JudikaturJustiz10ObS26/91

10ObS26/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Stefan (AG) und Peter Pulkrab (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Vandel J*****, vertreten durch Dr.Harald Szabo, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. August 1990, GZ 34 Rs 36/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.September 1989, GZ 24 Cgs 167/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Alterspension gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Der Kläger erwarb in Jugoslawien 181 Versicherungsmonate, wovon (gemeint: in der Bescheinigung des jugoslawischen Versicherungsträgers) die Zeiten vom 1.4. bis 31.7.1942 mit acht Versicherungsmonaten statt der tatsächlich verstrichenen vier Kalendermonate und zwischen 1.4.1943 bis 15.5.1945 mit 51 Versicherungsmonaten statt der tatsächlich verstrichenen 25 Kalendermonate angerechnet wurden. Nicht geklärt werden konnte die Zeit zwischen 16.5.1945 und 4.12.1946, die mit 18 Monaten und 18 Tagen und dem Vermerk "Nor efektivno" angerechnet wurden. Die übrigen jugoslawischen Versicherungszeiten liegen zwischen 10.2.1947 und 30.4.1970 (gemeint wohl: 15.11.1970). Hievon entfallen 32 Versicherungsmonate auf die Zeit vom 1.6.1958 bis zur Beendigung der Versicherung in Jugoslawien am 15.11.1970. In Österreich erwarb der Kläger in der Zeit von 1967 bis 1972 insgesamt 37 Beitragsmonate.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Kläger die Wartezeit für die begehrte Alterspension nicht erfüllt habe, weil entgegen § 236 Abs 1 Z 2 lit a (und Abs 2 Z 2) ASVG von den erworbenen Versicherungsmonaten nicht 180 innerhalb der letzten 360 Kalendermonate vor dem mit 1.6.1988 anzunehmenden Stichtag lägen und weil der Kläger auch nicht (die gemäß § 236 Abs 4 ASVG iVm Art IV Abs 4 der 40.ASVGNov erforderlichen) 204 Versicherungsmonate erworben habe, zumal die Versicherungsmonate nach dem AbkSozSi-Jugoslawien nur mit ihrer effektiven Dauer berücksichtigt werden dürften und daher von den 181 Versicherungsmonaten "zumindest" 30 abzuziehen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wobei es die Rechtsansicht des Erstgerichtes billigte.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn des Klagebegehrens abzuändern, oder die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Gericht erster Instanz die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Die Revision, in der inhaltlich nur der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache ausgeführt wird, ist nicht berechtigt.

Die Feststellungen des Erstgerichtes, von denen auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, werden in der Revision mißverstanden. Das Erstgericht hat nämlich bei den vom Kläger in Jugoslawien erworbenen, mit 151 Monaten festgestellten effektiven Versicherungszeiten ohnedies auch jene Zeiten aus dem Zeitraum vom 16.5.1945 bis 4.12.1946 berücksichtigt, die in der Bescheinigung des jugoslawischen Versicherungsträgers mit 18 Monaten und 18 Tagen ausgewiesen und mit der Bemerkung "Nor efektivno" versehen sind. Der im Ersturteil enthaltene Hinweis, daß diese Zeiten nicht geklärt werden könnten, daß dies aber aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung sei ist, wie sich aus den übrigen Teilen des Urteils ergibt, so zu verstehen, daß die Wartezeit selbst dann nicht erfüllt ist, wenn man die Zeiten - ohne entsprechende Klärung - zugunsten des Klägers als Versicherungszeiten berücksichtigt.

Nicht uneingeschränkt gefolgt werden kann den Vorinstanzen zwar darin, daß die in der Bescheinigung des jugoslawischen Versicherungsträgers mit dem doppelten Ausmaß der tatsächlichen Dauer angeführten Versicherungszeiten nur mit der tatsächlichen Dauer berücksichtigt werden können. Die Vorinstanzen stützten ihre Auffassung offensichtlich auf die Z 9 lit a des Schlußprotokolls zum AbkSozSi-Jugoslawien, wonach für die Erfüllung der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen in der österreichischen Pensionsversicherung die nach den jugoslawischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten mit ihrer tatsächlichen Dauer heranzuziehen sind. Im Art I Z 32 des Zweiten Zusatzabkommens zu dem angeführten Abkommen wurde jedoch vereinbart, daß die Bestimmung der Z 9 lit a des Schlußprotokolls zu entfallen hat. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Zweiten Zusatzabkommens (605 BlgNR 17. GP, 20) heißt es hiezu:

"Durch den Entfall der Bestimmung der lit a der Z 9 des Schlußprotokolls wird erreicht, daß die Einschränkung des Grundsatzes des Art 18 Abs 1 letzter Satz des Abkommens, nach dem sich das Ausmaß der Versicherungszeiten ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates richtet, in dessen Versicherung sie zurückgelegt wurden, beseitigt wird und daher in beiden Vertragsstaaten eine gleiche Versicherungsdauer für die Feststellung der Leistungsansprüche heranzuziehen ist."

