JudikaturJustiz10ObS109/04h

10ObS109/04h – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Oedendorfer und Peter Ammer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Janaki A*****, Psychotherapeutin, *****, vertreten durch Dr. Gernot Franz Herzog, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Kostenerstattung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 2. April 2004, GZ 11 Rs 19/04z 9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits und Sozialgericht vom 25. September 2003, GZ 11 Cgs 11/03m 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I.) Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B VG (Art 140 Abs 1 B VG) an den Verfassungsgerichtshof den

Antrag,

in § 54 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl 1978/560, idF des Arbeits und Sozialrechts Änderungsgesetzes (ASRÄG) 1997, BGBl Nr 139/1997 (22. Nov zum GSVG), den zweiten Satz

als verfassungswidrig aufzuheben.

II.) Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.

Text

Begründung:

Die Klägerin war seit 1. 4. 2000 auf Grund eines Antrages auf "opting in" in der Krankenversicherung bei der beklagten Partei nach dem GSVG pflichtversichert. Mit Schreiben vom 15. 1. 2001 beendete die Klägerin diese Einbeziehung in die Krankenversicherung, sodass ihre Pflichtversicherung in der Krankenversicherung bei der beklagten Partei mit 31. 1. 2001 endete.

Mit einer Versicherungserklärung für die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG vom 3. 2. 2003 gab die Klägerin bekannt, dass sie für die Jahre 2000 bis 2002 mit ihren Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit die für sie maßgeblichen Versicherungsgrenzen überschreitet. Auf Grund dieser Erklärung und den vorliegenden Einkommenssteuerbescheiden der betreffenden Jahre wurde von der beklagten Partei für die Zeit vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2002 die Pflichtversicherung der Klägerin in der gewerblichen Krankenversicherung festgestellt.

Mit Schreiben vom 3. 2. 2003 - nach dem Inhalt des Anstaltsaktes: mit Telefax vom 6. 3. 2003 - hat die Klägerin auch für das Jahr 2003 eine dementsprechende Versicherungserklärung abgegeben, sodass sie ab dem 1. 1. 2000 bis laufend der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegt.

Mit Bescheid vom 10. 7. 2003 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Kostenvergütung der eingereichten Honorarnoten für Leistungen der ärztlichen Hilfe mit der Begründung ab, dass nach § 54 GSVG Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG frühestens mit der Erstattung der Meldung entstünden. Diese Meldung durch die Klägerin sei am 3. 2. 2003 erfolgt. Für die Zeit vom 1. 2. 2001 bis 2. 2. 2003 bestehe daher kein Leistungsanspruch, weshalb für die eingereichten Honorarnoten, die diesen Zeitraum betreffen, kein Kostenersatz zu leisten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Klage mit dem Begehren, ihrem Antrag vom 25. 2./20. 5./5. 6. 2003 auf Kostenvergütung der eingereichten Honorarnoten für Leistungen der ärztlichen Hilfe Folge zu geben und die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr die Kostenvergütung im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei Zwang zu erstatten. Die beklagte Partei stütze sich in ihrem abweislichen Bescheid zwar zutreffend auf § 54 GSVG, diese Bestimmung sei jedoch gleichheits und somit verfassungswidrig.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens aus der Begründung des angefochtenen Bescheides.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Hinweis auf die geltende Gesetzeslage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge, weil es die von der Klägerin gegen die geltende Gesetzeslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 54 zweiter Satz GSVG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die gegen die Bestimmung des § 54 zweiter Satz GSVG bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof angezeigt erscheinen lassen.

Der Senat hat erwogen:

Der mit dem ASRÄG 1997, BGBl I Nr 139/1997, (das unter Art 8 die 22. Nov zum GSVG enthält) und der 23. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, BGBl I Nr 139/1998, eingefügte, am 1. 1. 1998 in Kraft getretene (§ 273 Abs 1 Z 1 bzw § 276 Abs 1 Z 5 GSVG) § 2 Abs 1 Z 4 GSVG (mit Ausnahme des hier nicht mehr in Betracht kommenden, mit 1. 1. 2000 außer Kraft getretenen letzten Satzes) lautet wie folgt:

"§ 2 (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

...

4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommenssteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl Nr 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommenssteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen."

