JudikaturJustiz10Os134/82

10Os134/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 1982 durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Mekis als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 23. April 1982, GZ 7 Vr 921/81-29, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Dallinger sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger - zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen Teilfreispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Rudolf A (1.) des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB sowie der Vergehen (2.) der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB und (3.) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, (zu 1.) am 12. Mai 1981 in Ach Johann B dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt zu haben, daß er den Genannten in einer bei der Gendarmerie erstatteten Anzeige mit der Behauptung, jener habe im Mai 1980 Andrea A vergewaltigt, einer von Amts wegen zu verfolgenden mit (einer ein Jahr übersteigenden Freiheits ) Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB oder der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war, (zu 2.) am 29. September 1981 in Mattighofen vor dem dortigen Bezirksgericht in einem (beim Bezirksgericht Wildshut zum AZ Z 76/81 anhängig gewesenen) Strafverfahren gegen Johann B als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, Adolf C habe ihm gesagt, daß B die zuvor genannte Andrea A vergewaltigt habe, falsch ausgesagt zu haben, und (zu 3.) am 11. Dezember 1981 in Hochburg-Ach Johann B durch Faustschläge, die bei dem Genannten Schwellungen am rechten Unterkiefer nach sich zogen, am Körper verletzt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten, nur gegen die Schuldsprüche wegen Verleumdung und wegen falscher Beweisaussage vor Gericht erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zum Faktum 1. bestreitet der Beschwerdeführer (Z 5) völlig zu Unrecht die vom Erstgericht angenommene (S 186 f.) Notorietät der Tatsache, daß der Begriff 'Vergewaltigung' nach dem Wissen eines jeden Durchschnittsmenschen unmißverständlich mit (der Ausübung von) Gewalt verbunden ist: davon, daß dieser Sinngehalt nur für Juristen oder allenfalls noch für gebildete Laien klar sein möge, wogegen im Volksmund der in Rede stehende Ausdruck als Sammelbegriff für sämtliche, also auch für solche Sittlichkeitsdelikte verwendet werde, die ohne Gewaltanwendung begangen werden, sodaß er dementsprechend gleichermaßen den (gewaltlosen) Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 StGB) umfasse, kann nach allgemeiner Erfahrung keine Rede sein.

Mit seinen Argumenten gegen die weitere Feststellung aber, daß auch er bei seiner Anzeige gegen B mit dem Begriff 'Vergewaltigung' die zuvor dargelegte, allgemein übliche Vorstellung verband und daß er folglich gegen den Genannten tatsächlich (wissentlich zu Unrecht) den Vorwurf erheben wollte, jener habe Andrea A mit Gewalt zumindest soweit gebracht, daß sie sich (unter deren Druck) zum Beischlaf bereit gefunden habe (S 184, 186 f.), ficht der Angeklagte - von seiner eigenen Verantwortung abweichend, mit der er sich zuletzt (anders vorerst S 169) gar nicht mehr speziell auf eine Mißdeutung des Ausdrucks 'Vergewaltigung', sondern ganz allgemein auf ein Mißverständnis über den Inhalt angeblicher öußerungen von Informanten berufen hatte (S 170, 174) - nur nach Art und Zielsetzung einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an, ohne formelle Begründungsmängel der Entscheidung (Z 5) überhaupt geltend zu machen.

Gleiches gilt - von der Unerheblichkeit der damit aufgeworfenen Frage abgesehen - auch für jene Beschwerdeeinwände (Z 5), mit denen er darzutun sucht, daß sein vom Schöffengericht angenommenes Tatmotiv, B durch die Anzeige in Schwierigkeiten zu bringen (S 184, 188), nicht der einzige Grund für sein ihm als Verleumdung angelastetes Verhalten gewesen sei.

Zum Faktum 2. hinwieder hat das Erstgericht die objektive Unrichtigkeit der inkriminierten Zeugenaussage des Beschwerdeführers, daß es C gewesen sei, der ihm beim Stammtisch von einer 'Vergewaltigung' der Andrea A durch B erzählt habe (S 185), ohnehin gar nicht auf die Angaben jenes (nach seiner Darstellung) angeblichen Informanten im (gerichtlichen) Vorverfahren (S 33) abgeleitet, sondern aus einer Reihe anderer Verfahrensergebnisse (S 186 bis 188), durch die es zur überzeugung gelangte, daß weder jener noch überhaupt sonst jemand von einer derartigen Vergewaltigung gesprochen hat und daß sich der Angeklagte bei der Ablegung der in Rede stehenden Aussage eben deshalb ihrer Unrichtigkeit auch bewußt war (S 185, 188).

