JudikaturJustiz11Os108/88

11Os108/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich P*** wegen des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung des Tier- oder Pflanzenbestandes nach dem § 182 Abs 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 30.Mai 1988, GZ 16 Vr 45/88-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer und des Verteidigers Dr. Nordmeyer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Fleischhauer und Viehhändler Friedrich P*** des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung des Tier- oder Pflanzenbestandes nach dem § 182 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er im April 1983 in Eberstalzell und im Februar 1986 in Vorchdorf dadurch, daß er die an Rinderleukose erkrankte Kalbin mit der Ohrmarkennummer Ki 93401 sowohl an Karl O*** als auch nach Rückkauf von ihm an Josefa E***

verkaufte und somit dem Viehbestand des Karl O*** und der Josefa E*** zugesellte, Handlungen beging, die geeignet waren, die Gefahr der Verbreitung einer Seuche unter Haustieren anderer herbeizuführen.

Von anderen Anklagepunkten wurde Friedrich P*** rechtskräftig freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Mängelrüge nach dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund, welche auch als Anfechtung aus dem Grund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO vorgetragen wird, vermag weder einen Begründungsfehler aufzuzeigen, noch Bedenken gegen die gerichtliche Wahrheitsfindung hervorzurufen. Im Rahmen seiner Verantwortung bekannte der Angeklagte den gesamten äußeren Sachverhalt der beiden Weitergaben des infizierten Rindes ein, weshalb das Erstgericht in diesem Umfang mit Recht von einem Tatsachengeständnis ausging. Aus dieser Feststellungsgrundlage und dem vom Angeklagten zusätzlich eingeräumten Umstand, das Rind, das ihm im April 1983 entsprechend einer behördlichen Anordnung nach dem Rinderleukosegesetz als Leukosereagent zur Schlachtung übergeben worden war, entgegen dieser Anordnung in Kenntnis der Virusinfektion verkauft zu haben, konnte die erste Instanz ein Bewußtsein des sachkundigen Täters ableiten, die Gefahr der Verbreitung der enzootischen Rinderleukose zu schaffen. Dabei bedurfte es keiner gesonderten Erörterung aller jener Hinweise in den Einlassungen des Angeklagten, wonach er die Rinderseuche zwar gekannt, ihre Gefährlichkeit aber unterschätzt haben will, denn der maßgebende Gefährdungswille ist weder aus tatsächlichen, noch aus rechtlichen Gründen davon abhängig, ob die Verbreitung einer besonders schwerwiegenden oder besonders leicht übertragbaren Infektionskrankheit droht. Demgemäß erübrigte sich auch die vom Beschwerdeführer urgierte Berücksichtigung einer (aus dem Jahr 1978 stammenden) Informationsbroschüre über enzootische Rinderleukose, wonach diese Krankheit in Österreich selten auftritt, nur bei etwa 10 % des angesteckten Viehs zum Ausbruch kommt und erst geraume Zeit nach dem Befall eine auffällige Veränderung der betroffenen Tiere bewirkt. Ebensowenig mußten die Entscheidungsgründe darauf eingehen, ob der Angeklagte, der die entscheidenden Umstände kannte, auf das Unterbleiben der möglichen Krankheitsverbreitung vertraute und ob es zu Infektionen anderer Rinder kam. Diese Modalitäten üben keinen Einfluß auf die Annahme aus, daß der Angeklagte die Gefahr der Seuchenverbreitung - also einen Zustand, der eine Krankheitsübertragung befürchten ließ - verwirklichen wollte. Allein dieser Willensinhalt und nicht eine darüber hinausgehende Vorstellung bildet unabhängig von nachfolgenden Geschehnissen die für den subjektiven Bereich maßgebende Tatsache, denn das Vergehen nach dem § 182 Abs 1 Z 1 StGB stellt ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar, dessen Begehung weder die Ansteckung von Tieren, noch eine konkret gewordene Ansteckungsgefahr erfordert (Leukauf-Steininger StGB2 RN 3 zu § 182).

Argumentativ erfaßbare Behauptungen, es sei das infizierte Tier gezielt an Karl O*** verkauft worden, weil der Käufer keine weiteren Kühe hatte, und demgemäß die Seuchenverbreitungsgefahr herabgesetzt gewesen, sowie, daß ein von Anfang an beabsichtigter späterer Rückkauf des trächtigen Tieres ebenfalls der Gefahrenreduktion dienen sollte, wurden weder vom Angeklagten (siehe hiezu S 121 f), noch vom genannten Landwirt (siehe hiezu S 31 f und 122 ff) aufgestellt. Diese in der Beschwerde verfochtene Version läuft daher auf das unzulässige und unbeachtliche Vorbringen von Neuerungen hinaus, bei welchem zudem neben anderen Umständen die in der bereits erwähnten Informationsbroschüre und auch im Rinderleukosegesetz angenommene Gefahr der Krankheitsübertragung beim Deckakt übersehen wird.

