JudikaturJustiz10Ob26/19z

10Ob26/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch GLO Gößeringer Löscher Oman Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in Villach, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2018, GZ 1 R 243/18g 23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 2. Oktober 2018, GZ 25 C 779/17i 19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Nr 56 EZ ***** KG *****. Der Beklagte ist zu zwei Drittel, seine Schwester zu einem Drittel Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****.

Der Kläger nimmt den Beklagten mit als Eigentumsfreiheitsklage bezeichneter Klage auf Unterlassung des Begehens und Befahrens des durch seinen Hof über das Grundstück Nr 56 verlaufenden Weges in Anspruch. Er bringt vor, Gegenstand des Verfahrens sei die Anmaßung einer Servitut durch den Beklagten, der zu Unrecht behaupte, der genannte Weg habe seit mehr als 30 Jahren als Zufahrt zu seiner Liegenschaft gedient.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren mangels Passivlegitimation des Beklagten ab. Die Klage wäre auch gegen die Schwester des Beklagten als notwendige Streitgenossin zu richten gewesen. Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Präzisierung der Rechtsprechung zur Passivlegitimation bei Erhebung einer auf die Anmaßung einer Dienstbarkeit gestützten Unterlassungsklage zu.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Zulassungsausspruch ist die Revision des Klägers nicht zulässig.

1.1. Erstreckt sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen, so bilden diese gemäß § 14 ZPO eine einheitliche Streitpartei.

Das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft führt zur Klageabweisung, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen besteht (RIS Justiz RS0035479). Die Frage, ob eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, ist nach dem materiellen Recht zu entscheiden. Es kommt darauf an, ob die materielle Beurteilung des Streitgegenstands eine einheitliche Entscheidung erfordert (RS0035468 [T1, T5]; vgl RS0035479 [T18, T19]).

1.2. Eine Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB muss grundsätzlich gegen sämtliche Miteigentümer einer Liegenschaft gerichtet werden, da sich in der Regel die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses notwendigerweise auf sämtliche Miteigentümer erstreckt (RS0012106 [T30] = 6 Ob 188/15p; RS0101793).

1.3. Grundsätzlich hat ein sich durch Fremdbenützung gestört fühlender Grundeigentümer auch dann, wenn sich die Störungshandlung als Anmaßung einer Grunddienstbarkeit zugunsten eines im Miteigentum stehenden Grundstücks darstellen sollte, die Wahl, gemäß § 362 ABGB mit „schlichter“ Unterlassungsklage den Störer allein zu belangen, oder im Sinn des § 523 ABGB auch das Bestehen des von diesem Störer behaupteten Rechts zum Gegenstand der Freiheitsklage zu machen (RS0010425; RS0010426). Er kann daher dann – und nur ausnahmsweise – gegen einen einzelnen der Miteigentümer mit schlichter Unterlassungsklage vorgehen, wenn nur dessen Störung und nicht ein allen Miteigentümern gemeinsam zustehendes Recht Gegenstand des Verfahrens ist (6 Ob 188/15p). Denn nicht nur bei einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Dienstbarkeit, sondern auch bei der auf das Nichtbestehen einer behaupteten Dienstbarkeit gestützten Unterlassungsklage kann bei isolierter Entscheidung die Gefahr unlösbarer Verwicklungen bestehen (6 Ob 188/15p). Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0035479 [T14]).

2. Wie ein bestimmtes Klagebegehren beziehungsweise das dazu erstattete Prozessvorbringen zu verstehen ist, ist regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO grundsätzlich nicht stellt (RS0042828 [T25]; vgl RS0037440 [T6]), solange keine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung vorliegt (RS0042828 [T23]).

3. Das Berufungsgericht legte das Klagevorbringen in seiner Gesamtheit dahin aus, dass sich die Unterlassungsklage nicht auf eine vom Eigentum an der Beklagtenliegenschaft unabhängige Störungshandlung stütze, sondern der Kläger ein beiden Miteigentümern des vermeintlich herrschenden Gutes gemeinsam zustehendes Recht zum Gegenstand des Verfahrens mache. Es berücksichtigte dabei insbesondere den Umstand, dass sich der Kläger offenkundig auch gegen die – in der Klage ausdrücklich erwähnte – Nutzung seines Grundstücks durch Familienangehörige und Freunde des Beklagten zur Wehr setze.

4.1. Mit der Rüge, er habe sich nicht gegen die Anmaßung einer Dienstbarkeit zugunsten des vermeintlich herrschenden Grundstücks, sondern gegen die Anmaßung einer Personaldienstbarkeit zugunsten des Beklagten gewandt, zeigt der Revisionswerber keine grobe Fehlbeurteilung seines Vorbringens durch das Berufungsgericht auf. Aus dem Klagevorbringen geht nämlich insgesamt hervor, dass das strittige Fahrrecht im Zusammenhang mit der bequemeren Zufahrt zum vermeintlich herrschenden Grundstück stehe; eine Einschränkung auf bloß den Beklagten als Berechtigten ist angesichts der Bezugnahme auf dessen Familie und Freunde auch nicht naheliegend.

4.2. Eine fehlerhafte Auslegung des Prozessvorbringens des Klägers durch das Berufungsgericht ist daher nicht ersichtlich. Dass das Berufungsgericht ausgehend von seiner Rechtsansicht, der Kläger strebe die Klärung eines den Eigentümern der vermeintlich herrschenden Liegenschaft gemeinsam zustehenden Rechts an, die Gefahr unlösbarer Verwicklungen im Fall isolierter Entscheidungen gegen einen einzelnen Miteigentümer annahm, ist im vorliegenden Einzelfall vertretbar.

4.3. In der Auslegung des Parteienvorbringens durch das Berufungsgericht liegt keine Aktenwidrigkeit im Sinn des § 503 Z 3 ZPO (vgl RS0043324 [T6]).

4.4. Die Erörterungspflicht gemäß § 182a ZPO bezweckt nicht, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (vgl RS0122365). Der Beklagte hat dem Klagebegehren bereits in erster Instanz entgegen gehalten, dass seine Miteigentümer am vermeintlich herrschenden Grundstück nicht mitbeklagt seien (ON 5 S 4). Es bedurfte daher keiner weiteren Erörterung der sich aus dem Klagevorbringen ergebenden Passivlegitimation durch das Berufungsgericht.

4.5. Im Ergebnis weicht die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht von den dargestellten Grundsätzen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ab; deren Anwendung auf den vorliegenden Fall begründet keine erhebliche Rechtsfrage. Eine solche wird auch in der Revision nicht dargetan.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.