JudikaturJustiz10ObS69/05b

10ObS69/05b – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und DI Walter Holzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Janaki A*****, Psychotherapeutin, *****, vertreten durch Dr. Gernot Franz Herzog, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Kostenerstattung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. April 2004, GZ 11 Rs 19/04z-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. September 2003, GZ 11 Cgs 11/03m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Text

Begründung:

Die Klägerin war auf Grund ihres Antrages seit 1. 4. 2000 gemäß § 3 Abs 1 Z 2 (iVm § 2 Abs 1 Z 4) GSVG in der Krankenversicherung bei der beklagten Partei pflichtversichert. Mit Schreiben vom 20. 12. 2000 (eingelangt bei der beklagten Partei am 15. 1. 2001) meldete sich die Klägerin von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ab, sodass die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung mit 31. 1. 2001 endete.

Mit einer „Versicherungserklärung für die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG" vom 25. 1. 2003 (bei der beklagten Partei eingelangt am 3. 2. 2003) gab die Klägerin bekannt, dass ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit in den Jahren 2000 bis 2002 die in Betracht kommende Versicherungsgrenze überschritten hätten. Auf Grund dieser Erklärung stellte die beklagte Partei mit Schreiben vom 11. 2. 2003 fest, dass die Klägerin vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2002 gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung unterlegen sei.

Mit Telefax vom 6. 3. 2003 gab die Klägerin bekannt, dass ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit auch im Jahr 2003 die in Betracht kommende Versicherungsgrenze voraussichtlich überschreiten werden. Mit Bescheid vom 10. 7. 2003 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kosten für ärztliche Hilfe, die sie in den Jahren 2001 und 2002 in Anspruch genommen hatte, mit der Begründung ab, dass nach § 54 zweiter Satz GSVG Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG frühestens mit der Erstattung der Meldung entstünden. Die rückwirkende Einbeziehung der Klägerin in die Pflichtversicherung könne somit keinen Leistungsanspruch für den Zeitraum vor Erstattung der Meldung zur Pflichtversicherung, somit vor dem 3. 2. 2003, entstehen lassen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren, ihren Anträgen vom 25. 2., 20. 5. und 5. 6. 2003 auf Kostenvergütung der eingereichten Honorarnoten für Leistungen der ärztlichen Hilfe Folge zu geben und die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr Kostenvergütung im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen zu erstatten. Die Klägerin machte im Wesentlichen geltend, dass die Bestimmung des § 54 zweiter Satz GSVG gleichheits- und somit verfassungswidrig sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens aus der Begründung des angefochtenen Bescheides.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Hinweis auf die geltende Gesetzeslage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge, weil es die von der Klägerin gegen die geltende Gesetzeslage vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof stellte aus Anlass der Revision der Klägerin mit Beschluss vom 9. 11. 2004, GZ 10 ObS 109/04h, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 54 zweiter Satz GSVG idF der 22. Novelle zum GSVG, ASRÄG 1997, BGBl I 1997/139, als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit seinem Erkenntnis vom 22. 6. 2005, GZ G 177/04-8, § 54 zweiter Satz GSVG in der oben bezeichneten Fassung als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Die Aufhebung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass auch § 70 GSVG allgemein die Möglichkeit vorsehe, im Fall der nachträglichen Feststellung der Versicherungspflicht Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung (Kostenersatz) rückwirkend geltend zu machen. Die angefochtene Bestimmung führe daher dazu, allein Versicherte gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG für Zeiträume vor Erstattung der Meldung gemäß § 18 GSVG vom sonst bestehenden Leistungsanspruch für den betreffenden früheren Zeitraum auszuschließen. Unterschiede im Tatsächlichen, die es rechtfertigen könnten, bei diesem Personenkreis - auch - Kostenerstattungsansprüche für jenen Zeitraum auszuschließen, für den die Pflichtversicherung erst auf Grund des Einkommensteuerbescheides - rückwirkend - festgestellt werde, seien nicht erkennbar. Für diese Personengruppe bestehe die Möglichkeit, durch Abgabe einer Versicherungserklärung im Vorhinein eine von Mindesteinkünften unabhängige Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung (§ 2 Abs 1 Z 4 zweiter Satz GSVG) oder nur in der Krankenversicherung (§ 3 Abs 1 Z 2 GSVG) zu erlangen. Werde davon kein Gebrauch gemacht, dann könnten zwar zunächst - mangels Bestehens einer Krankenversicherung - keine Sachleistungen in Anspruch genommen werden, wohl aber seien - nach Feststellung der Pflichtversicherung im Nachhinein auf Grund des Überschreitens der jeweiligen Versicherungsgrenze - Kostenerstattungsansprüche durchaus denkbar und praktikabel, wie auch § 70 GSVG zeige. Der sich aus § 54 zweiter Satz GSVG ergebende Leistungsausschluss für Zeiten vor „Erstattung der Meldung" erweise sich daher als sachlich nicht gerechtfertigt und es sei daher diese Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben. Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes war das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Da die aufgehobene Bestimmung des § 54 zweiter Satz GSVG bei der Entscheidung des vorliegenden Falles nicht mehr anzuwenden ist, steht der in dieser Bestimmung vorgesehene Leistungsausschluss für Zeiten vor Erstattung der Meldung zur Pflichtversicherung, hier vor dem 3. 2. 2003, dem Klagebegehren nicht entgegen. Da jedoch die allgemeinen Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch im bisherigen Verfahren weder erörtert noch geprüft wurden, mussten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Sozialrechtssache gemäß § 510 Abs 1 ZPO an das Erstgericht zurückverwiesen werden, weil es zur Ergänzung des Verfahrens offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf.

Der Vorbehalt der Entscheidung über die mit dem Rechtsmittelverfahren verbundenen Kosten der Klägerin beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.