JudikaturJustiz10ObS2021/96w

10ObS2021/96w – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmuth Prenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria M*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch die Sachwalterin Gerlinde P*****, diese vertreten durch Dr.Thomas Stampfer und Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei (richtig) Land Steiermark, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung, 8021 Graz, Bahnhofgürtel 85, diese vertreten durch Dr.Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Pflegegeldes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Dezember 1995, GZ 7 Rs 162/95-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. Juli 1995, GZ 32 Cgs 54/95w-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von Amts wegen berichtigt auf "Land Steiermark", vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung.

2. Soweit die Revision Nichtigkeit geltend macht, wird sie zurückgewiesen.

3. Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.381,12 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 563,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 29.7.1993 wurde namens der Klägerin, die in der Heil- und Pflegeanstalt für chronisch Kranke der B***** in K***** untergebracht ist, ein mit 27.7.1993 datierter Antrag auf Gewährung des Pflegegeldes bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung eingebracht. Anstelle der Unterschrift der Klägerin trug der Antrag den Vermerk: "Nicht schreibfähig." Die Bezirkshauptmannschaft sandte den Antrag der Pflegeanstalt - ohne einen befristeten Verbesserungsauftrag zu erteilen - zurück, weil mangels vollständiger Angaben eine Erledigung nicht möglich sei. Erst am 13.10.1994 wurde ein Sachwalter für die Klägerin bestellt, der die fehlenden Unterlagen (zB Staatsbürgerschaftsnachweis) beschaffte, den Antrag unterfertigte und am 20.1.1995 neuerlich bei der Bezirkshauptmannschaft einbrachte.

Die Bezirkshauptmannschaft gewährte daraufhin der Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.2.1995 ab 1.1.1995 das Pflegegeld der Stufe 2 und mit der Mitteilung vom selben Tag das Pflegegeld der Stufe 5.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren auf Zuerkennung des Pflegegeldes bereits ab 1.7.1993: Der Antrag sei bereits im Juli 1993 gestellt und am 20.1.1995 lediglich verbessert wieder vorgelegt worden.

Die beklagte Bezirkshauptmannschaft beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Klägerin vor dem 20.1.1995 keinen wirksamen Antrag gestellt habe.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren auf ein höheres Pflegegeld als das der Stufe 2 mit Beschluß mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen und im übrigen der Klägerin mit Urteil ab 1.7.1993 das Pflegegeld der Stufe 2 zuerkannt. Der Sachwalter habe lediglich ein Formgebrechen des Antrages - mangels Fristsetzung ohne Säumnis - behoben, weshalb der Antrag auf Pflegegeld bereits als im Juli 1993 eingebracht anzusehen sei.

Das Berufungsgericht verwarf mit Beschluß die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung der Beklagten und gab ihr im übrigen mit Urteil nicht Folge.

Dem Einwand der mangelnden Parteifähigkeit der beklagten Bezirkshauptmannschaft hielt das Berufungsgericht entgegen, daß im StPGG die Frage der Passivlegitimation nicht eindeutig geregelt sei. Der angefochtene Bescheid sei von der Bezirkshauptmannschaft erlassen worden und enthalte keinen Hinweis darauf, daß sich diese Behörde für eine Bescheidklage als "unzuständig" erachte. In Analogie zur Parteifähigkeit der Arbeitsämter in Verfahren nach dem IESG sei auch die Bezirkshauptmannschaft für Klagen gegen einen von ihr erlassenen Bescheid über Pflegegeld passiv legitimiert. Auch der weitere Einwand, für die Pflegegeldansprüche der Klägerin vom 1.7.1993 bis zum 31.12.1994 liege mangels bescheidmäßiger Erledigung wegen des Grundsatzes der sukzessiven Kompetenz Unzulässigkeit des Rechtswegs vor, sei unberechtigt. Die geltend gemachte Nichtigkeit liege daher nicht vor.

Schließlich versage auch die Rechtsrüge. Die ohne Sachwalter erfolgte Antragstellung der Klägerin im Juli 1993 sei keinesfalls rechtsunerheblich. Nach § 13 Abs 3 AVG führten Formgebrechen nicht zur Zurückweisung eines Antrages, sondern es sei ein befristeter Verbesserungsauftrag zu erteilen. § 11 AVG verpflichte die Behörde, die Bestellung eines Sachwalters zu veranlassen, wenn von Amts wegen oder auf Antrag gegen eine handlungsunfähige Person Amtshandlungen vorgenommen werden sollten. Da der Klägerin kein solcher Verbesserungsauftrag erteilt worden sei, müsse der vom Sachwalter wieder eingebrachte, verbesserte Antrag als ursprünglich richtig eingebracht angesehen werden, weshalb der Klägerin das Pflegegeld ab Juli 1993 zustehe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Bezirkshauptmannschaft wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

