JudikaturJustiz10ObS36/06a

10ObS36/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria-Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heinz-Gerd S*****, Pensionist,***** vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Rückforderung eines Pensionsüberbezuges, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Dezember 2005, GZ 23 Rs 59/05f-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Juli 2005, GZ 16 Cgs 56/05v-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt vom 5. 3. 2002 wurde der Antrag des Klägers auf Weitergewährung der mit 31. 10. 2001 befristeten Invaliditätspension abgelehnt. Der dagegen vom Kläger erhobenen Klage gab das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 11. 9. 2003, GZ 48 Cgs 55/02b-18, dahin statt, dass es das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die Invaliditätspension auch über den 31. 10. 2001 hinaus in der gesetzlichen Höhe weiterzugewähren, als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte und der beklagten Partei auftrug, dem Kläger ab 1. 11. 2001 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 600 monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung des Urteiles fälligen vorläufigen Zahlungen binnen 14 Tagen.

Mit Schreiben vom 4. 11. 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit dem am 11. 9. 2003 vor Gericht „geschlossenen Vergleich" (gemeint offensichtlich das Urteil vom 11. 9. 2003) die entzogene Invaliditätspension ab 1. 11. 2001 für die weitere Dauer der Invalidität weitergewährt werde und die Pension ab 1. 11. 2001 monatlich EUR 600 betrage. Weiters wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die gebührende Nachzahlung für die Zeit vom 1. 11. 2001 bis 31. 10. 2003 EUR 16.800 betrage, sodass zuzüglich des Wertausgleichs von EUR 54 und abzüglich des Krankenversicherungsbeitrages von EUR 632,03 sowie des zur Verrechnung einbehaltenen Betrages für das Arbeitsmarktservice Tirol in Höhe von EUR 13.860 eine Nachzahlung von EUR 2.310 überwiesen werde. Über die Verwendung des einbehaltenen Betrages erhalte der Kläger noch eine Verständigung. Ab November 2003 betrage die monatliche Invaliditätspension EUR 600 abzüglich des Krankenversicherungsbeitrages von EUR 22,50, somit EUR 577,50. Mit weiterem Schreiben vom 11. 11. 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass von dem für Ersatzforderungen einbehaltenen Betrag von EUR 13.860 an das Arbeitsmarktservice Tirol EUR 2.695,15 überwiesen worden seien, sodass der verbleibende Betrag von EUR 11.164,85 an den Kläger überwiesen werde. Mit einem weiteren Schreiben vom Jänner 2004 verständigte die Beklagte den Kläger über die Pensionshöhe zum 1. 1. 2004 und führte aus, dass die Eigenpension monatlich EUR 609 und abzüglich des Krankenversicherungsbeitrages von EUR 26,49 der monatliche Auszahlungsbetrag EUR 582,51 betrage. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 30. 11. 2004 stellte die Beklagte fest, dass aufgrund des gerichtlichen Urteiles vom 11. 9. 2003 die bis 31. 10. 2001 befristet zuerkannte Invaliditätspension weitergewährt werde und die monatliche Höhe der Pension ab 1. 11. 2001 EUR 113,12, ab 1. 1. 2002 EUR 114,36, ab 1. 1. 2003 EUR 114,93 und ab 1. 1. 2004 EUR 116,65 betrage.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. 12. 2004 sprach die Beklagte neuerlich aus, dass aufgrund des gerichtlichen Urteiles vom 11. 9. 2003 die bis 31. 10. 2001 befristet zuerkannte Invaliditätspension in der bereits im Bescheid vom 30. 11. 2004 jeweils festgestellten Höhe weitergewährt werde und für die Zeit vom 1. 11. 2001 bis 30. 11. 