JudikaturJustiz10ObS132/20i

10ObS132/20i – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Januar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. DI H*, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. August 2020, GZ 8 Rs 54/20z 38, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Jänner 2020, GZ 7 Cgs 25/18g 33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben wie folgt:

Das Klagebegehren, der vom Kläger am 5. 7. 2017 erlittene Unfall werde als Dienstunfall anerkannt und die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger zur Abgeltung der Folgen des Unfalls vom 5. 7. 2017 eine Versehrtenrente in Höhe von 20 % der Vollrente ab 18. 8. 2017 zu zahlen, wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Im Revisionsverfahren ist die Frage zu beurteilen, ob der Kläger, der im Rahmen einer Dienstreise an einem Bankomaten die erste Bargeldbehebung von seinem Bankkonto nach Überweisung des Monatsentgelts vornehmen und zu diesem Zweck seine „vergessene“ Bankomatkarte aus seinem Auto holen wollte, auf diesem Weg zum Auto unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Die Vorinstanzen haben diese Frage bejaht.

[2] Der Kläger, der seinen Wohnsitz in einer Nachbargemeinde der Stadt Wien hat, ist als Soldat in einer Kaserne in Wien stationiert. Sein dienstlicher Aufgabenbereich umfasst die Inspektion von Munitionslagern. Ab Montag, 3. 7. 2017 war er auf Dienstreise und inspizierte vorerst eine Heeresmunitionsanstalt in B* im Land Salzburg. Am Mittwoch, 5. 7. 2017 nahm er in der Früh sein in B* abgestelltes Dienstfahrzeug in Betrieb und trat die Fahrt nach S* (ebenfalls im Land Salzburg) an, wo er eine weitere Dienststelle inspizieren wollte. Auf dem Weg dorthin hielt er – noch im Stadtgebiet von B* – an, stellte sein Fahrzeug ab und begab sich zu Fuß zu einer 200 bis 300 m entfernten Postfiliale. Dort beabsichtigte er, aus Gefälligkeit Briefmarken für einen Kollegen zu besorgen, der ihn darum gebeten hatte. Danach wollte er beim Bankomaten, der an der Außenfassade der Postfiliale angebracht ist, Bargeld beheben. Er benötigte das Bargeld, weil in der Cafeteria der Dienststelle in S* die Konsumation nur gegen Barzahlung möglich ist. Nachdem der Kläger die Briefmarken besorgt hatte, ging er zu dem Bankomaten. Dort stellte er fest, dass er seine Bankomatkarte im Dienstfahrzeug vergessen hatte. Um sie zu holen, überquerte er auf dem Fußgängerübergang die Straße, wurde von einem PKW erfasst und verletzt. Seit der Kläger am 30. 6.2017 sein Gehalt für Juli 2017 erhalten hatte, hatte er noch keine Barabhebung getätigt.

[3] Mit Bescheid vom 8. 1. 2018 lehnte es die beklagte Partei ab, den Vorfall vom 5. 7. 2017 als Dienstunfall gemäß § 90 B KUVG anzuerkennen und dem Kläger Leistungen gemäß § 88 B KU VG zu gewähren.

[4] Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Anerkennung des Unfalls als Dienstunfall sowie den Zuspruch einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab 18. 8. 2017. Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich brachte er vor, er habe auf seiner Dienstreise seinen direkten Weg zur nächsten Betriebsstätte kurz unterbrochen, um einen unvermeidbaren Bankweg zur Behebung von Bargeld vorzunehmen, weil er das Bargeld für seine Verpflegung an der nächsten Dienststelle benötigt habe. Da es sich um die erstmalige Behebung in der Lohnperiode gehandelt habe, bestehe Unfallversicherungsschutz auch nach § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG, weil sich der Unfall auf einem mit der unbaren Überweisung des Entgelts zusammenhängenden Weg ereignet habe.

