JudikaturJustiz10ObS175/06t

10ObS175/06t – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Ploteny (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gertrude G*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH, Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 2006, GZ 8 Rs 80/06f-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Jänner 2006, GZ 21 Cgs 132/05t-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 8. 6. 1944 geborene Klägerin hat in Österreich und im Vereinigten Königreich Versicherungszeiten erworben. Von 6. 4. 1960 bis 5. 6. 1960 erwarb sie neun Versicherungswochen im Vereinigten Königreich. Von August 1960 bis Oktober 1963 erwarb sie 25 Beitragsmonate nach dem ASVG.

Im Jahr 1963 zog sie in das Vereinigte Königreich und erwarb dort im Zeitraum von 9. 2. 1963 bis 9. 3. 1972 326 Versicherungswochen. Am 4. 1. 1972 und am 22. 2. 1975 gebar sie im Vereinigten Königreich ihre beiden Kinder Lisa-Jane und David Jason G*****. Im Dezember 1981 sowie im Jänner 1982 erwarb sie zwei Beitragsmonate nach dem ASVG.

Sodann war die Klägerin von 4. 6. 1982 bis 4. 5. 1997 nahezu durchgehend im Vereinigten Königreich beschäftigt und erwarb 771 Versicherungswochen.

Im Jahr 1997 verlegte die Klägerin ihren ständigen Wohnsitz nach Österreich, wo sie seit ihrem Umzug ins Vereinigte Königreich lediglich einen Nebenwohnsitz hatte.

An Versicherungszeiten erwarb sie in weiterer Folge von April 1997 bis inklusive Mai 1998 14 Beitragsmonate nach dem BSVG, von 4. 6. 1998 bis 4. 5. 1999 acht Versicherungswochen im Vereinigten Königreich, von Juni 1998 bis einschließlich April 2003 59 Beitragsmonate nach dem ASVG, von Mai 2003 bis inklusive Dezember 2003 acht Beitragsmonate nach dem BSVG und schließlich im April und Mai 2004 zwei Beitragsmonate nach dem ASVG.

In der Zeit von 1963 bis April 1997, als die Klägerin im Vereinigten Königreich wohnhaft war, verbrachte sie jedes Jahr ungefähr drei Monate in Österreich, um ihrem Bruder auf dessen Bauernhof bei der Arbeit behilflich zu sein, wobei sie von diesem bis auf die Monate Dezember 1981 und Jänner 1982 niemals angemeldet wurde. In den Jahren 1995 bis 1997 hielt sich die Klägerin sogar länger als drei Monate pro Jahr in Österreich auf, da sie zu dieser Zeit auch ihre in Österreich lebende kranke Mutter pflegte.

Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin (sie war dies auch in der Zeit der Erziehung ihrer Kinder); sie besaß nie die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs.

Mit Bescheid vom 2. 5. 2005 anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch der Klägerin auf Alterspension ab 1. 7. 2004 in der Höhe von monatlich EUR 315,50 zuzüglich Höherversicherung von monatlich EUR 7,93, insgesamt EUR 323,43. Bei der Berechnung der Pension berücksichtigte die beklagte Partei 110 österreichische Versicherungsmonate, davon 110 Beitragsmonate, sowie 261 ausländische Versicherungsmonate, davon 247 Beitragsmonate. Die Zeiten der Kindererziehung für Lisa-Jane G*****, geboren am 4. 1. 1972, und David Jason G*****, geboren am 22. 2. 1975, berücksichtigte die beklagte Partei nicht als Versicherungszeiten.

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer höheren als der zuerkannten Alterspension mit der Begründung, dass die Kindererziehungszeiten für die beiden Kinder von der beklagten Partei als Ersatzzeiten angerechnet werden müssten. Die Frage, ob die englischen Kindererziehungszeiten als Versicherungszeiten gleichgestellte Zeiten zu qualifizieren seien, sei nach österreichischem Recht zu beurteilen; die Zeiten seien genau so zu berücksichtigen als wären sie in Österreich zurückgelegt worden. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts sei die österreichische Rechtslage unbeachtlich.