2004 ein Überbezug an Pension in Höhe von EUR 20.284,93 entstanden sei, der rückgefordert werde. Der entstandene Überbezug werde in monatlichen Raten in Höhe der halben Pension in Abzug gebracht, was nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages einen monatlichen Anweisungsbetrag von EUR 55,79 ergebe. Gegen diese mit dem Bescheid vom 9. 12. 2004 ausgesprochene Rückforderung des Pensionsüberbezuges erhob der Kläger fristgerecht Klage mit dem Begehren, es werde festgestellt, dass der Rückforderungsanspruch der beklagten Partei gegenüber dem Kläger in Höhe von EUR 20.284,93 nicht zu Recht bestehe. Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, die Beklagte habe ihm aufgrund des Urteils vom 11. 9. 2003 bis zur bescheidmäßigen Festsetzung der Höhe der Invaliditätspension eine monatliche vorläufige Zahlung zu leisten gehabt. Werde die dem Kläger zustehende Leistung rechtskräftig in einer geringeren Höhe festgesetzt als die vom Gericht vorläufig festgesetzte Leistung, gelte für die Rückzahlung des Mehrbetrages § 91 Abs 2 ASGG sinngemäß. Danach habe der Versicherte den Mehrbetrag nur dann zurückzuerstatten, wenn er ihn erschlichen habe, was nicht der Fall sei. Zudem habe der Kläger aufgrund der Verständigungsschreiben der Beklagten, welche Bescheidcharakter hätten, darauf vertrauen dürfen, dass er ab 1. 11. 2004 einen Eigenpensionsanspruch in Höhe von EUR 609 monatlich habe. Der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 ASVG liege nicht vor. Zudem habe die Beklagte wesentlich früher erkennen können, dass aufgrund der geringen Anzahl von Versicherungsmonaten in Österreich die Pension monatlich nicht EUR 600 betragen würde und sei die Neufestsetzung verspätet erfolgt, weshalb die Rückforderung des Mehrbezuges auch nach § 107 Abs 2 lit a ASVG ausgeschlossen sei. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Versicherungsträger habe das Recht, von ihm gewährte Vorschüsse auf zu erbringende Geldleistungen aufzurechnen, ohne dass es eines Rückforderungstatbestandes gemäß § 107 Abs 1 ASVG bedürfe. Die Höhe des Überbezuges von EUR 20.284,93 ergebe sich aus den im Pensionsakt aufliegenden Berechnungsblättern.

Das Erstgericht gab ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt dem Klagebegehren statt. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, der Oberste Gerichtshof habe zwar in der Entscheidung 10 ObS 69/99s ausgesprochen, dass die Bestimmungen des § 89 Abs 1 letzter Satz iVm § 91 Abs 2 bis 5 ASGG der Rückersatzpflicht eines Versicherten nicht entgegenstünden, wenn sich später ergebe, dass die bevorschusste Leistung nicht zustehe. Diese Rechtsansicht sei aber auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil die Beklagte im Anschluss an die gerichtlich angeordnete Vorschussleistung dem Kläger nicht zu erkennen gegeben habe, dass es sich bei den monatlichen Pensionszahlungen um Vorschussleistungen gehandelt habe. Insbesondere im Schreiben vom Jänner 2004 habe die Beklagte dem Kläger gegenüber von einer Pension in Höhe von monatlich EUR 609 ab 1. 1. 2004 gesprochen. Der Kläger habe daher davon ausgehen können, dass die Beklagte damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Feststellung der Pensionshöhe nachgekommen sei. Eine Rückforderung des Pensionsüberbezuges ohne Hinzutreten eines zusätzlichen Rückforderungstatbestandes sei daher nicht möglich. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Ausführungen sei dem Kläger bekannt gewesen, dass ihm mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. 9. 