Demzufolge geht die Mängelrüge (Z 5) des Beschwerdeführers mit dem Einwand, die im Vorverfahren abgelegte Aussage des genannten Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung einer solchen entschlagen hatte (§ 152 StPO), hätte bei der Urteilsbegründung nicht berücksichtigt werden dürfen, ins Leere, und mit der weiteren Behauptung, es stünden keinerlei andere Beweismittel zur Widerlegung seiner Verantwortung zur Verfügung, daß er die mit der inkriminierten Aussage bekundete Information über eine Vergewaltigung der Andrea A durch B wirklich von C erhalten oder (zumindest) irrtümlich erhalten zu haben vermeint habe, ist sie (gleichfalls) nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil er damit die zuvor angeführten Entscheidungsgründe einfach übergeht; die Irrelevanz der ihm tatsächlich zugegangenen Mitteilungen (bloß über ein intimes Verhältnis zwischen B und Andrea A) für die Annahme einer auch subjektiven Unrichtigkeit seiner (ihm als falsche Beweisaussage angelasteten) Darstellung aber, man habe ihm insoweit von einer 'Vergewaltigung' erzählt, ergibt sich aus der (wie oben dargelegt mängelfrei begründeten) Feststellung, daß ihm der Unterschied zwischen einem 'Verhältnis' und einer 'Vergewaltigung' sehr wohl bewußt war.

Gleichermaßen verfehlt ist die Rechtsrüge des Angeklagten (Z 9 lit a), mit der er die Ansicht vertritt, er habe die inkriminierte falsche Aussage nicht bei einer 'förmlichen Vernehmung vor Gericht' (§ 288 Abs 1 StGB) abgelegt.

Hiezu ist es nämlich zum einen, der Beschwerdeauffassung zuwider, nicht notwendig, daß derjenige Richter, der die Befragung eines Zeugen durchführt, nach der Geschäftsverteilung dafür zuständig ist:

genug daran, daß die Aussage gegenüber einem nach den geltenden Vorschriften zur Vernehmung befugten Gerichtsorgan (vgl Pallin im WK, RN 4 zu § 288) abgelegt und die Befragung in einer wenigstens den öußerlichkeiten einer Zeugenvernehmung entsprechenden Form sowie unter Einhaltung der wesentlichen Verfahrensvorschriften, also derart vorgenommen wird, daß beim Befragten das Bewußtsein seiner Stellung als zur Angabe der Wahrheit verpflichteter Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren gewährleistet ist (vgl Pallin, aaO, RN 8; Leukauf-Steininger, StGB2, RN 14 zu § 288; Foregger-Serini, StGB2, Anm IV zu § 288); eine ausdrückliche Wahrheitserinnerung ist dazu nicht unbedingt erforderlich (vgl Leukauf-Steininger, aaO, RN 15, und die dort zitierte Judikatur; aA Pallin, aaO).

Zum anderen aber wird die Qualität einer Befragung durch ein vernehmungsbefugtes Gerichtsorgan als eine 'förmliche Vernehmung vor Gericht' auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß sie sich auf die (globale) überprüfung der Richtigkeit solcher Angaben beschränkt, die der betreffende Zeuge zuvor einem mit der detaillierten Vernehmung beauftragten, zu deren eigenständiger Durchführung jedoch nicht befugten gerichtlichen Hilfsorgan, wie etwa einem Rechtspraktikanten, gegenüber gemacht hat und die mit der (den eigentlichen Gegenstand der in Rede stehenden Vernehmung 'vor Gericht' bildenden) Bestätigung seitens des Vernommenen, damit wahrheitsgemäß ausgesagt zu haben, von der Sanktion nach § 288 StGB (mittelbar) erfaßt werden (vgl SSt 17/74 ua);

insoweit macht es demnach keinen Unterschied, ob ein Zeuge eine vor einem unbefugten Organ abgelegte und protokollierte Aussage nachträglich vor dem Richter zur Gänze wiederholt oder nur pauschal in ihrer Richtigkeit bestätigt (aA Pallin, aaO, RN 4) und unterfertigt (vgl § 105 StPO).