Die beklagte Partei wendet im Wesentlichen ein, dass die Klägerin zwar zunächst in Österreich beschäftigt gewesen sei, jedoch sowohl den Wohn- als auch den Beschäftigungsort in das Vereinigte Königreich verlegt habe, wo sie die Kinder zur Welt gebracht habe. Mit Aufnahme einer Beschäftigung im Vereinigten Königreich sei für sie englisches Recht anwendbar geworden, und zwar auch in Bezug auf die Kindererziehungszeiten. Da die Klägerin das Naheverhältnis zum österreichischen Sozialversicherungsnetz aufgelöst habe, sei sie in den fraglichen Zeiträumen der Kindererziehung der englischen Rechtsordnung unterlegen. Somit obliege die Entscheidung, wie diese Zeiten zu qualifizieren seien, dem englischen Sozialversicherungsträger. Da dieser die Zeiten nicht berücksichtigt habe, sei auch ihre Berücksichtigung in der österreichischen Pensionsversicherung nicht möglich.

Das Erstgericht hat den Inhalt des Bescheides vom 2. 5. 2005 wiederholt und das Mehrbegehren auf Zahlung einer höheren Alterspension abgewiesen. Aufgrund der anzuwendenden Fassung des § 227a ASVG seien die Kindererziehungszeiten nicht als Versicherungszeiten anzuerkennen. Auch nach dem auf die Kindererziehungszeiten anzuwendenden englischen Recht seien diese Zeiten nicht als Versicherungszeiten anzusehen, da dort eine dem § 227a ASVG vergleichbare Regelung fehle. Käme die Klägerin in den Genuss der Beurteilung ihrer Kindererziehungszeiten nach österreichischem Recht, wäre sie insofern bevorzugt, als sie zum einen aufgrund ihrer Beschäftigung und ihrem Wohnort in England sämtliche Vorteile des englischen Sozialversicherungsrechts und andererseits auch die Vorteile des österreichischen Sozialversicherungsrechts nutzen könnte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die strittige Frage, ob die von ihr im Vereinigten Königreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten als österreichische Versicherungszeiten anzuerkennen seien und daher den Pensionsanspruch erhöhen, sei vom Erstgericht zutreffend verneint worden. Die - vor allem durch Art 44 ff der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 vorgenommene - Koordinierung des Rentenrechts (Pensionsrechts) der Mitgliedsstaaten bezwecke den Ausgleich möglicher sozialrechtlicher Nachteile, die durch die Wahrnehmung der Freizügigkeit entstehen. In diesem Sinne dürfe beispielsweise ein Wanderarbeitnehmer nicht in eine ungünstigere sozialrechtliche Lage kommen als wenn er stets nur in einem Mitgliedsstaat gearbeitet hätte. Die Koordinierung lasse aber die Leistungs- und Einstandspflicht der einzelnen Mitgliedsstaaten bestehen; sie würde nur „europäisiert".

Für den vorliegenden Fall finde sich die kollisionsrechtliche Grundnorm in Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71. Demnach unterlägen Personen, für die die Verordnung gelte, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates. Dies sei nicht leistungs-, sondern zeitbezogen zu verstehen.