[5] Die beklagte Partei bestritt und brachte – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – vor, dass die Unterbrechung der von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Dienstfahrt zur Vornahme privater Bankgeschäfte als Verfolgung persönlicher Interessen zu sehen sei, die der Privatsphäre zuzuordnen sei. Ein von § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG geschützter Versicherungsfall liege nicht vor.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Rechtlich ging es zusammengefasst davon aus, dass die Besorgung von Briefmarken für einen Bekannten aus Gefälligkeit und die beabsichtigte Bargeldabhebung nicht im Zusammenhang mit den dienstlichen Tätigkeiten stünden. Allein der Umstand, dass die Konsumation in der Cafeteria der Dienstelle in S* nur mit Bargeld erfolgen könne, mache den Weg zum Bankomaten nicht zu einer dienstlichen Verrichtung. Dem Kläger wäre zumutbar gewesen, das dafür benötigte Bargeld vor Antritt der Dienstreise zu beheben. Hingegen seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG erfüllt, weil feststehe, dass es sich bei der versuchten Behebung von Bargeld am 5. 7. 2017 um den ersten Weg zum Kreditinstitut nach Überweisung des Entgelts am 30. 6. 2017 gehandelt habe. Der Umstand, dass sich der Unfall ereignet habe, als der Kläger die vergessene Bankomatkarte aus seinem Fahrzeug holen habe wollen, stehe dem Versicherungsschutz nicht entgegen.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Der Weg in die Postfiliale zur Besorgung der Briefmarken sei allein im privatwirtschaftlichen Interesse des Klägers gelegen. Der Kläger habe die Fahrt zur nächsten Betriebsstätte jedoch zugleich auch zum Zweck der Behebung seines Entgelts unterbrochen. Diene der Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit sowohl den eigenwirtschaftlichen Interessen als auch der versicherten Tätigkeit, sei bedeutsam, ob sich der Weg eindeutig in zwei Teile zerlegen lasse, von denen der eine Teil der nicht versicherten und der andere Teil der versicherten Tätigkeit gedient habe. Davon ausgehend sei der Versicherungsschutz des Klägers ab dem Weg aus der Postfiliale hinaus zum Bankomaten wieder aufgelebt. Der Weg des Klägers zum Dienstfahrzeug, um daraus die vergessene Bankomatkarte zu holen, stehe in einem inneren Zusammenhang mit dem nach § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG versicherten Weg zum Geldinstitut zur Behebung des Entgelts. Die Dauer (von nur wenigen Minuten Fußweg zum geparkten Auto) und die Art der Unterbrechung (die Bankomatkarte sei für die Behebung erforderlich) ließen gerade nicht auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit (Weg zum Geldinstitut zum Zwecke der Behebung des Entgelts) schließen. Ein „Verschulden“ des Klägers, weil er die Bankomatkarte im Auto vergessen habe, sei nicht maßgeblich, weil selbst verbotswidriges Handeln des Versicherten die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht ausschließe.

[8] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung im klageabweisenden Sinn.

[9] Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

[10] Die Revision der beklagten Partei ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[11] Nach Ansicht der beklagten Partei bezwecke § 90 Abs 2 Z 7 B-KUVG nicht, sämtliche möglichen Bankwege im gesamten Bundesgebiet unter Versicherungsschutz zu stellen; vielmehr müsse der Bankweg im üblichen Lebensbereich stattfinden, abgesehen davon, dass immer nur der Weg zum örtlich nächsten Bankomaten geschützt sein könne. Darüber hinaus sei das Holen einer vergessenen Bankomatkarte allein durch private Interessen geprägt und stehe nicht in einem Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, es liege ein geschützter „gemischter Weg“ vor, auf dem sich der Unfall ereignet hat, sei unrichtig; der vom Kläger zurückgelegte Weg sei rein eigenwirtschaftlich geprägt.

[12] Die Kläger hält dem in der Revisionsbeantwortung entgegen, dass er sich auf dem Weg von einer Dienststätte zu einer anderen befunden habe und dass der Weg zur Erstbehebung des Entgelts in einem Monat vom Gesetzgeber ausdrücklich unter den Schutz der Unfallversicherung gestellt worden sei, unabhängig vom Zweck der Behebung.

[13] Dazu wurde erwogen:

[14] 1. Zur Auslegung des Dienstunfallsbegriffs nach § 90 B-KUVG

[15] 1.1 Als Dienstunfälle gelten nach der Generalklausel des § 90 Abs 1 B-KUVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignen.

[16] 1.2 Da die Voraussetzungen für eine Dienstunfallbeurteilung nach § 90 B-KUVG (im Wesentlichen) gleich wie für die Arbeitsunfallbeurteilung in der Unfallversicherung nach dem ASVG sind, können Lehre und Rechtsprechung zu den Bestimmungen des ASVG zur Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des B-KUVG herangezogen werden (RS0110598 [T2]).

[17] 2. Die Gesetzeslage zum Unfallversicherungs-schutz auf dem Bankweg

[18] 2.1 Nach § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG sind Dienstunfälle „auch Unfälle, die sich ereignen: … auf einem mit der unbaren Überweisung des Entgelts zusammenhängenden Weg von der Dienststätte oder der Wohnung zu einem Geldinstitut zum Zweck der Behebung des Entgelts und anschließend auf dem Weg zurück zur Dienststätte oder zur Wohnung“.

[19] 2.2 § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG wurde mit der 6. B KUVG-Novelle (BGBl 1976/707) eingeführt, zeitgleich mit der Einfügung einer entsprechenden Bestimmung in das ASVG (32. ASVG-Novelle, BGBl 1976/704), die sich in ihrem Wortlaut von § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG nur dadurch unterscheidet, dass statt auf die „Dienststätte“ auf die „Arbeits- oder Ausbildungsstätte“ Bezug genommen wird.