2003 die bis 31. Oktober 2001 befristet zuerkannte Invaliditätspension weitergewährt und der Beklagten aufgetragen worden sei, ihm ab 1. 11. 2001 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 600 monatlich zu erbringen. Noch vor Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils habe die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 4. 11. 2003 davon verständigt, dass die Invaliditätspension ab 1. 11. 2001 weitergewährt werde und monatlich EUR 600 betrage. Wenngleich die Diktion dieses Schreibens insofern unpräzise sei, als dabei auf einen am 11. 9. 2003 geschlossenen gerichtlichen Vergleich (anstatt auf das gerichtliche Urteil vom 11. 9. 2003) Bezug genommen werde und außerdem von einer Pension und nicht von einem Pensionsvorschuss die Rede sei, habe der Kläger insbesondere aufgrund der zeitlichen Nähe dieses nicht als Bescheid bezeichneten Verständigungsschreibens zum Urteil vom 11. 9. 2003 und der Höhe der Leistung, die exakt mit der der Beklagten aufgetragenen Vorschussleistung übereingestimmt habe, erkennen müssen, dass es sich dabei nicht um die bescheidmäßige Festsetzung der Höhe der Invaliditätspension, sondern um die vom Gericht aufgetragene Vorschussleistung gehandelt habe. Bei dem vom Erstgericht ins Treffen geführten Schreiben vom Jänner 2004, in welchem wiederum von einer „Pensionshöhe" die Rede sei, handle es sich lediglich um eine Wertanpassung für das Jahr 2004 dieser Vorschussleistung. Dass der Kläger diesem Schreiben tatsächlich keinen Bescheidcharakter über die Höhe der Invaliditätspension beigemessen habe, gehe daraus hervor, dass er die Bescheide der Beklagten vom 30. 11. 2004 und vom 9. 12. 2004, mit welchen die Höhe der Invaliditätspension aufgrund der geringen Anzahl der inländischen Versicherungsmonate mit Beträgen zwischen EUR 113,12 und EUR 116,65 festgesetzt worden sei, hinsichtlich der Pensionshöhe nicht bekämpft habe. Auch der Umstand, dass der Kläger lediglich die mit dem Bescheid vom 9. 12. 2004 ausgesprochene Rückforderung des Pensionsüberbezuges für den Zeitraum vom 1. 11. 2001 bis 30. 11. 2004 bekämpfe, deute darauf hin, dass er ungeachtet der missverständlichen Diktion in den Schreiben der Beklagten vom 4. 11. 2003 und Jänner 2004 die darin erwähnten Pensionszahlungen als Vorschussleistungen aufgefasst habe. Damit erweise sich der Rückforderungsanspruch aber als berechtigt. Werde dem Versicherungsträger die Leistung einer vorläufigen Zahlung auferlegt, so stünden die Bestimmungen des § 89 Abs 1 letzter Satz iVm § 91 Abs 2 bis 5 ASGG der Rückersatzpflicht des Klägers nicht entgegen, wenn sich später ergebe, dass die bevorschusste Leistung nicht zustehe. Die Verpflichtung zum Rückersatz richte sich in diesem Fall nach den für Vorschüsse getroffenen Regelungen. Gemäß § 103 Abs 1 Z 3 ASVG dürfe ein Versicherungsträger auf die von ihm zu erbringenden Geldleistungen gewährte Vorschüsse aufrechnen, ohne dass es eines Rückforderungstatbestandes (etwa nach § 107 Abs 1 ASVG) bedürfe. Diese Aufrechenbarkeit entspreche dem Wesen eines Vorschusses als einer Leistung, von der eben mangels genügender Klärung des Sachverhaltes (§ 368 Abs 2 ASVG) von Anfang an unklar und unbestimmt sei, ob sie in dieser Höhe tatsächlich und endgültig gebühre (10 ObS 69/99s; SSV-NF 7/93).

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es bei seiner Entscheidung über die Aufrechenbarkeit von Vorschusszahlungen des Versicherungsträgers auch ohne Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens.

Die Beklagte hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten, keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, zulässig und auch berechtigt.

