JudikaturJustiz10ObS195/88

10ObS195/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann (Arbeitgeber) und Karl Klein (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rudolf S***, Pensionist, 1130 Wien, Lainzerstraße 119, vertreten durch Dr.Klaus Braunegg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ruhens einer Alterspension und Rückforderung eines Überbezuges (im Revisionsverfahren nur mehr wegen dieser Rückforderung) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.April 1988, GZ 33 Rs 70/88-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15.Dezember 1987, GZ 16 Cgs 1125/87-7, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 2.829,75 S (darin enthalten 257,25 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 13.August 1987 stellte die beklagte Partei unter anderem fest, daß ab 1.Jänner 1985 (bis 31.Dezember 1985) von der monatlich 14.123,70 S betragenden Alterspension des Klägers monatlich 5.609 S nach § 94 ASVG ruhen und dadurch ein Überbezug von 76.169,80 S entstanden ist. Dieser wurde zum Rückersatz vorgeschrieben und in monatlichen Raten von 2.000 S von der laufenden Leistung in Abzug gebracht.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage behauptete der Kläger, die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb von 1,247.641 S dürften nicht angerechnet werden, weil er Kommanditist sei. Er begehrte daher, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, von der Rückforderung des festgestellten Überbezuges Abstand zu nehmen. Die beklagte Partei, die ebenso wie das Erstgericht erkannte, daß sich die Klage nicht nur gegen die Rückforderung, sondern auch gegen die Feststellung des teilweisen Ruhens der Pension richtet, beantragte, die Klage abzuweisen und dem Kläger den Rückersatz von 76.169,80 S binnen 14 Tagen aufzuerlegen. Der Kläger habe am 18. Juli 1985 bekanntgegeben, daß sein monatliches Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit 1985 null betragen werde. Aus einem Steuerbescheid vom 24.Juni 1987 ergäben sich jedoch (für das Jahr 1985) Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb von 1,247.641 S. Das Erstgericht sprach aus, daß "1. die dem Kläger von der Beklagten im Jahre 1985 ausbezahlte Pension in Höhe von 14.123,07 S (richtig 14.123,70 S) vom 1.1.1985 bis 18.7.1985 ungeschmälert ohne Anwendung der Ruhensbestimmungen des § 94 ASVG gebührt, die vom 19.7.1985 bis 31.12.1985 ausbezahlte Pension mit einem monatlichen Betrag von je 5.609 S ruht und daß 2. der Überbezug für den unter

1. genannten Zeitraum vom 19.7. bis 31.12.1985 34.399,25 S beträgt."

Nach den wesentlichen Feststellungen gründete der Kläger mit seiner Ehegattin 1984 die "S*** B*** H***

Gertrude S*** Gesellschaft mbH Co KG" und die Straßenbaugesellschaft "W. S*** Co Rudolf S***

Gesellschaft mbH Co KG", wobei er jeweils allein Geschäftsführer der Komplementärgesellschaften war. Am 18.Juli 1985 erklärte er der beklagten Partei, daß sein monatliches Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Jahre 1985 voraussichtlich null betragen werde. Nach dem am 24.Juni 1987 erlassenen Einkommensteuerbescheid für 1984 und 1985 erzielte er 1984 aus Gewerbebetrieb Verluste von 496.848 S, während seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1985 1,247.641 S ausmachten.

Daraus schloß das Erstgericht, daß dem Kläger erst ab Mitte 1985 bekannt gewesen sein mußte, daß wegen der verbesserten wirtschaftlichen Lage der Unternehmen mit der Erzielung von für das Ruhen seiner Pension nicht unerheblichen Gewinnen gerechnet werden könne. Daher seien die Ruhendstellung der Pension und die Rückforderung des Überbezuges nur für die Zeit vom 19.Juli bis 31. Dezember 1985 gerechtfertigt.

Dieses Urteil blieb vom Kläger unangefochten, während es von der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung insoweit mit Berufung bekämpft wurde, als ein Ruhen der Pension erst ab 19. Juli 1985 ausgesprochen und daher nicht weitere 41.770,55 S als Überbezug festgestellt und dem Kläger nicht der Rückersatz des (gesamten) Überbezuges auferlegt wurde. Die Berufungswerberin beantragte, das angefochtene Urteil durch gänzliche Abweisung der Klage und durch Auferlegung des gesamten Überbezuges, allenfalls eines solchen vom 34.399,25 S (richtig 34.820,70 S) binnen vier Wochen abzuändern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es zu lauten hat:

"Die dem Kläger im Jahre 1985 monatlich gewährte Alterspension ruht jeweils mit einem monatlichen Betrag von 5.609 S. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger gegenüber von der Rückforderung des in der Zeit vom 1.1. bis 18.7.1985 entstandenen Pensionsüberbezuges im Betrag von 41.770,65 S - (richtig 41.770,55 S) - abzusehen.

Hingegen ist der Kläger schuldig, der Beklagten den während der Zeit vom 19.7. bis 31.12.1985 entstandenen Pensionsüberbezug von 34.399,25 S unter Berücksichtigung bereits einbehaltener Beträge binnen vier Wochen rückzuerstatten."