Mit dieser soeben zitierten Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG sollte die Einbeziehung aller selbständig Erwerbstätigen in die Sozialversicherung sichergestellt werden. Die Sozialversicherungspflicht der "neuen" Selbständigen weicht jedoch in einigen Punkten vom bisherigen Konzept der selbständigen Pflichtversicherung ab. Ein grundlegender Unterschied liegt ua darin, dass Anknüpfungspunkt für die Sozialversicherungspflicht der Gewerbetreibenden die Wirtschaftskammermitgliedschaft und damit ein berufsrechtlicher Aspekt ist. Es handelt sich dabei um ein sehr formales Element, weshalb Beginn und Ende der Pflichtversicherung leichter feststellbar sind als bei den "neuen" Selbständigen. Die Pflichtversicherung der "neuen" Selbständigen ist demgegenüber an die aus einer betrieblichen Tätigkeit erzielten Einkünfte im Sinne des EStG 1988 geknüpft, sodass das GSVG seit 1. 1. 1998 neben einer berufsbezogenen auch eine einkommensbezogene Pflichtversicherung enthält. Die jeweiligen Einkommensgrenzen spielen daher vor allem für die Sozialversicherungspflicht der "neuen" Selbständigen eine bedeutende Rolle (B. Karl, Die Unterschiede zwischen gewerblichen und "neuen" Selbständigen und die daraus resultierenden verfassungsrechtlichen Probleme, ASoK 2000, 85 ff).

Durch die 23. Nov zum GSVG, BGBl I Nr 139/1998, wurde eine eindeutige Regelung dahingehend getroffen, dass bei dem Personenkreis des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG die Erklärung bezüglich des Erreichens der Versicherungsgrenze die sofortige Pflichtversicherung in der Kranken und Pensionsversicherung nach sich zieht. So wurde in den Ausnahmetatbeständen des § 4 Abs 1 Z 5 und 6 GSVG normiert, dass die Versicherungsgrenzen für die "neuen" Selbständigen jeweils nicht für Personen gelten, die eine Erklärung im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 zweiter Satz GSVG abgegeben haben. Durch diese Regelung soll die erforderliche Rechtssicherheit bezüglich des Eintritts der Pflichtversicherung erreicht werden.

In den Erläuternden Bemerkungen zur RV 1235 BlgNR XX. GP 17 wird im Besonderen Teil dazu folgendes ausgeführt:

"Die gesetzliche Konzeption der Pflichtversicherung für "neue Selbständige" geht zum einen davon aus, dass bereits bei Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit die Pflichtversicherung beginnt (§ 6 Abs 4 Z 1 GSVG) und dies eine Meldepflicht nach § 18 nach sich zieht. Bedeutsam für das Entstehen der Pflichtversicherung ist aber überdies, ob die Versicherungsgrenze nach § 4 Abs 1 Z 5 bzw Z 6 GSVG (voraussichtlich) überschritten werden oder nicht. Wird also die Pflichtversicherung jedenfalls bereits mit dem Beginn der Erwerbstätigkeit begründet, so kann über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes nach § 4 Abs 1 Z 5 bzw Z 6 GSVG erst nach Vorliegen des entsprechenden Einkommensteuerbescheides oder sonstiger maßgeblicher Einkommenssteuernachweise (also unter Umständen Jahre später) abgesprochen werden.

An der beschriebenen Systematik ist erkennbar, dass es im Bereich der Sozialversicherung aus Gründen der Rechtssicherheit zwar unbedingt erforderlich ist, ex ante zu wissen, ob jemand der Pflichtversicherung unterliegt oder nicht, dies jedoch - dem Wesen der selbständigen Einkünfte entsprechend - nicht möglich ist, weil das Über oder Unterschreiten der Versicherungsgrenze exakt immer erst im Nachhinein festgestellt werden kann. Gerade in der Krankenversicherung und Unfallversicherung, aber auch in der Pensionsversicherung, ist es aber unabdingbar notwendig zu wissen, ob für eine Person Versicherungsschutz gegeben ist. Dazu kommt, dass sich an die Feststellung des Vorliegens der Pflichtversicherung auch die Beitragspflicht und in der weiteren Folge die im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen bei Nichtzahlung der Beiträge knüpft. Die im ASRÄG 1997 vorgesehenen diesbezüglichen Bestimmungen (insb die §§ 2 Abs 1 Z 4, 3 Abs 1 Z 2 und 4 Abs 1 Z 5 und 6 GSVG) regeln diese angesprochenen Fragen nicht mit der nötigen Deutlichkeit.