Der Kläger macht in seinen Rechtsmittelausführungen unter anderem geltend, ein Versicherter habe gemäß § 89 Abs 1 letzter Satz iVm § 91 Abs 2 bis 5 ASGG eine vom Gericht zugesprochene vorläufige Zahlung nur dann zurückzuerstatten, wenn er sie erschlichen habe. Da diese Voraussetzung bei ihm unstrittig nicht vorliege, sei er zur Rückzahlung des erhaltenen Mehrbetrages nicht verpflichtet. Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

Nach § 103 Abs 1 Z 3 ASVG dürfen Versicherungsträger von ihnen gewährte Vorschüsse (§§ 104 Abs 1 letzter Satz, 368 Abs 2 ASVG) auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen aufrechnen. Durch den ausdrücklichen Verweis auf § 104 Abs 1 letzter Satz ASVG sowie § 368 Abs 2 ASVG wollte der Gesetzgeber der 41. ASVG-Novelle (BGBl 1986/111) zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Versicherten entgegen der weitergehenden Judikatur des Oberlandesgerichtes Wien klarstellen, was als aufrechnungsfähiger Vorschuss im Sinne dieser Bestimmung zu gelten hat (vgl Teschner/Widlar, MGA, ASVG 68. ErgLfg Anm 3 zu § 103). Auch in der Judikatur wurde bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 103 Abs 1 Z 3 ASVG die Möglichkeit der Aufrechnung von Geldleistungen auf Vorschüsse ausdrücklich auf die in den §§ 104 Abs 1 letzter Satz und 368 Abs 2 ASVG genannten Vorschüsse beschränkt (SSV-NF 16/141, 15/46). Die vom Berufungsgericht zitierte und in SSV-NF 7/93 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes betraf lediglich die grundsätzliche Frage einer Bevorschussung einer Leistung auf Ausgleichszulage gemäß § 368 Abs 2 ASVG, nicht jedoch die Frage einer Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 3 ASVG. Der Entscheidung 10 ObS 69/99s (= SSV-NF 13/39) lag zugrunde, dass vom beklagten Versicherungsträger im Vorverfahren aufgrund des bestätigenden Berufungsurteiles (§ 91 Abs 1 ASGG) die vom Erstgericht zugesprochenen Vorschusszahlungen (§ 368 Abs 2 ASVG) an die damalige Kläger geleistet worden waren, während vom Obersten Gerichtshof im Vorverfahren ein Anspruch der damaligen Klägerin auf Ausgleichszulage oder hilfsweise auf einen Vorschuss auf die Ausgleichszulage rechtskräftig verneint wurde. Der Oberste Gerichtshof bestätigte in der Entscheidung SSV-NF 13/39 die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass es sich bei diesen Leistungen um Vorschüsse im Sinn des § 368 Abs 2 ASVG gehandelt habe, welche gemäß § 71 Abs 1 Z 3 GSVG (entspricht im Wesentlichen § 103 Abs 1 Z 3 ASVG) vom Versicherungsträger ohne jede weitere Voraussetzungen auf die von ihm zu erbringenden Geldleistungen aufgerechnet werden dürften. Eine Vorschussleistung, die vom Versicherungsträger aufgrund der Bestimmung des § 91 Abs 1 ASGG zu erbringen sei, sei somit im Ergebnis nicht anders zu behandeln als eine sonst vom Versicherungsträger dem Versicherten zu erbringende Vorschussleistung. Diese Aufrechenbarkeit entspreche auch dem Wesen eines Vorschusses als einer Leistung, von der eben mangels genügender Klärung des Sachverhaltes (§ 368 Abs 2 ASVG) von Anfang an unklar und unbestimmt sei, ob sie in dieser Höhe tatsächlich und endgültig gebühre.