Nach der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes ruhen sämtliche monatlichen Pensionsleistungen des Klägers während des Jahres 1985 jeweils mit dem Betrag von 5.609 S. Für die Frage, ob und während welcher Zeit der Kläger die Pension ungeschmälert, jedoch wegen einer Meldepflichtverletzung oder Verschweigung maßgeblicher Tatsachen schuldhaft bezogen habe, sei nur wesentlich, wann er beurteilen habe können, ob und welche Einkünfte er aus selbständiger Erwerbstätigkeit während des Wirtschafts- bzw Kalenderjahres erzielt habe. Die Argumentation des Erstgerichtes, der Kläger hätte bereits am 18.Juli 1985 wissen müssen, daß er in diesem Jahr aus seinem Unternehmen einen namhaften Gewinn erzielen werde, sei sachfremd, weil erst nach Ablauf des Kalender- oder Wirtschaftsjahres verläßlich beurteilt werden könne, ob und welche Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielt werden. Daher bestehe die befristete Meldepflicht erst nach diesem Beobachtungszeitraum mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung oder spätestens mit Erhalt des diesen Zeitraum betreffenden rechtskräftigen Steuerbescheides. Deshalb knüpften sich an die rückblickend unrichtige Einkunftsprognose des Klägers vom 18.Juli 1985 für das ganze Jahr 1985 keinerlei Rechtsfolgen. Diese Auskunft könne nicht als bewußt unwahre Angabe oder als Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinn des § 107 Abs 1 ASVG verstanden werden, weil der beklagten Partei auch 1985 bekannt gewesen sei, daß der Kläger versicherungspflichtig selbständig erwerbstätig war. Deshalb seien die Voraussetzungen für die Rückforderung des in der Zeit vom 19. Juli bis 31.Dezember 1985 infolge des Ruhens entstandenen Pensionsüberbezuges nicht gegeben. Da aber der das Ruhen und die Höhe des Pensionsüberbezuges feststellende und damit das Klagebegehren abweisende Teil des erstgerichtlichen Urteils vom Kläger nicht angefochten worden sei, sei vom rückforderbaren Pensionsüberbezug von 34.399,25 S auszugehen. Es fehle aber jeder Rechtsgrund, den Kläger zu verpflichten, auch die während der Zeit vom 1.Jänner bis 18.Juli 1985 vom Ruhen erfaßten Pensionsteile an die beklagte Partei rückzuerstatten. Die Berufung sei daher nur soweit berechtigt, als es das Erstgericht unterlassen habe, das Ruhen der Pension für die Zeit vom 1.Jänner bis 18.Juli 1985 festzustellen und den Kläger zu verpflichten, den Überbezug von 34.399,25 S unter Berücksichtigung der bereits aufrechnungsweise einbehaltenen Beträge nach § 89 Abs 4 ASGG binnen vier Wochen rückzuerstatten.

Gegen den der Berufung nicht Folge gebenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, "die Berufungsentscheidung aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, der klagenden Partei aufzuerlegen, den Überbezug von 76.169,80 S, in eventu von 34.820,70 S binnen vier Wochen bei sonstiger Zwangsfolge zurückzuerstatten bzw die Aufrechnungsberechtigung der beklagten Anstalt im Sinne des § 103 ASVG auszusprechen".

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 2 Z 2 ASGG zulässig, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld 30.000 S übersteigt; sie ist aber nicht berechtigt. Im Revisionsverfahren geht es nur mehr darum, ob der Kläger auch den vom 1.Jänner bis 18.Juli 1985 entstandenen Überbezug an Alterspension durch bewußt unwahre Angaben, bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften herbeigeführt hat.

Dazu hat das Erstgericht festgestellt, daß dem Kläger erst ab Mitte 1985 bekannt war, daß wegen der verbesserten wirtschaftlichen Lage der Unternehmen mit der Erzielung von für das Ruhen seiner Pension nicht unerheblichen Gewinnen gerechnet werden könne. Im Hinblick auf diese Feststellung könnte dem Kläger höchstens vorgeworfen werden, den ab August 1985 entstandenen Überbezug an Alterspension durch bewußt unwahre Angaben, bewußtes Verschweigen maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften herbeigeführt zu haben. Diesbezüglich wurde der Kläger vom Berufungsgericht ohnehin schuldig erkannt, der beklagten Partei den während der Zeit vom 19.Juli bis 31.Dezember 1985 entstandenen Pensionsüberbezug rückzuerstatten.

Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt schließt es jedoch aus, auch den durch das teilweise Ruhen der Alterspension bewirkten Überbezug für die Zeit von Jänner bis Juli 1985 auf bewußt unwahre Angaben, bewußtes Verschweigen maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften durch den Kläger zurückzuführen oder anzunehmen, daß dieser im ersten Halbjahr 1985 erkennen hätte müssen, daß ihm die Alterspension wegen eines Ruhenstatbestandes nicht in der erbrachten Höhe gebührte.

Die größtenteils nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehende Rechtsrüge erweist sich daher schon deshalb als nicht berechtigt, so daß der angefochtene Teil der Berufungsentscheidung ohne näheres Eingehen auf die in der Revision bekämpften weiteren rechtlichen Ausführungen der zweiten Instanz zu bestätigen war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG (Revisionsinteresse 41.770,55 S).