Es unterliegt unter diesen Umständen keinem Zweifel, daß seit dem Inkrafttreten des Zweiten Zusatzabkommens am 1.7.1989 (s Siedl-Spiegel, Zwischenstaatliches Versicherungsrecht Anm 1 zu Art III des Zweiten Zusatzabkommens 23. Lfg 122) gemäß Art 18 Abs 1 letzter Satz des Stammabkommens die in der jugoslawischen Versicherung zurückgelegten Versicherungszeiten, die nach den jugoslawischen Rechtsvorschriften in einer über die tatsächliche Dauer hinausgehenden Dauer zu berücksichtigen sind, in derselben Dauer auch für die Erfüllung der Wartezeit als allgemeine Voraussetzung des Leistungsanspruchs in Österreich herangezogen werden müssen, weil eine abweichende Ausnahmeregelung nunmehr fehlt. Die zur Rechtslage vor dem Zweiten Zusatzabkommen ergangene gegenteilige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 1/19 und 3/139) ist für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Zweiten Zusatzabkommens überholt, zumal sich der Oberste Gerichtshof darin nur mit der alten Rechtslage befaßte und keinen Anlaß hatte, zur neuen Rechtslage Stellung zu nehmen, weil der Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz vor dem Inkrafttreten des Zweiten Zusatzabkommens lag. Ob gegen die nunmehr geltende Regelung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gebotes zur Gleichbehandlung österreichischer und jugoslawischer Versicherter verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, muß nicht geprüft werden, weil sie hier aus folgenden Gründen nicht präjudiziell ist:

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SSV-NF 3/134 - im übrigen ebenfalls im Zusammenhang mit der Anwendung des Zweiten Zusatzabkommens - die Ansicht vertreten, daß ein neuer Stichtag ausgelöst werde, wenn die Voraussetzungen für einen Pensionsanspruch zufolge einer Gesetzesänderung während des gerichtlichen Verfahrens vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz eintreten, und daß die Anspruchsvoraussetzungen nach diesem neuen Stichtag zu prüfen sind. Da das Zweite Zusatzabkommen noch vor dem Schluß der hier durchgeführten mündlichen Verhandlung erster Instanz, den das Erstgericht am 12.9.1989 erklärte, in Kraft trat, ist für die durch dieses Zusatzabkommen herbeigeführte Änderung der Rechtslage vom Tag des Inkrafttretens und somit vom 1.7.1989 als Stichtag auszugehen.

Selbst zu diesem Stichtag ist die Wartezeit hier aber nicht erfüllt. Da hiefür, wie schon die Vorinstanzen richtig erkannten, § 236 Abs 1 Z 2 lit a ASVG nicht in Betracht kommt, weil die im nachfolgenden Abs 2 Z 2 festgelegte Voraussetzung nicht gegeben ist, müßte der Kläger gemäß § 236 Abs 4 ASVG iVm Art IV Abs 3 der

40. ASVGNov insgesamt 192 Versicherungsmonate, hievon jedoch 180 Beitragsmonate, erworben haben. Aus der Bescheinigung des jugoslawischen Versicherungsträgers, deren Richtigkeit nicht bestritten wurde, ergibt sich aber, daß er in der jugoslawischen Pflichtversicherung nur 87 Monate und 189 Tage zurückgelegt hat. Selbst wenn man diese Versicherungszeiten nach dem § 231 ASVG in Versicherungsmonate umrechnet (vgl SSV-NF 3/137), hat er unter Berücksichtigung der in Österreich erworbenen 37 Beitragsmonate bei weitem nicht 180 Beitragsmonate erworben. Die Wartezeit ist daher weder zu dem vom Erstgericht angenommenen Stichtag 1.6.1988 noch zum Stichtag 1.7.1989 erfüllt.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (vgl SSV-NF 1/19).

Rechtssätze
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