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei den der Rückforderung eines Überbezuges zugrunde liegenden Zahlungen der Beklagten um keine „Vorschüsse" im Sinn des § 103 Abs 1 Z 3 ASVG, sondern um vorläufige Zahlungen im Sinn des § 89 Abs 2 ASGG gehandelt hat. Gemäß § 89 Abs 2 ASGG kann das Gericht, wenn sich in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1, 6 oder 8, in der das Klagebegehren auf eine Geldleistung gerichtet und dem Grund und der Höhe nach bestritten ist, ergibt, dass das Klagebegehren in einer zahlenmäßig noch nicht bestimmten Höhe gerechtfertigt ist, die Rechtsstreitigkeit dadurch erledigen, dass es das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkennt und dem Versicherungsträger aufträgt, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen; deren Ausmaß hat das Gericht unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen. Hat das Sozialgericht eine Rechtsstreitigkeit in der beschriebenen Weise erledigt, dann ist der Versicherungsträger kraft Gesetzes verpflichtet, die endgültige Höhe der Leistung mit Bescheid festzustellen (SSV-NF 4/116). Wird dabei die dem Kläger zustehende Leistung rechtskräftig in einer geringeren Höhe festgesetzt, als die vorläufig festgesetzte, so gilt für seine Pflicht zur Rückzahlung des Mehrbetrages der § 91 Abs 2 bis 5 ASGG sinngemäß (§ 89 Abs 2 letzter Satz ASGG). Nach § 78 ASGG werden Zahlungen, die der Versicherungsträger unter anderem nach § 89 Abs 2 ASGG erbracht hat, auf die von ihm in diesem Zusammenhang zu erbringenden Versicherungsleistungen angerechnet, sobald diese der Höhe nach endgültig festgesetzt sind; dies gilt vorbehaltlich des § 89 Abs 2 letzter Satz und des § 91 Abs 2 bis 5 ASGG. Nach § 91 Abs 2 ASGG hat der Versicherte die vom Gericht zugesprochene Leistung nur dann rückzuerstatten, wenn er sie erschlichen hat.

Das Gericht hat daher in den oben angeführten Rechtsstreitigkeiten, wenn das Klagebegehren in einer noch nicht bestimmten Höhe gerechtfertigt ist, das Klagebegehren in seinem Urteil als dem Grunde nach zu Recht bestehend zu erkennen und gleichzeitig der beklagten Partei aufzutragen, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen. Dabei wird es sich - wie auch der vorliegende Fall zeigt - als zweckmäßig erweisen, die Höhe dieser vorläufigen Zahlung mit den Parteien, insbesondere mit der beklagten Partei, in der Verhandlung zu erörtern (vgl Kuderna, ASGG² Anm 7 u § 89). Die vorläufige Zahlung gemäß § 89 Abs 2 ASGG, die sich an der Höhe der endgültigen Leistung zu orientieren hat, ohne dass eine genaue Berechnung erforderlich ist (§ 273 ZPO), stellt ein vorläufiges Surrogat für die ansonst vom Gericht ziffernmäßig zu ermittelnde Pensionsleistung dar. Es handelt sich um die dem Grunde nach zuerkannte Leistung, die bloß der Höhe nach vorerst nur annäherungsweise zu ermitteln ist. Dem Kläger soll bis zur Festsetzung der genauen Höhe der Leistung eine provisorische Leistung in Form eines schätzungsweise ermittelten Betrages zufließen (SSV-NF 3/58 ua).

Den Bestimmungen über vorläufige Zahlungen im ASGG liegt ganz allgemein die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, dass dadurch während der Dauer eines beim Arbeits- und Sozialgericht über eine Sozialrechtssache anhängigen Verfahrens oder während eines bestimmten Verfahrensabschnittes die Existenz des Versicherten und dessen Bedürfnisse gesichert werden sollen. Der Versicherte soll durch die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens oder durch dessen Dauer keinen Nachteil erleiden. Auf diese Weise soll sein Unterhalt, dem die Versicherungsleistung zumindest überwiegend dient, gewährleistet werden. Eine Rückzahlung ist daher nur in besonderen Ausnahmefällen vorgesehen, nämlich wenn der Versicherte die Leistung erschlichen hat (§ 91 Abs 2 ASGG). Dieser großzügigen Regelung über die Rückerstattung liegt der Gedanke zugrunde, dass einem Versicherten mit einer für seinen Unterhalt bestimmten und aus diesem Grund gewährten Leistung nicht gedient wäre, wenn er sie wieder rückerstatten müsste, falls sich im Verfahren schließlich herausstellen sollte, dass ihm die den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildende Leistung nicht zusteht. Der Unterhaltscharakter dieser Leistungen, das Angewiesensein des Versicherten auf deren Erhalt und Verbrauch zur Sicherung seines Existenz sowie die in vielen Fällen verhältnismäßig lange Dauer des gerichtlichen Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung der einzelnen Sozialrechtssache rechtfertigen diese sozialpolitische Entscheidung des Gesetzgebers (vgl Kuderna, Vorläufige Leistungen des Versicherungsträgers nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG) in FS Schnorr [1988] 381 ff).