[20] 2.3 In den Gesetzesmaterialien zur 6. B KUVG Novelle (ErläutRV 285 BlgNR 14. GP 9) findet sich zu der Einfügung des § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG nur der Hinweis, dass die Änderung in direktem Zusammenhang mit der 32. ASVG-Novelle steht. In den Materialien zur Einfügung der neuen Z 8 in § 175 Abs 2 ASVG (ErläutRV 181 BlgNR 14. GP) wird darauf hingewiesen,

„daß nach den einschlägigen Bestimmungen der 28. Gehaltsgesetz-Novelle bzw. der 22. Vertrags-bedienstetengesetz-Novelle für die Bundesbediensteten die gesetzliche Verpflichtung zur unbaren Gehaltsauszahlung normiert worden ist. Da dadurch die öffentlich Bediensteten bzw. Vertragsbediensteten verpflichtet worden sind, sich ein Gehaltskonto bei einem Geldinstitut zu eröffnen, ergibt sich das Problem des Versicherungsschutzes für Unfälle, die sich auf dadurch notwendig werdenden Wegen ereignen. Im Bereich der Privatwirtschaft besteht zwar keine gesetzliche Verpflichtung zur unbaren Gehaltsauszahlung, die Eröffnung von Gehaltskonten in diesem Zusammenhang ist jedoch weit verbreitet, so daß eine ausdrückliche Regelung im Gesetz dringend erforderlich erscheint.“

[21] 3. Bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Unfallversicherungsschutz auf dem Bankweg

[22] Der Oberste Gerichtshof war bislang nur selten mit dem Unfallversicherungsschutz auf dem Bankweg befasst.

[23] 3.1 In der Entscheidung 10 ObS 400/89 (SZ 62/211 = SSV-NF 3/161) betonte der Oberste Gerichtshof, dass nur der erste Weg zum Kreditinstitut, um über das unbar überwiesene Entgelt zu verfügen (sowie allenfalls zuvor in der begründeten Annahme, das Entgelt sei bereits überwiesen, unternommene erfolglose Wege), unter Unfallversicherungsschutz stehe (RIS Justiz RS0084709). Der Arbeitnehmer sei dabei in der Lage, nach der Überweisung sein Entgelt zur Gänze zu beheben. Weitere Geldbehebungen in Teilbeträgen stünden ebenso wie Behebungen von einem Sparbuch nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Lohnempfang, weshalb sie dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen seien (RS0084710).

[24] Die Einschränkung auf den „ersten Weg“ (in diesem Sinn auch Tomandl , Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung [1977] 27) begründet der Oberste Gerichtshof mit einem Verweis auf die Gesetzesmaterialien, aus denen sich ergebe, dass der Gesetzgeber den Unfallversicherungsschutz gegenüber der bis zur 32. ASVG-Novelle geltenden Rechtslage nicht erweitern, sondern nur eine Klarstellung durch die ausdrückliche Regelung vornehmen habe wollen. Bereits das Oberlandesgericht Wien habe als seinerzeitiges Höchstgericht Unfälle auf Wegen, die zum Lohnempfang außerhalb der Arbeitsstätte unternommen worden seien, in einen ursächlichen Zusammenhang mit der die Unfallversicherung begründenden Beschäftigung gestellt (18 R 27/74 SSV 14/40 ua). In diesem Sinn sollten nur jene Wege unter Unfallversicherungsschutz stehen, die der Versicherte deshalb zu seinem Kreditinstitut unternehmen müsse, weil ihm das jeweilige Entgelt nicht bar ausgezahlt, sondern auf sein Gehaltskonto überwiesen werde.

[25] 3.2 Der Vergleich der Banküberweisung mit der früher üblichen Barauszahlung wurde auch in nachfolgenden Entscheidungen gezogen (10 ObS 2458/96k SSV-NF 11/14; 10 ObS 47/01m SSV-NF 15/35 = SZ 74/49 = ZAS 2002/20, 156 [ Wachter ]; RS0114908): Der Unfallversicherungsschutz auf Wegen, die mit der unbaren Überweisung des Entgelts zusammenhängen, sei deshalb eingeführt worden, weil das ursprünglich im Betrieb bar ausgezahlte Entgelt von den Dienstgebern – in deren Interesse (Ersparnis von wesentlichen Manipulationsarbeiten) – in zunehmendem Maß per Banküberweisung entrichtet worden sei. Der Gesetzgeber habe Vorsorge getroffen, weil sich die Dienstnehmer auf dadurch (zur Entgeltbehebung) notwendigen Bankwegen gegenüber der früheren Situation zusätzlichen Gefahren aussetzen müssten.

[26] 3.3 An der Beschränkung auf die erste Behebung bei der Bank hat der Oberste Gerichtshof auch in der Folge festgehalten: Selbst die Befürchtung des Arbeitnehmers, er könne aufgrund seiner fast gänzlichen Erblindung zu einem leichten Opfer für kriminelle Angriffe werden, wenn er einen größeren Geldbetrag mit sich führe, ändere nichts am eigenwirtschaftlichen Interesse einer Behebung in Teilbeträgen (10 ObS 70/04y SSV-NF 18/50).