Die vorgeschlagene Regelung soll eine ausreichende Grundlage zur Lösung dieser Problematik sein. Künftig soll hinsichtlich des Eintritts der Pflichtversicherung der Erklärung des Versicherten, ob er die Versicherungsgrenze überschreiten wird oder nicht, maßgebliche Bedeutung zukommen.

1. Erklärt der Versicherte, dass er die maßgebliche Versicherungsgrenze überschreiten wird, soll mit Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit Pflichtversicherung in der Kranken , Pensions und Unfallversicherung mit allen beitragsrechtlichen Konsequenzen eintreten.

Stellt sich nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides oder der sonstigen Einkommensnachweise im Nachhinein heraus, dass entgegen der Erklärung des Versicherten die maßgeblichen Versicherungsgrenzen nicht überschritten wurden, soll dies rückwirkend am Versicherungsverhältnis nichts ändern. Der Versicherte steht für diesen Zeitraum trotzdem unter Versicherungsschutz und erwirbt Monate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf der Mindestbeitragsgrundlage.

Dem Versicherten steht jedoch die Möglichkeit offen, jederzeit bis zum Vorliegen der endgültigen Einkommensnachweise durch eine gegenteilige Erklärung seine Pflichtversicherung wieder zu beenden, indem er erklärt, die maßgeblichen Versicherungsgrenzen mit seinen Einkünften voraussichtlich nicht zu überschreiten. Die Pflichtversicherung endet sodann mit dem Letzten des Kalendermonats, der auf die Erklärung folgt.

2. Erklärt der Versicherte, dass er die Versicherungsgrenze mit seinen Einkünften nicht überschreiten wird oder gibt er keine Erklärung ab, so darf die Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides oder der sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweise - dann allerdings rückwirkend mit Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit - festgestellt werden.

In den Fällen des Punktes 2 besteht die Möglichkeit, den Krankenversicherungsschutz ex nunc durch eine Erklärung im Sinne des § 3 Abs 1 Z 2 GSVG freiwillig zu erlangen.

Überschreitet der Versicherte mit seinen Einkünften die maßgeblichen Versicherungsgrenzen und wird im Nachhinein die Pflichtversicherung festgestellt, so soll zu den vorgeschriebenen Beiträgen als Ausgleich für den durch die spätere Entrichtung der Beiträge entstandenen Zinsgewinn ein Zuschlag in der Höhe von 9,3 % der Beiträge geleistet werden müssen. Dies soll jedoch dann nicht gelten, wenn auf Antrag eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 3 Abs 1 Z 2 GSVG begründet wurde."

Da sich der "neue" Selbständige sehr häufig nicht darüber im Klaren sein wird, ob seine selbständigen Einkünfte im jeweiligen Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden oder nicht, hat der Gesetzgeber dem "neuen" Selbständigen somit zwei Möglichkeiten eröffnet:

Eine Möglichkeit besteht darin, eine Erklärung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG abzugeben, dass die Summe seiner Einkünfte aus allen seinen selbständigen Erwerbstätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze übersteigt. Damit kann aber die Pflichtversicherung bei tatsächlichem Unterschreiten der Versicherungsgrenze rückwirkend nicht beendet werden, und dementsprechend können auch bereits geleistete Beiträge nicht rückerstattet werden. Insoweit kommt der Versicherungserklärung die Rechtswirkung eines "opting in" zu.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, zunächst keine Erklärung im Sinne der genannten gesetzlichen Vorschrift abzugeben und jeweils auf das Ergebnis des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides zu warten; damit ist aber im Falle des tatsächlichen Überschreitens der Versicherungsgrenze, abgesehen davon, dass kein Kranken und Unfallversicherungsschutz gegeben ist, das Risiko verbunden, dass Beiträge nachträglich vorzuschreiben sind und auch der Beitragszuschlag gemäß § 35 Abs 6 GSVG verlangt werden muss. Letzteres kann aber dadurch vermieden werden, dass im Falle des Überschreitens der Versicherungsgrenze vor Eintritt der Rechtskraft des maßgebenden Einkommenssteuerbescheides die Anmeldung zur Pflichtversicherung vorgenommen und gleichzeitig eine Erklärung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG abgegeben wird. In diesem Fall wird die Pflichtversicherung nicht erst nach Vorlage des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides rückwirkend festgestellt, sondern vor diesem Zeitpunkt auf Grund der Anmeldung/Erklärung; der Beitragszuschlag ist dann nicht zu entrichten (vgl BMGS 24. 2. 2003, 221. 931/2 6/02 - veröffentlicht in SV Slg 49.471).