Die vom Versicherungsträger gemäß § 89 Abs 2 ASGG erbrachten vorläufigen Zahlungen sind gemäß § 78 ASGG auf die der Höhe nach endgültig festgesetzten Versicherungsleistungen anzurechnen. Bleibt die vorläufige Zahlung hinter der vom Versicherungsträger letztlich endgültig (rechtskräftig) festgesetzten Höhe der dem Versicherten gebührenden Leistung zurück, dann hat der Versicherungsträger die Differenz zwischen der vorläufigen Zahlung und der endgültig festgesetzten Leistung nachzuentrichten. Wird jedoch die dem Kläger endgültig zustehende Leistung rechtskräftig in einer geringeren Höhe festgesetzt als die vorläufig festgesetzte Zahlung, hat also der Versicherte - wie im vorliegenden Fall - eine zu hohe vorläufige Zahlung erhalten, ist er nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 91 Abs 2 bis 5 ASGG zur Rückzahlung des Mehrbetrages verpflichtet, also im Falle des Erschleichens der Leistung (Kuderna, ASGG² Anm 9 zu § 89; ders, Vorläufige Leistungen des Versicherungsträgers nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG) in FS Schnorr 381 ff [400]; Fasching-Klicka in Tomandl, SV-System 12. ErgLfg 762; SSV-NF 2/42 ua).

Die Regelung des § 89 Abs 2 letzter Satz ASGG steht in inhaltlichem Zusammenhang mit der Regelung des § 90 Z 2 ASGG, wonach in Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 1, 4, 6 und 8 ASGG die Revision des Versicherungsträgers die Vollstreckbarkeit nicht hemmt und der Regelung des § 91 Abs 1 ASGG, wonach der Versicherungsträger dem Versicherten die diesem vom Berufungsgericht in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1, 6 oder 8 zugesprochene Leistung grundsätzlich bis zur rechtskräftigen Beendigung der Rechtsstreitigkeit zu gewähren hat, wobei der § 89 Abs 2 ASGG anzuwenden ist und der Versicherte die zugesprochene Leistung nur dann rückzuerstatten hat, wenn er sie erschlichen hat (§ 91 Abs 2 ASGG). Nach den Gesetzesmaterialien soll mit dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung der Vollstreckbarkeit von Revisionen von Versicherungsträgern einerseits und der Einschränkung der Rückersatzpflicht der Versicherten bezüglich der ihnen aufgrund von Berufungsurteilen gewährten Leistungen andererseits im Ergebnis der im Rahmen der rechtspolitischen Zielsetzungen zugrunde liegenden Forderung nach einer möglichst raschen Durchsetzung der Ansprüche von Versicherten - unter gleichzeitiger sachgerechter Wahrung der Interessen des Versicherungsträgers - Rechnung getragen werden (vgl Kuderna, ASGG² Anm 3 zu § 90). Durch die in die Bestimmung des § 89 Abs 2 letzter Satz ASGG aufgenommene Regelung, wonach auch der Versicherte, der eine zu hohe vorläufige Zahlung erhalten hat, nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 91 Abs 2 bis 5 ASGG, also im Falle des Erschleichens der Leistung, zur Rückzahlung des Mehrbetrages verpflichtet ist, soll eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung vermieden werden (Kuderna, ASGG² Anm 9 zu § 89).