[27] 3.4 Eine Ausdehnung des Unfallversicherungs-schutzes auf vergleichbare Wege hat der Oberste Gerichtshof abgelehnt, etwa auf den Weg zur Bank zum Zweck der Behebung des Arbeitslosengeldes (10 ObS 47/01m SSV NF 15/35 = SZ 74/49 = ZAS 2002/20, 156 [krit Wachter ]; nun in der Begründung teilweise überholt durch § 51 Abs 2 AlVG) oder auf den Weg zu einer Vorsprache beim Finanzamt wegen der weiteren Berücksichtigung des Alleinverdienerfreibetrags (10 ObS 2458/96k SSV-NF 11/14; näher zu den Einschränkungen des Schutzes Lux , Schutzbereiche der gesetzlichen Unfallversicherung – den Arbeitsunfällen gleichgestellte Unfälle, in Wachter/Burger (Hrsg), Aktuelle Entwicklungen im Arbeits- und Sozialrecht 2009 [2009] 191 [219]).

[28] 3.5 Die Frage des Unfallversicherungsschutzes auf dem Weg zu einer Bargeldbehebung bei einem Bankomaten wurde bisher in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs allein in der Entscheidung 10 ObS 263/03d behandelt. Der Kläger hatte am 14. 8. 2000 am Bankschalter seines Geldinstituts eine Barauszahlung von 500 ATS entgegengenommen. Ein weiterer Weg zu seinem Geldinstitut, um dort über einen Bankomaten eine weitere Geldbehebung vorzunehmen, wurde nicht als unter Unfallversicherungsschutz stehend qualifiziert, wäre es doch dem Kläger „im maßgeblichen Lohnauszahlungszeitraum … möglich gewesen, sein Entgelt bereits am 14. 8. 2000 zur Gänze zu beheben“.

[29] Das Oberlandesgericht Wien als seinerzeitiges Höchstgericht in Sozialrechtssachen konnte in der Entscheidung 31 R 283/86 (SSV 26/101) die Antwort auf die Fragen, ob ein Bankomat das in § 175 Abs 2 Z 8 ASVG erwähnte Geldinstitut ersetzt und ob nur der Weg zum nächstgelegenen Geldinstitut unter Unfallversicherungsschutz steht, mangels Relevanz für den Verfahrensausgang dahingestellt lassen.

[30] 3.6 Aus der dargestellten Rechtsprechung sind im hier interessierenden Kontext folgende Schlüsse zu ziehen:

[31] – Ausgehend von den Intentionen des Gesetzgebers legt die Rechtsprechung § 175 Abs 2 Z 8 ASVG eng aus.

[32] – Geschützt ist nur der „erste“ Weg zum eigenen Geldinstitut; in der Begründung der zuletzt genannten Entscheidung 10 ObS 263/03d wird auf die Möglichkeit hingewiesen, das Entgelt beim ersten Besuch des eigenen Geldinstituts zur Gänze zu beheben.

[33] Die Konsequenz, dass der „erste“ Weg (nach der Entgeltüberweisung) zu einem Bankomaten, unabhängig von seinem Standort und unabhängig von der betragsmäßigen Begrenzung der Behebung, unter Unfallversicherungsschutz steht, hat die Rechtsprechung bisher nicht gezogen. Diese Frage war bisher noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen.

[34] 4. Rezeption der Rechtsprechung in der Literatur

[35] 4.1 In seiner kritischen Anmerkung zur Entscheidung 10 ObS 47/01m (ZAS 2002/20, 156) befasst sich Wachter nicht unmittelbar mit dem Unfallversicherungsschutz auf dem Bankweg nach § 175 Abs 2 Z 8 ASVG, sondern mit der Reichweite des Schutzes von arbeitslosen Personen nach § 176 Abs 1 Z 8 ASVG.

[36] 4.2 Lux (Schutzbereiche der gesetzlichen Unfallversicherung 218 f) referiert die zurückliegende höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Bankweg und weist darauf hin, dass der Weg zum Geldinstitut nicht beliebig oft wiederholt werden könne.

[37] 4.3 Tomandl (SV-System [33. Erg-Lfg] 285 f [2.3.2.3.1.3.]) bewertet die von der Rechtsprechung vorgenommene Einengung auf die jeweils erste Abhebung nach erster Gehaltsanweisung positiv; dieser Auffassung entspreche es, wenn das Oberlandesgericht Wien (18 R 27/74 SSV 14/40; ähnlich Lauterbach , Unfallversicherung § 548 RVO Anm 30; Brackmann , Handbuch der Sozialversicherung, Bd III 483e f) den Arbeitnehmer für geschützt gehalten habe, der einen Unfall auf dem Weg zur weit entfernten lohnauszahlenden Stelle erlitten habe.