Im vorliegenden Fall habe die Klägerin dadurch, dass sie ihren Wohnsitz in das Vereinigte Königreich verlegt und dort (zunächst bis 9. 3. 1972) eine Beschäftigung aufgenommen habe, ihr Naheverhältnis zum österreichischen Sozialversicherungssystem gelöst. Insbesondere sei die Geburt des ersten Kindes in die englischen Versicherungswochen gefallen. Danach habe sie ihren Hauptwohnsitz in England beibehalten. Daraus folge, dass die Zeiten (bis einschließlich Februar 1979), die die Klägerin nun als Kindererziehungszeiten nach österreichischem Recht geltend machen möchte, nach Art 13 Abs 2 lit a und f der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 dem englischen Sozialversicherungsrecht unterlägen, in dem die Kindererziehungszeiten allerdings keine Versicherungszeiten darstellten. Diese Zeiten seien daher nicht von Art 94 Abs 2 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 erfasst, der auf Versicherungszeiten abstelle. Der Umstand, dass die Klägerin weiterhin einen „Nebenwohnsitz" in Österreich gehabt habe und dass sie drei Monate im Jahr ihrem Bruder in der Landwirtschaft behilflich gewesen sei, ohne dabei Beitragszeiten erworben zu haben, stelle keinen ausreichenden Bezug zum österreichischen Sozialversicherungsrecht her. Zutreffend habe das Erstgericht auch die Unterschiede des vorliegenden Falles zur EuGH-Entscheidung Kauer, Rs C-28/00, aufgezeigt. Die dortige Klägerin habe lediglich ihren Wohnsitz nach Belgien verlegt, dort aber nie eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, sodass weiterhin österreichisches Sozialversicherungsrecht anzuwenden gewesen sei. Zusammenfassend seien die Zeiten der Kindererziehung der beiden Kinder im österreichischen Sozialversicherungsrecht weder als österreichische Zeiten zu berücksichtigen noch als englische, da sie von dem hiefür allein zuständigen englischen Sozialversicherungsträger nicht als solche anerkannt worden seien. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der gemeinschaftsrechtlichen Auslegung der Bestimmung des § 227a ASVG noch keine gefestigte Judikatur bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Klägerin gesteht in der Revision als richtig zu, dass die Kindererziehungszeiten vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gelegen seien und dass Zeiten der Kindererziehung nach dem englischen Sozialversicherungsrecht keine Versicherungszeiten darstellen. Allerdings widerspricht ihres Erachtens die von den Vorinstanzen herangezogene Bestimmung des § 227a Abs 3 Satz 2 ASVG dem Art 43 EG sowie dem Art 94 Abs 2 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71; die genannte Bestimmung sei nämlich geeignet, Personen zu benachteiligen, die „von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen". Weiters missachte das Berufungsurteil das Urteil des EuGH in der Rechtssache Kauer. Da die Anerkennung von beitragsfreien Ersatzzeiten (wie eben Zeiten der Kindererziehung) grundsätzlich eine vorangehende oder eine nachfolgende Beitragszeit im Inland verlange, könne es nicht darauf ankommen, wo eine Versicherte Kindererziehungszeiten erbracht habe. Entscheidend sei allein, dass es sich dabei - wären sie in Österreich erbracht worden - um Ersatzzeiten handle, und zwar deshalb, weil die Klägerin jedenfalls vor und nach der Kindererziehung in Österreich gearbeitet habe und sie daher einen Pensionsanspruch habe. Das Abstellen darauf, wo die Kinderziehung überwiegend erbracht worden sei, sei nicht gerechtfertigt, da die Klägerin während dieser Zeit stets einen Nebenwohnsitz in Österreich gehabt und während dieser Zeit jährlich auch drei Monate am Bauernhof ihres Bruders mitgeholfen habe. Aus diesem Grund liege jedenfalls auch ein rechtfertigendes Naheverhältnis iSd Art 13 Abs 2 lit f der VO 1408/71 vor, da sich bei einer Gewichtung sämtlicher Versicherungszeiten ergeben würde, dass „die Klägerin im fraglichen Zeitraum mehr in Österreich als in England gearbeitet" habe. Überdies sei die Regelung (gemeint offenbar das Erfordernis der Kinderbetreuung im Inland) gleichheitswidrig, „da die im Inland zurückgelegten Erziehungszeiten durch die Klägerin ohne weiteres angerechnet würden, hingegen die Anrechnung jener in England zurückgelegten Erziehungszeiten jedoch vom Anspruch auf Geldleistung aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft in England abhängig gemacht" werde. Eine solche Regelung sei „geeignet, diejenigen Gemeinschaftsbürger zu benachteiligen, die in Österreich gewohnt und gearbeitet haben und in weiter Folge von ihrem Recht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt in den Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht" hätten. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts seien die in § 227a Abs 3 Satz 2 ASVG vorgesehenen Erfordernisse als unbeachtlich zu werten; die englischen Kindererziehungszeiten der Klägerin seien als Ersatzzeiten zu berücksichtigen.

Diese Ausführungen überzeugen nicht. Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass die von der Klägerin im Vereinigten Königreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten vom österreichischen Versicherungsträger nicht anzurechnen sind und daher den Alterspensionsanspruch der Klägerin gegenüber der beklagten Partei nicht erhöhen, zutreffend ist, genügt es hierauf zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ergänzend ist auszuführen:

Es trifft zwar zu, dass der EuGH in seinem Urteil vom 7. 2. 2002, Rs C-28/00, Kauer, Slg 2002, I-01343 = ZESAR 2003, 327, Windisch-Graetz (siehe dazu auch Friedrich, Kindererziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat und die VO (EWG) 1408/71, ASoK 2002, 117), ausgesprochen hat, dass bei der Bestimmung gegenwärtiger Leistungsansprüche auch auf Sachverhalte - im konkreten Fall Zeiten der Kindererziehung - Bedacht zu nehmen ist, die zeitlich vor der Anwendbarkeit der Verordnung (EWG) 1408/71 liegen. Darauf kommt es im vorliegenden Fall allerdings nicht an.

Der Oberste Gerichtshof hat sich zuletzt in der Entscheidung 10 ObS 55/05v = EvBl 2006/91 = RdW 2006, 586 eingehend mit der Frage der Berücksichtigung von in einem anderen EWR-Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten befasst. Demnach gebietet das Gemeinschaftsrecht keine automatische Gleichstellung von in einem anderen EWR-Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten mit solchen, die im Inland erbracht wurden. Der Gebrauch der Freizügigkeit darf nicht mit Rechtsverlusten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit einhergehen; eine Besserstellung von Personen, die die Freizügigkeit wahrgenommen haben, ist aber auf der anderen Seite nicht erforderlich (siehe Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 106).