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die von der Beklagten angestrebte Rückforderung des Pensionsüberbezuges durch Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 3 ASVG deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich bei den der Rückforderung zugrunde liegenden Zahlungen der Beklagten um keine „Vorschüsse" im Sinne dieser Gesetzesstelle gehandelt hat, und der Kläger, der eine zu hohe vorläufige Zahlung gemäß § 89 Abs 2 ASGG erhalten hat, gemäß § 89 Abs 2 letzter Satz ASGG iVm § 91 Abs 2 bis 5 ASGG nur im Falle des Erschleichens der Leistung zur Rückzahlung des klagsgegenständlichen Überbezuges verpflichtet wäre. Soweit der Begründung der in SSV-NF 13/39 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes auch eine andere Rechtsansicht entnommen werden kann, kann diese im Hinblick auf die dargelegten Ausführungen, insbesondere die dargestellten Erwägungen des Gesetzgebers für die Schaffung der maßgebenden Bestimmungen der §§ 89 Abs 2 letzter Satz und 91 Abs 1 bis 5 ASGG, nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Differenzierung zwischen Vorschussleistungen im Sinne der §§ 104 Abs 1 letzter Satz und 368 Abs 2 ASVG sowie vorläufigen Zahlungen im Sinn des § 89 Abs 2 ASGG erscheint aber auch sachlich gerechtfertigt. Der Gewährung von Vorschussleistungen im Sinn des § 368 Abs 2 ASVG liegt im Allgemeinen kein Bescheid zugrunde und es besteht daher insoweit auch kein durchsetzbarer Rechtsanspruch des Versicherten. Der Leistungsempfänger muss aus der Vorschussgewährung erkennen, dass ihm diese Leistung (je nach dem Ergebnis des Erhebungsverfahrens) möglicherweise nicht gebühren wird. Dies entspricht wertungsmäßig der auch im Arbeitsrecht vertretenen Auffassung, wonach bei Beträgen, die einem Arbeitnehmer unter dem Titel Vorschuss zugeflossen sind, die allfällige Rückzahlung nicht unter Berufung auf einen gutgläubigen Verbrauch verweigert werden kann. In diesem Fall darf auch der Arbeitnehmer, solange er den Vorschuss nicht wirklich ins Verdienen gebracht hat, nicht darauf vertrauen, dass ihm der betreffende Betrag endgültig in voller Höhe zusteht. Entsprechend stellt sich auch die Situation eines Versicherten im Sozialrecht dar, der eine jederzeit widerrufbare und verrechenbare Vorschussleistung erhalten hat (vgl SSV-NF 13/46; 13/119). Dem gegenüber beruhen die im Sinne des § 89 Abs 2 ASGG erbrachten vorläufigen Zahlungen auf einem urteilsmäßig zuerkannten Anspruch dem Grunde nach und es soll daher aus den bereits oben dargelegten sozialpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers für den Versicherungsträger eine Rückforderung bzw Aufrechnung dieser Leistung nur bei Vorliegen der in § 91 Abs 2 bis 5 ASGG näher umschriebenen Voraussetzungen, also insbesondere im Falle des Erschleichens der Leistung, möglich sein. Diese Einschränkung des Rückforderungsrechtes des Versicherungsträgers erscheint auch im Hinblick auf die dem Versicherungsträger offenstehende Möglichkeit, die Höhe der vom Erstgericht aufgetragenen vorläufigen Zahlung im Rechtsmittelweg zu bekämpfen, durchaus sachgerecht. Da die Voraussetzungen für eine Rückforderung nach der maßgebenden Bestimmung des § 91 Abs 2 bis 5 ASGG auch nach den Prozessbehauptungen der Beklagten unstrittig nicht vorliegen, war in Stattgebung der Revision des Klägers im Ergebnis das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.