu gelangen, die schließlich eine Tat der vorliegenden Art auslöste (vgl Mayerhofer StGB5 § 76 E 16 d).

Zunächst lässt die Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe "lediglich einen Raubvorsatz" gehabt, die im Wahrspruch konstatierte Mittäterschaft des Beschwerdeführers am Mord und den damit festgestellten Tötungsvorsatz außer Acht. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen hätte es zudem einer Begründung bedurft, weshalb der Angriff H*****s und die Gegenwehr des Opfers sowie der durch Drogen- und Medikamentenkonsum beeinträchtigte Allgemeinzustand des Angeklagten einen derart heftigen, dazu noch allgemein begreiflichen Affektzustand auslösen konnten, zumal sich der Angeklagte in seiner Verantwortung gar nicht darauf berufen hat. Spekulative Überlegungen über das Abstimmungsverhalten der Geschworenen vermögen die geforderte Begründung der begehrten Fragestellung aus dem Gesetz nicht zu ersetzen.

Das Vorbringen, die Stellung einer Eventualfrage nach Mordversuch sei deshalb erforderlich gewesen, weil aus dem Gutachten des Gerichtspathologen Christopher He***** und der Schilderung des Angeklagten in der Hauptverhandlung indiziert sei, dass das Tatopfer an den Folgen der von H***** geführten Schläge und nicht durch Erdrosseln (durch den Beschwerdeführer) verstorben sei, lässt außer Acht, dass der Angeklagte im gemeinsamen Zusammenwirken mit der ebenfalls mit Tötungsvorsatz handelnden Nathalie H***** gegen das Tatopfer gewaltsam vorgegangen ist. Weshalb er ungeachtet dessen unter der Annahme, seine eigene Tathandlung wäre, isoliert betrachtet, für den Todeseintritt nicht kausal gewesen, nur für versuchten, nicht aber für vollendeten Mord haften könne, wurde in der Beschwerde nicht dargetan und solcherart eine prozessordnungsgemäße Ausführung des relevierten Nichtigkeitsgrundes verfehlt.

Der in der Tatsachenrüge (Z 10a) ersichtlich unter dem Aspekt bloßer Beitragstäterschaft unternommene Versuch der Bestreitung der Kausalität der Tathandlungen des Beschwerdeführers für den Tod des Tatopfers schlägt fehl, weil durch den Hinweis auf angebliche Widersprüche des Sachverständigen Dr. Rabl zum Gutachten des im Verfahren gegen Nathalie H***** beigezogenen holländischen Sachverständigen und auf die eigene Verantwortung erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zum Ausdruck kommenden Tatsachenfeststellungen nicht erweckt werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht gesetzesgemäß ausgeführt (§§ 285a Z 2 iVm 344 StPO), teils als offenbar unbegründet (§§ 285d Abs 1 Z 2 iVm 344 StPO) bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i iVm 344 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.