[38] 4.4 Tarmann-Prentner (in Sonntag [Hrsg], ASVG 11 [2020] § 175 Rz 39) weist auf den Zweck der Bestimmung sowie darauf hin, dass nur der „erste Bankweg in einer Entgeltperiode“ unbedingt erforderlich sei, weshalb sich der Versicherungsschutz nur auf diesen erstrecke und nicht auf wiederholte Teilabhebungen.

[39] 4.4 Nach R. Müller (in SV-Komm [264. Lfg] § 175 ASVG Rz 229) dürfte die Entwicklung der letzten 35 Jahren die Regelung in § 175 Abs 2 Z 8 ASVG „– mögen auch vereinzelt noch Fälle vorkommen – im Wesentlichen zu totem Recht gemacht haben“: Im Zeitalter der weit verbreiteten Verwendung von Bankomatkarten, Geldautomaten und des ausgebauten Kreditkartenwesens komme der Weg zur Bank mit der Spezifikation „zur Behebung des Arbeitsentgelts“ kaum noch vor.

[40] Im Übrigen referiert R. Müller die Rechtsprechung, wonach nur der erste Weg zum Kreditinstitut unter Unfallversicherungsschutz stehe, weil der Dienstnehmer in der Lage sei, nach der Überweisung sein Entgelt zur Gänze zu beheben. Weitere Geldbehebungen in Teilbeträgen seien dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Gleichgültig sei, ob der Weg von der Wohnung und zurück, vom Arbeitsplatz und zurück und ob er als Umweg auf dem Arbeitsweg zurückgelegt werde.

[41] 4.5 Nach der Ansicht von Puhr-Zeismann (in Poperl/Trauner/Weißenböck , ASVG-Praxiskommentar [70. Lfg 2020] § 175 ASVG Rz 238) ergebe sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 175 Abs 2 Z 8 ASVG, dass nur der erste Weg zum Kreditinstitut unter Unfallversicherungsschutz stehe, weil es dem Versicherten nach der Entgeltüberweisung möglich sei, das Entgelt zur Gänze zu beheben. Die weiteren Geldbehebungen stünden nicht mehr in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Lohnempfang. Abschließend weist die Autorin darauf hin, dass die Bestimmung im Zeitalter der Bankomatbehebungen bzw -zahlungen und des Kreditkartenwesens mehr oder weniger als totes Recht zu werten sei.

[42] 4.6 Zusammengefasst übernimmt die Literatur die einengende Interpretation der Bestimmung, wonach nur der „erste“ Weg zur Entgeltbehebung geschützt sei. Allgemein wird auf den Weg zur (eigenen) Bank abgestellt. Der Fall, dass die „erste“ Behebung bei einem Bankomaten erfolgt, wird in der sozialrechtlichen Literatur nicht unmittelbar behandelt; aus den Äußerungen von R. Müller und Puhr Zeismann („mehr oder weniger totes Recht“) lässt sich aber schließen, dass sie den Weg zu einer Bargeldbehebung bei einem Bankomaten generell (also auch bei einer ersten Behebung nach der Überweisung des Entgelts) als nicht unter Unfallversicherungsschutz stehend ansehen.

[43] 5. Die Rechtslage in Deutschland

[44] 5.1 Für Unfälle, die sich bis 31. 12. 1996 ereignet haben (§ 212 SGB VII), stand in Deutschland § 548 Abs 1 RVO in der folgenden Fassung in Geltung:

„(1) Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Als Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 gilt auch das Abheben eines Geldbetrags bei einem Geldinstitut, an das der Arbeitgeber den Lohn oder das Gehalt des Versicherten zu dessen Gunsten überweist oder zahlt, wenn der Versicherte erstmalig nach Ablauf eines Lohn- oder Gehaltszahlungszeitraums das Geldinstitut persönlich aufsucht.“

[45] 5.2 Der Unfallversicherungsschutz nach § 548 Abs 1 Satz 2 RVO war mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. 4. 1963 (BGBl I 1963 Nr 23, S 241) geschaffen worden. Ziel war eine unfallversicherungsrechtliche Gleichstellung der Beschäftigten bei barer und unbarer Lohn- und Gehaltszahlung. Der Vorgang der Barzahlung im Betrieb wurde kongruent auf Geldinstitute übertragen: An die Stelle des Ganges in die Lohnbuchhaltung bzw Firmenkasse und zurück zum Arbeitsplatz trat das erstmalige persönliche Aufsuchen des Geldinstituts nach Ablauf eines Entgeltzahlungszeitraums; aus der Übergabe der „Lohntüte“ wurde das Abheben eines Geldbetrags ( Schulz , Entscheidungsanmerkung zu BSG 2 RU 38/90, Sgb 1991, 103 [105])