Nach § 54 GSVG entstehen die Ansprüche auf die Leistungen aus der Kranken und Pensionsversicherung in dem Zeitpunkt, in dem die hiefür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt werden. Mit dem ASRÄG 1997, BGBl I Nr 139/1997, wurde dem § 54 GSVG folgender Satz angefügt:

"Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 entstehen frühestens mit der Erstattung der Meldung."

Nach den Erl. Bem zur RV 886 BlgNR XX. GP 111 soll damit eine rückwirkende Inanspruchnahme der Leistungen der Krankenversicherung bei nicht rechtzeitiger Meldung ausgeschlossen sein. Die Rechtfertigung dieser Sanktion für Meldevergehen für die nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG Pflichtversicherten sei darin zu sehen, dass infolge des Fehlens von formalen Anknüpfungspunkten (wie bei den Gewerbetreibenden dies die Gewerbeberechtigung sei) die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft im besonderen Maße von den ordnungsmäßigen Meldungen dieses Personenkreises abhängig sei, ansonsten wäre eine Vollziehung nicht möglich (RV aaO).

Hinsichtlich des Beginnes des Versicherungsverhältnisses und der Leistungsansprüche ist festgelegt, dass die Krankenversicherung und die Pensionsversicherung für die "alten" Selbständigen mit der Erlangung der erforderlichen Berechtigung zur Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit beginnt (§ 6 GSVG). Da damit die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung gegeben sind, stehen ab diesem Zeitpunkt auch die Leistungen zu (§ 54 GSVG), selbst wenn die Meldung unterblieben ist. Anders ist die Rechtslage jedoch bei den "neuen" Selbständigen. Ihre Pflichtversicherung in der Kranken und Pensionsversicherung beginnt bei Personen, bei denen die Ausübung der betrieblichen Tätigkeit von einer berufsrechtlichen Berechtigung abhängt, mit dem Tag der Erlangung der maßgeblichen Berechtigung. Ansonsten beginnt ihre Pflichtversicherung in der Kranken und Pensionsversicherung grundsätzlich mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit, sofern der Selbständige die Aufnahme dieser Tätigkeit fristgerecht (§ 18 Abs 1 GSVG) gemeldet hat. Hat der Versicherte jedoch keine rechtzeitige Anmeldung erstattet, dann beginnt die Versicherung bereits mit dem Beginn jenes Kalenderjahres, in dem das Einkommen die Versicherungsgrenze überstiegen hat, dh es kommt hier - dank des Datenaustausches mit den Finanzbehörden - zu einer rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung. Wenn der Versicherte jedoch glaubhaft machen kann, dass er mit der versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit erst später begonnen hat, dann bleibt es bei diesem Zeitpunkt (§ 6 Abs 4 GSVG). Dieser rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung verbunden mit der Verpflichtung zur Beitragsnachentrichtung steht jedoch kein rückwirkender Leistungsanspruch gegenüber, da § 54 zweiter Satz GSVG ausdrücklich anordnet, dass Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung als "neuer" Selbständiger frühestens mit der Erstattung der Meldung entstehen. Insofern liegt in diesem Fall eine Krankenpflichtversicherung ohne Leistungspflicht des Versicherungsträgers vor (vgl Schrank/Tomandl, Beginn der Versicherung und des Leistungsanspruchs bei "neuen" Selbständigen, ZAS 2004, 100 ff; B. Karl aaO 88).