Auch der schon zitierten Entscheidung des EuGH C-28/00, Kauer, kann nicht die Aussage entnommen werden, dass aufgrund der Vorschriften zur Personenverkehrsfreiheit Kindererziehungszeiten stets gleichzustellen seien, ob sie nun im Inland oder in einem anderen EWR-Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind. Nur wenn nach dem aufgrund Art 13 VO (EWG) 1408/71 anzuwendenden Recht Kindererziehungszeiten tatsächlich als Versicherungs- bzw Ersatzzeiten gelten, sind sie im Rahmen des Art 45 VO (EWG) 1408/71 von den anderen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Maßgebend für das ob und den Umfang der Berücksichtigung mitgliedstaatlicher Zeiten ist daher das Pensionsrecht des Mitgliedstaates, unter dessen Geltung die Zeiten zurückgelegt wurden. Hieraus folgt, dass fremdmitgliedstaatliche Kindererziehungszeiten im Rahmen des Art 45 Abs 1 VO (EWG) 1408/71 nur dann berücksichtigt werden können, wenn diese Zeiten nach dem jeweiligen fremden Pensionsrecht als Versicherungszeiten ausgestaltet sind (vgl Schuler in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 350).

Die Frage, welcher Staat für die in Betracht kommende Person der zuständige Staat nach Art 1 lit q der Verordnung (EWG) 1408/71 ist, ist nach den „Anzuwendenden Rechtsvorschriften" nach Art 13 - 17a der Verordnung zu beantworten. Danach gilt zunächst das Erwerbstätigkeitsprinzip, dh jener Mitgliedstaat ist der zuständige, in dem eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (Art 13 Abs 2 lit a und b der Verordnung). In Bezug auf Kindererziehungszeiten hat der EuGH in seinem Urteil vom 11. 6. 1998, Rs C-275/96, Kuusijärvi, Slg 1998, I-3419, für den Fall einer vorübergehenden Unterbrechung der Erwerbskarriere während der Kindererziehung festgelegt, dass nach der in Art 13 Abs 2 lit f der Verordnung vorgesehenen subsidiären Zuständigkeitsregel der Wohnortstaat der zuständige Staat ist (näher Spiegel, Kindererziehung in einem anderen Mitgliedstaat, FS Bauer/Maier/Petrag [2004] 363 [370 f]).

Damit ist aber für den Prozessstandpunkt der Klägerin nichts gewonnen, da sie in den fraglichen Zeiten der Kindererziehung (also von 1972 bis 1979, ginge man entsprechend ihrer Ansicht von einer Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach dem österreichischen materiellen Sozialversicherungsrecht aus) ausschließlich englische Versicherungszeiten erworben hat und sie in dieser Zeit auch ihren Wohnort im Vereinigten Königreich hatte. Art 1 lit h der VO (EWG) 1408/71 bestimmt als „Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts. Durch diese Definition wird der Wohnort vom „Aufenthalt" grundsätzlich unterschieden, den Art 1 lit i der Verordnung als den „vorübergehenden Aufenthalt" definiert. Der Wohnort als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts befindet sich stets an demjenigen Ort, an welchem eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensführung bzw Lebensinteressen hat (10 ObS 65/06s mwN).

Unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Klägerin im maßgebenden Zeitraum (1972 bis 1979) ihren Lebensmittelpunkt im Vereinigten Königreich hatte, wo sie beruflich tätig war und ihre beiden Kinder geboren und aufgezogen hat.

Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin während der Zeit der Kinderbetreuung stets einen „Nebenwohnsitz" in Österreich hatte und während dieser Zeit jährlich auch ungefähr 3 Monate am Bauernhof ihres Bruders mitgeholfen hat, kann nicht auf eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes nach Österreich geschlossen werden. Die Klägerin verlegte nach den Feststellungen erst im Jahr 1997 ihren ständigen Wohnsitz nach Österreich. Daraus folgt, dass Österreich weder als Beschäftigungs- noch als Wohnortstaat für die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten der Klägerin leistungszuständig ist. Darauf, dass vorher und nachher (in beträchtlichem zeitlichen Abstand) auch österreichische Beitragszeiten erworben wurden, kommt es nicht an.

Im Hinblick auf die zutreffende Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz muss der Revision ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Rechtssätze
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