[46] 5.3 Der in § 548 Abs 1 Satz 2 RVO normierte Paralleltatbestand zu § 175 Abs 2 Z 8 ASVG bzw § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG wurde bewusst nicht in das SGB VII übernommen. In den Gesetzesmaterialien wird dieser Schritt folgendermaßen begründet (BT-Drs 13/2204, 77):

„Die Vorschrift über den erweiterten Unfallversicherungsschutz beim Abheben des Lohns vom Konto des Geldinstituts (§ 548 Abs. 1 Satz 2 RVO) wird nicht übernommen. Moderne Zahlungsformen (z. B. die Möglichkeit, den Lohn auch beim Bankautomaten eines fremden Geldinstituts abzuheben; Btx; Homebanking) führen zu Differenzierungen im Versicherungsschutz, die nicht mehr einsichtig sind. Nach geltendem Recht hängt es von Zufälligkeiten ab, ob Versicherungsschutz besteht; Mißbrauch ist die Folge.“

[47] 5.4 Zu § 548 Abs 1 Satz 2 RVO hat das Bundessozialgericht entschieden, dass der Unfallversicherungsschutz zwar voraussetze, dass der Versicherte das Geldinstitut persönlich aufsuche. Es sei aber nicht erforderlich, dass er auch persönlichen Kontakt mit einem Angestellten der Bank aufnehme: Vielmehr reiche es aus, dass sich der Versicherte persönlich in oder an das Gebäude seines Geldinstituts begebe, um einen dem „Geldabheben“ entsprechenden banktechnischen Vorgang einzuleiten oder zu bewerkstelligen (2 RU 38/90 Sgb 1991, 103 [ Schulz ]). In der Entscheidung weist das Bundessozialgericht darauf hin, dass der Versicherte nach den Intentionen des Gesetzgebers beim Bankweg nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein sollte als bei barer Lohnzahlung im Betrieb.

[48] 5.5 Aufgrund des leicht abweichenden Wortlauts können aus der seinerzeitigen deutschen Rechtslage keine unmittelbaren Schlüsse für die geltende österreichische Rechtslage gezogen werden.

[49] 6. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen sind die von § 90 Abs 2 Z 7 B-KUVG für den Unfallversicherungsschutz auf einem Weg geforderten Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

[50] 6.1 Der Gesetzgeber hat sowohl die räumlichen als auch die sachlichen Voraussetzungen der Regelung eng gefasst, indem er

[51] – auf einen Weg von der Dienststätte oder der Wohnung zu einem Geldinstitut und anschließend zurück sowie

[52] – auf den Zweck der Behebung des Entgelts abstellt.

[53] 6.2 Der Wortlaut der Bestimmung erfasst den Weg zu einer Geldbehebung bei einem Bankomaten nur dann, wenn sich der Bankomat bei „einem Geldinstitut “ befindet und dort die „Behebung des Entgelts “ vorgenommen werden kann. Um eine Ausdehnung auf Wege zu Bankomaten zu erreichen, die sich nicht beim „Geldinstitut“ befinden und die in aller Regel auch keine Behebung „des Entgelts“ ermöglichen, ist eine Analogie erforderlich, die eine planwidrige Lücke voraussetzt.

[54] 6.3 Eine solche Lücke ist jedoch angesichts der der Regelung zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention nicht zu ersehen: Dem Gesetzgeber ging es darum, den Unfallversicherungsschutz bei der innerbetrieblichen Lohnauszahlung (in Form einer Barzahlung) auf den vergleichbaren Vorgang der Geldbehebung beim Geldinstitut zu übertragen, ihn aber nicht auszudehnen. In diesem Sinn wurde der Unfallversicherungsschutz auf einen engeren räumlichen Bereich beschränkt, der im Zusammenhang mit der Dienststätte oder der Wohnung steht; außerdem musste der Dienstnehmer – um eine Vergleichbarkeit mit der innerbetrieblichen Entgeltauszahlung zu wahren – in der Lage sein, nach der Überweisung beim ersten Aufsuchen der Bank das Entgelt bei der Bank (mehr oder weniger zur Gänze) zu beheben.

[55] Die Rechtsprechung ist diesem im Wesentlichen auf den Wortlaut der Norm eingeengten Verständnis – mit Zustimmung der Literatur – gefolgt; sie betont, dass mit § 175 Abs 2 Z 8 ASVG sowie § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG kein „allumfassender“ Versicherungsschutz für alle mit der bargeldlosen Überweisung des Entgelts zusammenhängenden Verrichtungen des Versicherten gewährt werden sollte, sondern dass der Versicherungsschutz – beispielsweise – auf den „ersten“ Bankweg eingeschränkt ist.