Die ferner bekämpfte Schlußfolgerung, daß sich aus dem Wissen um die Identität des dem Karl O*** verkauften Rindes mit dem zurückgekauften Tier auch die Kenntnis des Angeklagten von der Infektion des wiedererworbenen Rindes ergibt, erweist sich als logisch und empirisch tragfähig, mag damit auch eine zwingende Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten nicht verbunden sein, der diese Tatsache vergessen haben will. Das Erstgericht war nämlich nicht gehalten, nur solche Feststellungen zu treffen, bei denen die theoretische Möglichkeit einer anderen Fallgestaltung mit Gewißheit auszuschließen ist, sondern es durfte als Ausfluß des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung seine Überzeugung auch auf Wahrscheinlichkeitserwägungen stützen. Daß die Erörterungen über den Nachweis des bezüglichen Wissens des Angeklagten nur den Verkauf im Jahr 1986 betreffen, zieht keine Undeutlichkeit des urteilsmäßigen Ausspruches über die subjektive Tatseite nach sich, welcher dem Beschwerdestandpunkt zuwider auch den Verkauf im Jahr 1983 erfaßt. Zum letztgenannten Vorgang hatte der Angeklagte, nämlich sein Wissen um die Infektion der Kuh zugegeben, weshalb es insoweit keiner über einen Hinweis auf jene Verantwortung hinausgehenden Urteilsbegründung bedurfte. Dies erklärt zwanglos den unterschiedlichen Umfang der Beweiswürdigung zu beiden Verkäufen und läßt keinen Zweifel offen, daß das Erstgericht über die subjektive Tatseite zu beiden Zeitpunkten absprach.

Auch die von einer Nichtigkeit nach der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ausgehende Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite einwendet, ist nicht zielführend. Der vermißte Ausspruch über die "Wollenskomponente" des Vorsatzes ergibt sich eindeutig aus den Urteilsannahmen über die vom Täter trotz des Bewußtseins der damit verbundenen Gefahr einer Seuchenverbreitung als freie Dispositionsakte gesetzten und demgemäß vom Willen gesteuerten Handlungen sowie Unterlassungen, die zum Unterbleiben der Schlachtung und zum Weiterverkauf des Leukosereagenten führten. Weitere Feststellungen waren in dieser Beziehung nicht erforderlich.

Schließlich liegen auch entgegen dem von einer Nichtigkeit nach der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ausgehenden Beschwerdestandpunkt nicht alle Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat im Sinn des § 42 StGB vor, weshalb dieser Strafbefreiungsgrund mit Recht nicht herangezogen wurde. Von der im § 42 Z 1 StGB bezeichneten geringen Schuld des Täters kann nur bei einem erheblichen Zurückbleiben des tatbestandsmäßigen Verhaltens hinter dem in den Durchschnittsfällen dieser Art gegebenen deliktstypischen Gesinnungs- und Handlungsunwert gesprochen werden. Eine solche Fallgestaltung - welche sich nur aus im Zeitpunkt der Tat wirksamen Umständen und keinesfalls aus einem späteren Wohlverhalten des Täters ergeben kann - wird selbst dann nicht ersichtlich, wenn man der für den Inhaber eines Viehhandels, einer Fleischhauerei und eines Schlachtbetriebes doch eher ungewöhnlichen Darstellung des Angeklagten über sein Motiv folgt, wonach er die Schlachtung unterlassen und den Verkauf vorgenommen haben will, "weil das Viecherl so lieb war" (S 116). Der Angeklagte hat das mit Leukose infizierte Rind, dessen Inverkehrsetzung verboten war und welches ihm überhaupt nur zufolge der beruflichen Stellung als Betreiber einer Schlachtanlage übergeben werden durfte (§§ 6 Abs 2 Z 2, 13 Abs 1 Rinderleukosegesetz), unter wissentlichem Verstoß gegen eine wegen Seuchengefahr ergangene behördliche Schlachtungsanordnung (Ausmerzbescheid) bei zwei verschiedenen Gelegenheiten im zeitlichen Abstand von rund drei Jahren gewerblich veräußert. Dieses Versagen des Angeklagten im Bereich der vom Gesetz erwarteten besonderen beruflichen Verläßlichkeit und die Wiederholung der vorsätzlichen Gefährdungshandlungen verleihen der Täterschuld ein so beträchtliches Gewicht, daß das personale Handlungsunrecht außerhalb des Bagatellbereiches liegt und eine Einstufung als geringfügig nicht in Betracht kommt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Friedrich P*** nach dem § 182 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen und bestimmte die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 80 S.

Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die bisherige Unbescholtenheit und das Tatsachengeständnis als mildernd.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Gewährung

bedingter Strafnachsicht.

Die Berufung ist nicht begründet.

Abgesehen davon, daß die vom Schöffengericht angenommenen Strafzumessungsgründe insofern einer Korrektur bedürfen, als die Wiederholung der Straftat als Erschwerungsgrund hinzutritt, wurde von der begehrten Rechtswohltat mit Recht kein Gebrauch gemacht. Einer bedingten Nachsicht der in Anbetracht des erheblichen Gewichtes des Tatunrechtes ohnehin sehr milden Geldstrafe stehen spezialpräventive Erwägungen der erforderlichen Effektivität und überdies die bei Delikten gegen die Volksgesundheit mit in Betracht zu ziehenden Belange der Generalprävention entgegen. Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.