1. Zur Revision wegen Nichtigkeit:

Die Rechtsmittelwerberin macht hier neuerlich Nichtigkeit geltend, a) weil ihr als bloße Behörde die Parteifähigkeit mangle und b) weil der Rechtsweg für den Zeitraum Juli 1993 bis Dezember 1994 mangels bescheidmäßiger Erledigung unzulässig sei. Dabei wird außer acht gelassen, daß Nichtigkeitsgründe, die schon vom Berufungsgericht verneint wurden, in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden können, weil insoweit ein Beschluß des Berufungsgerichtes vorliegt, der gemäß § 519 ZPO unanfechtbar ist (Fasching ZPR Rz 1905; Kodek in Rechberger ZPO Rz 2 zu § 503 und Rz 2 zu § 519 jeweils mit Hinweisen auf die stRspr). Die wegen Nichtigkeit erhobene Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu dem Einwand, der gerügte Mangel der Parteifähigkeit schlage auch auf das Revisionsverfahren durch, hat der Senat folgendes erwogen:

Beklagter in einem Pflegegeldverfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten ist regelmäßig der jeweilige Pflegegeldträger. Dies ergibt sich in den einzelnen Landesrechten zum Teil aus ausdrücklichen Klarstellungen (vgl § 19 Abs 3 BgldPGG, § 18 Abs 3 SbgPGG, § 19 Abs 2 WrPGG) bzw aus den allgemeinen Verweisungen auf das ASGG, insbesondere auch auf dessen § 66 (siehe dazu Pfeil, BPGG Kommentar 253; Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 410). Das StPGG enthält zwar einen ausdrücklichen Verweis auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen des ASGG (§ 19 Abs 2 letzter Satz), doch nennt § 18 als Träger des Pflegegeldes sowohl das Land wie auch die Gemeinden durch die Sozialhilfeverbände und die Städte mit eigenem Statut. Dennoch muß man auch in der Steiermark eine Parteistellung des Landes im Gerichtsverfahren annehmen: Dafür spricht vor allem, daß die Regelung in § 18 StPGG offenbar nur getroffen wurde, um die Gemeinden und Statutarstädte - wie bisher - zu einem (teilweisen) Ersatz der vom Land aufgewendeten Kosten heranziehen zu können. Aus § 20 StPGG wird nun deutlich, daß die Kostenüberwälzung immer erst im nachhinein erfolgt. Gemeinden und Statutarstädte treten im Pflegegeldverfahren nach dem StPGG in der Regel gar nicht in Erscheinung. Das Land hat vielmehr vorläufig alle Kosten, und zwar auch jene für gerichtliche Verfahren zu tragen (§ 20 Abs 1). Ein derartiger "Vorrang" des Landes als Pflegegeldträger läßt sich zuletzt auch auf die Pflege-Vereinbarung (BGBl 1993/866) stützen, die lediglich eine Verpflichtung des jeweiligen Landes enthält (Pfeil, Pflegevorsorge 411 f mwN). Für die Vollziehung des StPGG sind nach § 19 Abs 1 die Bezirksverwaltungsbehörden und Städte mit eigenem Statut zuständig, weshalb an sich denkbar wäre, daraus iVm § 66 ASGG eine (Formal )Parteistellung der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde (Stadt mit eigenem Statut) abzuleiten (so Pfeil, Kommentar 254 mit dem Hinweis, daß dies offenbar der Praxis entspreche). Der Senat erachtet eine solche Konstruktion (ungeachtet der E 10 ObS 139/95 = SSV-NF 9/75, in der das vorliegende Problem nicht thematisiert wurde) als unnotwendig und teilt die - auch in der Revision vertretene - Auffassung, daß nach dem StPGG als Pflegegeldträger und damit Beklagter im Gerichtsverfahren das Land selbst in Betracht kommt, das allerdings durch die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde als Vollziehungsorgan, die auch den Bescheid erlassen hat, gemäß § 19 Abs 1 StPGG vertreten werden kann.

Im Sinne des § 235 Abs 5 ZPO kann die Parteienbezeichnung auf diejenige Person richtiggestellt werden, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise das Klagebegehren erhoben worden ist. Eine solche Berichtigung ist in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen vorzunehmen. Nach diesen Grundsätzen ist es angebracht, die Parteibezeichnung der Beklagten vom bloßen Vollziehungsorgan (Bezirkshautpmannschaft) auf den wahren Pflegegeldträger (das Land Steiermark) zu berichtigen, dies um so mehr, als der Klägerin das von der Beklagten übrigens nicht in erster Instanz, sondern erst im Rechtsmittelverfahren eingewendete Fehlen der Parteifähigkeit nicht unbedingt auffallen mußte: Der angefochtene Bescheid wurde von der Bezirkshauptmannschaft erlassen und enthielt in seiner Rechtsbelehrung keinen Hinweis darauf, wer bei Gericht zu klagen sei.

2. Zur Rechtsrüge:

Die hier neuerlich erörterte Frage der Unzulässigkeit des Rechtswegs wegen Verletzung des Grundsatzes der sukzessiven Kompetenz wurde bereits vom Berufungsgericht durch Verwerfung der Nichtigkeitsberufung abschließend beantwortet (§ 519 ZPO). Daß aber bereits im Juli 1993 ein gültiger, wenn auch verbesserungsfähiger Antrag auf Pflegegeld gestellt wurde, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt, so daß auf dessen Rechtsausführungen verwiesen werden kann (§ 48 ASGG). Nach § 7 Abs 1 StPGG gebührt das Pflegegeld mit Beginn des Monats, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt sind, frühestens aber mit Beginn des Monats, in dem der Antrag gestellt wurde. Daraus folgt, daß der Gewährung des Pflegegeldes ab 1.7.1993 kein Rechtsirrtum anhaftet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Rechtssätze
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