[56] 6.4 Einer Analogie steht auch entgegen, dass der gesetzlich geschützte Bankweg nicht mit dem „Bankomatweg“ vergleichbar ist. Abgesehen davon, dass die Bargeldbehebung bei „irgendeinem Bankomaten“ in aller Regel – wegen der betraglichen Begrenzung bei Bankomaten außerhalb von Bankfoyers – ein Abheben des gesamten für die Entgeltzahlungsperiode zustehenden Entgelts nicht zulässt, würden die räumlichen Grenzen des Unfallversicherungsschutzes in kaum eingrenzbarer Weise ausgedehnt. Würde die Bestimmung des § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG so gelesen, dass das Wort „Geldinstitut“ mit „Bankomat“ gleichgesetzt wird und die Wortfolge „zum Zweck der Behebung des Entgelts“ als „zum Zweck der Behebung von Entgelt“ verstanden wird, müssten die Fahrt von Wien an den Bodensee nach Bregenz, Rorschach oder Konstanz, um dort bei einem Bankomaten den üblichen Grenzbetrag von 400 EUR zu beheben, samt der Fahrt zurück nach Wien unter Unfallversicherungsschutz stehen. In den Gesetzesmaterialien zum deutschen SGB VII wird treffend darauf hingewiesen, dass moderne Zahlungsformen (wie etwa die nicht an das eigene Geldinstitut gebundene Bankomatbehebung) zu Differenzierungen im Versicherungsschutz führen können, die nicht mehr einsichtig sind.

[57] 6.5 Darüber hinaus würde eine Differenzierung danach, ob es typischerweise (wegen der Begrenzung der Höhe der Einzelbehebung) möglich ist, das Entgelt an einem Bankomaten zu beheben, den Unfallversicherungsschutz in sachlich nicht erklärbarer Weise von der Entgelthöhe, allenfalls sogar von Vereinbarungen der Zahlungsdienstleister mit ihren Kunden abhängig machen.

[58] 6.6. Nicht zu beurteilen ist hier der Weg zur gehaltskontoführenden Bank, um dort das (mehr oder minder gesamte) Entgelt nach der Überweisung bei einem bankeigenem Geldautomaten zu beheben, ohne dass Kontakt mit einer bei der Bank angestellten Person aufgenommen werden müsste.

[59] 6.7 Wie auch der vorliegende Fall augenscheinlich zeigt, kann die Bargeldbehebung bei einem Bankomaten regelmäßig nicht der „Behebung des Entgelts“ dienen (so wie früher im Lohnbüro des Arbeitgebers), sondern steht mit der Vorbereitung von eigenwirtschaftlichen Handlungen im Zusammenhang, die der Verwendung eines Teils des auf dem Gehaltskonto liegenden Entgelts dienen, wie etwa dem Einkauf von Nahrungsmitteln (zum eigenwirtschaftlichen Charakter RS0084679 [T1]), der Nahrungsaufnahme (zum eigenwirtschaftlichen Charakter 10 ObS 73/93 DRdA 1994/22, 262 [zust M. Ritzberger-Moser ] = SSV-NF 7/45 = ZAS 1995/4, 26 [ Rebhahn ]; RS0084229 [T15]) oder der Finanzierung einer (nicht berufsbedingten) Taxifahrt.

[60] 6.8. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob und inwieweit der Weg zu einer ersten Zahlung an einer Bankomatkasse nach der Entgeltüberweisung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen könnte.

[61] 7. Als Ergebnis folgt, dass der Weg zu einem Bankomaten, um dort Bargeld zu Lasten des Gehaltskontos zu beheben, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG (§ 175 Abs 2 Z 8 ASVG) steht, selbst wenn es sich um die erste Bargeldbehebung nach der Entgeltüberweisung handelt.

[62] 8. Ein Unfallversicherungsschutz des Klägers lässt sich auch nicht aus der Generalklausel des § 90 Abs 1 B KUVG (§ 175 Abs 1 ASVG) ableiten.

[63] 8.1 Dazu ist vorweg festzuhalten, dass dann, wenn sich ein Sachverhalt wegen des Fehlens eines charakteristischen Tatbestandselements nicht unter einen Sondertatbestand (hier: § 90 Abs 2 Z 7 B KUVG bzw § 175 Abs 2 Z 8 ASVG) ) subsumieren lässt, eine Subsumtion unter die Generalklausel nur bei starken Gründen in Betracht kommt, die den Mangel in Bezug auf den Sondertatbestand auszugleichen vermögen (in diese Richtung schon R. Müller , Judikaturtendenzen in der Unfallversicherung, ZAS 1989, 145 [insb 157]). Dient etwa die Bargeldbehebung beim Bankomaten dazu, eine begonnene dienstliche Tätigkeit fortsetzen zu können (etwa um ein Taxi besteigen zu können, das ein liegen gebliebenes öffentliches Verkehrsmittel auf einer Dienstreise substituiert), ist ein innerer Zusammenhang mit dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben.