Der Auffassung des Schöffengerichts, daß der Beschwerdeführer - der sich niemals auf eine seinerzeitige Unkenntnis davon berufen hat, daß er als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren vernommen werde und dementsprechend zur Wahrheit verpflichtet sei (vgl S 27) - dadurch, daß er seine gegenüber einem Rechtspraktikanten gemachten und von jenem protokollierten falschen Angaben vor einem (namentlich nicht festgestellten) Richter des Bezirksgerichtes Mattighofen auf dessen ausdrückliche Frage hin als der Wahrheit entsprechend bezeichnete sowie die betreffende Niederschrift in Anwesenheit dieses Richters unterschrieb, bei einer 'förmlichen Vernehmung vor Gericht' falsch ausgesagt hat (S 184 f., 189), ist demnach beizupflichten.

Damit erweist sich aber auch die Verfahrensrüge (Z 4) des Angeklagten als verfehlt, mit der er gegen die Abweisung (S 77, 189) eines Beweisantrags (S 176) remonstriert, der lediglich dem nach dem Gesagten rechtsunerheblichen Nachweis dafür dienen sollte, daß seine der inkriminierten falschen Aussage mittelbar zugrunde gelegene detaillierte Einvernahme nicht in Gegenwart eines Richters, und zwar insbesondere nicht des zuständigen Richters, sondern allein durch einen Rechtspraktikanten vorgenommen worden sei.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten gemäß § 28 Abs 1, 297 zweiter Strafsatz StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe, die es ihm nach § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Die Anwendung des § 43 StGB begründete es damit, daß der Angeklagte nunmehr bei seinem Bruder wohne, sich an die ihm (anläßlich der Aufhebung der Untersuchungshaft) erteilte Weisung, das von seiner geschiedenen Frau mit ihrem Lebensgefährten bewohnte Haus und dessen nächste Umgebung zu meiden sowie überhaupt von jedem Umgang mit den Genannten abzustehen, (seit mehr als vier Monaten) halte und jetzt wirklich bemüht sei, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen, wobei seine bisherigen Straftaten durchwegs in seiner zerrütteten Ehe begründet gewesen seien, der im vorliegenden Verfahren erstmals erlittene Freiheitsentzug aber sicher dazu beitragen werde, ihn von weiteren Aggressionen gegen die zuvor bezeichneten Personen abzuhalten, sodaß die Kriminalitätsprognose bei ihm günstig sei. Der Berufung der Staatsanwaltschaft, welche die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Auf die wie dargelegt ausführliche und in jeder Hinsicht zutreffende Begründung dieser Maßnahme durch das Schöffengericht geht die Anklagebehörde überhaupt nicht ein; von einer (mangels Anfechtung der Strafhöhe zwecklosen) Kritik an der Annahme einzelner Strafzumessungsgründe abgesehen hebt sie demgegenüber lediglich den - bei der Bemessung der Strafdauer ohnedies berücksichtigten und auch im hier aktuellen Zusammenhang vom Hinweis auf das nunmehr seit geraumer Zeit andauernde erfolgreiche Bemühen des Angeklagten, einen Schlußstrich unter seine Vergangenheit zu ziehen, erfaßten - Umstand hervor, daß er in Ansehung der Körperverletzung (Faktum 3.) schon knapp drei Wochen nach seiner letzten Verurteilung wegen ähnlicher Delikte (zu sechs Monaten bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe) wieder rückfällig geworden war.

Dabei übergeht sie aber zum einen, daß er gerade die hier gravierenderen Straftaten, nämlich die Verleumdung und die falsche Beweisaussage vor Gericht (Fakten 1. und 2.), schon vor jener Verurteilung begangen hatte, und zum anderen vermag sie mit diesem Argument die nach der - in der Berufung wie schon gesagt völlig übergangenen - besonderen Lage des Falles durchaus gerechtfertigte günstige Prognose für das künftige soziale Verhalten des Angeklagten nicht in Frage zu stellen.

Generalpräventive Gründe haben demgegenüber in den Hintergrund zu treten, zumal die Berufung auch hiezu wiederum bloß stereotyp auf den raschen einschlägigen Rückfall abstellt, ohne auf die wesentlichen Aspekte des konkreten Falles einzugehen. Der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Rechtssätze
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