Gegen dieses Ergebnis werden von der Revisionswerberin nachvollziehbare verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitssatzes und des Eigentumsrechtes geltend gemacht. Es sei grob unsachlich und damit gleichheitswidrig und greife in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht ein, wenn für einen "neuen" Selbständigen, dessen Einkünfte die maßgebende Versicherungsgrenze überschreiten, auch ohne Meldung zwar Beitragspflichten, aber keine Leistungsansprüche bestünden. Es wäre in diesem Fall vielmehr verfassungsrechtlich geboten gewesen, auch die Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 ASVG rückwirkend mit dem Entstehen der Versicherungspflicht (und damit auch dem Entstehen der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen) entstehen zu lassen, zumal die (verschuldete oder unverschuldete) Unterlassung der Meldung des Überschreitens der Versicherungsgrenze ohnedies in dem Strafzuschlag von 9,3 %, der den Zinsverlust ausgleichen solle, bereits ausreichend sanktioniert sei. Die Unterlassung der Meldung stelle außerdem in der Regel kein Meldevergehen dar, weil der Pflichtversicherte selbst oft im Vorhinein gar nicht wissen könne, ob er die Einkommensgrenze überschreiten werde, sodass der Entfall der Leistungspflicht als Sanktion für ein nicht verschuldetes Meldevergehen unsachlich sei, zumal das GSVG für ähnliche "Meldevergehen" eine solche Sanktion nicht vorsehe. Im Übrigen stelle es bei den GSVG Versicherten eine durchaus übliche Vorgangsweise dar, dass die Versicherten im Vorhinein für ihre Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung finanziell aufkommen und im Anschluss daran einen Kostenersatz vom Versicherungsträger erhalten. Schließlich sei es unsachlich, dass § 54 zweiter Satz GSVG nur im Fall einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG eine Krankenpflichtversicherung ohne Leistungspflicht des Versicherungsträgers vorsehe, während dies in anderen Fällen des nachträglichen Bekanntwerdens einer Versicherungspflicht nicht der Fall sei.

Auch im Schrifttum wurden bereits verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier präjudizielle Bestimmung des § 54 zweiter Satz GSVG geäußert. So verweisen Schrank/Tomandl aaO 101 f darauf, dass die Unfallversicherung der "neuen" Selbständigen im Falle nicht rechtzeitiger Meldung erst nach Ablauf des Tages, an dem die verspätete Meldung beim Versicherungsträger einlangt (§ 10 Abs 2 erster Satz ASVG), beginne. Es bestehe daher in der Unfallversicherung, solange der "neue" Selbständige keine Meldung erstatte, keine Pflichtversicherung und es bestünden damit auch keine diesbezüglichen Beitragspflichten noch Leistungsansprüche. Das Unterlassen der rechtzeitigen Meldung führe zwar auch in der Krankenversicherung zum Entfall des Versicherungsschutzes. Anders als in der Unfallversicherung werde der "neue" Selbständige jedoch nicht von der Beitragsleistung befreit, da der Versicherungsbeginn unabhängig von der Meldung eintritt (§ 6 Abs 4 GSVG). Es seien aber keine sachlichen Gründe dafür zu erkennen, dass in Abweichung von der Regelung für alle anderen Personengruppen nur bei den "neuen" Selbständigen in der Unfallversicherung der Beginn der Pflichtversicherung meldeabhängig hinausgeschoben werde und in der Krankenversicherung Leistungen trotz voller Pflichtversicherung und Beitragspflicht meldeabhängig verweigert würden. Die beiden genannten Autoren vertreten daher die Auffassung, dass es einer verfassungskonformen Interpretation des § 54 zweiter Satz GSVG bedürfe, wenn diese Bestimmung nicht als verfassungswidrig gelten solle. Sie könnte nach ihrer Ansicht darin bestehen, dass diese Bestimmung sprachlich verkürzt sei und nur auf Meldeverstöße abstelle. Meldepflichtig könne nur jene selbständige Erwerbstätigkeit sein, die zugleich die Versicherungsgrenze überschreite. Da dieser Umstand nicht vor dem Ende des Kalenderjahres feststehe, beginne erst zu diesem Zeitpunkt die Meldefrist. Sei die Meldung rechtzeitig (dh im ersten Monat des Folgejahres) erstattet worden, sei die Unfallversicherung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, die im vorangegangenen Kalenderjahr eingetreten seien, leistungspflichtig. Zu diesem rückwirkenden Versicherungsschutz komme es nach Ansicht der beiden Autoren aber auch in der Krankenversicherung, da sich § 54 zweiter Satz GSVG bei richtiger Auslegung nur auf Meldeverstöße beziehe. Dagegen kann aber wiederum ins Treffen geführt werden, dass eine solche Einschränkung auf bloße Meldeverstöße dem Wortlaut des § 54 2. Satz GSVG nicht entnommen werden kann und der Gesetzgeber des ASRÄG 1997 für die Beitrags und Leistungspflicht der "neuen" Selbständigen in der Krankenversicherung ausdrücklich eine von den entsprechenden Bestimmungen für die Unfallversicherung abweichende Regelung getroffen hat.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich auf Grund der dargelegten Bedenken veranlasst, einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, um die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 54 zweiter Satz GSVG idF BGBl I Nr 139/1997 überprüfen zu lassen.

Die Anordnung der Innehaltung des Verfahrens beruht auf der im Spruch zitierten Gesetzesstelle.