[64] 8.2 Der Unfallversicherungsschutz auf einer Dienstreise hängt davon ab, ob die Betätigung, bei der sich der Unfall ereignet, wesentlich mit dem Dienstverhältnis zusammenhängt. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ist nämlich auf einer Dienstreise nicht schon deshalb ohne weiteres gegeben, weil sich der Versicherte im betrieblichen (dienstlichen) Interesse außerhalb seines Beschäftigungs- bzw Wohnortes aufhalten und bewegen muss. Der Versicherungsschutz fehlt, wenn sich der Dienstreisende rein persönlichen, für die Betriebstätigkeit nicht mehr wesentlichen und von dieser nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (10 ObS 111/90 SSV-NF 4/65; 10 ObS 316/91 SSV-NF 6/39; RS0084819). Allerdings wird bei Unfällen während einer Dienstreise ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen (dienstlichen) Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Beschäftigung im Allgemeinen eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Betriebsort (RS0084819 [T1]), weil sich der Versicherte in einer fremden Umgebung aufhält und damit gegebenenfalls gefahrbringenden Umständen ausgesetzt ist, die ihm in ihrer besonderen Eigenart an seinem Wohn- oder Dienstort nicht begegnet wären.

[65] 8.3 Dienen zurückgelegte Wege aber privaten („eigenwirtschaftlichen“) Zwecken, ist für diese Wege der Versicherungsschutz auch auf Dienstreisen – ähnlich wie bei Arbeitswegen – zu verneinen (RS0083967). Unterbricht der Versicherte den zur versicherten Tätigkeit gehörenden Weg aus privaten Gründen nicht nur geringfügig und widmet sich persönlichen Belangen (so genannten „eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten“), steht er während dieser Zeit nicht unter Versicherungsschutz (RS0084822 uva).

[66] 8.4 Dass dies auf die vom Kläger vorgenommene Unterbrechung der Fahrt zur nächsten Dienststelle, um zu Fuß ein 200 bis 300 m entferntes Postamt aufzusuchen und dort Briefmarken für einen Bekannten zu besorgen, zutrifft, bedarf keiner weiteren Erörterung; diese Unterbrechung ist nicht als bloß geringfügig zu qualifizieren, weil sie insbesondere wegen ihrer Dauer durch den privaten Zweck dominiert ist.

[67] 8.5 Auch die vom Kläger beabsichtigte Behebung von Bargeld, um die Rechnung für eine ins Auge gefasste Konsumation von Speisen und/oder Getränken in einer Cafeteria begleichen zu können, ist als Erledigung persönlicher Angelegenheiten dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Da die Nahrungsaufnahme im Allgemeinen dem privaten Lebensbereich zugerechnet wird (RS0084679), wird ein innerer Zusammenhang mit der dienstlichen Aufgabe (der Inspektion von Munitionslagern und den damit verbundenen Fahrten) auch nicht dadurch hergestellt, dass der Kläger vor hatte, das Bargeld für die Konsumation in der Cafeteria der nächsten anzufahrenden Dienststelle zu verwenden.

[68] 8.6 Bei dem Weg vom Bankomaten zurück zum Dienstfahrzeug handelt es sich demnach – im Sinne der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RS0084819) – um einen persönlichen, von der versicherten Tätigkeit und den Besonderheiten des auswärtigen Aufenthalts in B* nicht wesentlich beeinflussten Weg. Der Unfallversicherungsschutz des Klägers hätte erst dort wieder begonnen, wo der persönlich motivierte Abweg beendet war, somit bei der Fortsetzung der Fahrt mit dem Dienstfahrzeug zur nächsten Dienststelle ( Krasney in Krasney/ Burchardt/Kruschinsky/Becker/Heinz/Bieresborn , Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII [36. Lfg] § 8 Rz 178).

[69] 9. Dem weiteren Vorbringen in der Revisionsbeantwortung ist nur noch entgegenzuhalten, dass – auch unter der Annahme eines „Bankwegs“ iSd § 90 Abs 2 Z 7 B-KUVG – ein ausschließlich aus dem Grund des Vergessens privater Gegenstände zurückgelegter Weg als „Vorbereitungsweg“ von privatem Interesse geprägt ist und aus diesem Grund nicht unter Unfallversicherungsschutz steht (vgl 10 ObS 425/89, SSV-NF 3/162 zu einer in der Wohnung vergessenen Geldbörse samt Kfz-Papieren und Scheckkarte; 10 ObS 39/96 SSV-NF 10/18 zu einer im Betrieb vergessenen Geldbörse; RS0084936).

[70] 10. Zusammenfassend lässt sich ein Schutz des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung weder aus § 90 Abs 2 Z 7 B-KUVG noch aus § 90 Abs 1 B-KUVG ableiten.

[71] Der Revision der beklagten Partei ist daher dahin Folge zu geben, dass die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abgeändert werden.

[72] 11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus der Aktenlage.

Rechtssätze
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