GZ: 2024-0.739.833 vom 12. September 2025 (Verfahrenszahl: DSB-D124.1857/24)
[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), statistische Angaben etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Hubert A*** (Beschwerdeführer) vom 6. August 2024 gegen Dieter N*** (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und Information wie folgt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen .
Rechtsgrundlagen: Art. 4 Z 1 und Z 2, Art. 5 Abs. 1 lit. c, Art. 6 Abs. 1, Art. 13, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer erhob mit Eingabe vom 6. August 2024 Beschwerde wegen einer behaupteten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und Information, da der Beschwerdegegner ihn gefilmt habe, als er in einer Sackgasse gewendet habe und dabei ein Privat-Grundstück befahren habe.
2. Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdegegner nahm mit Schreiben vom 18. September 2024 Stellung und bestätigte die Erfassung des Beschwerdeführers durch eine Kamera. Grund hierfür sei, dass der Beschwerdeführer den Privatgrund des Beschwerdeführers befahren habe.
3. Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu erneut mit Schreiben vom 10. Oktober 2024.
B. Beschwerdegegenstand
Ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers ist Beschwerdegegenstand zunächst die Frage, ob der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer durch eine unzulässige Bildverarbeitung im Recht auf Geheimhaltung und Information verletzt hat, als der Beschwerdeführer beim Wenden beim Grundstück mit der Adresse **** B***hausen, M***straße **9 vom Aufnahmebereich erfasst wurde.
C. Sachverhaltsfeststellungen
C.1. Der Beschwerdegegner ist (Mit-)Eigentümer der Grundstücke *3*1/3 und *3*4/2 mit der EZ 1*7, KG *2*66 B***hausen. An dieser Liegenschaft hat der Beschwerdegegner eine Kamera montiert.
Beweiswürdigung: Die zu Punkt C.1. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der amtswegigen Einsicht in das Grundbuch zur Einlagezahl 1*7. Die Feststellung, dass eine Kamera moniert ist, ergibt sich aus dem übereinstimmenden Parteienvorbringen beider Verfahrensparteien.
C.2. Die örtlichen Gegebenheiten stellen sich wie folgt dar (Formatierung nicht 1:1 übernommen):
[Anmerkung Bearbeiter/in: das Lichtbild, das im Original an dieser Stelle zu sehen ist, wurde aus Gründen der Pseudonymisierung entfernt. Es zeigt eine befestigte Straßenfläche vor dem Zaun einer Grundstückseinfriedung, die mit weißer Farbe als „PRIVAT“ gekennzeichnet ist. Zu sehen ist auch der Frontteil eines Pkw.]
Abbildung 1
[Anmerkung Bearbeiter/in: das Lichtbild, das im Original an dieser Stelle zu sehen ist, wurde aus Gründen der Pseudonymisierung entfernt. Es zeigt eine befestigte Straßenfläche vor einer Toreinfahrt, die mit weißer Farbe als „PRIVAT“ gekennzeichnet ist.]
Abbildung 2
[Anmerkung Bearbeiter/in: das Lichtbild, das im Original an dieser Stelle zu sehen ist, wurde aus Gründen der Pseudonymisierung entfernt. Es zeigt eine befestigte Straßenfläche mit einem Wohnhaus samt Vorgarten, wobei eine weiße Linie offenkundig die Grenze zwischen öffentlichem Gut (Straße) und privater Grundstücksfläche markiert.]
Abbildung 3
[Anmerkung Bearbeiter/in: das Lichtbild, das im Original an dieser Stelle zu sehen ist, wurde aus Gründen der Pseudonymisierung entfernt. Es zeigt eine Luftbildaufnahme des Wohnhauses des Beschwerdegegners.]
Abbildung 4
Auch der mit Privat gekennzeichnete Bereich steht im (Mit-) Eigentum des Beschwerdegegners. Dies stellt sich wie folgt dar (Formatierung nicht 1:1 übernommen):
[Anmerkung Bearbeiter/in: das Lichtbild, das im Original an dieser Stelle zu sehen ist, wurde aus Gründen der Pseudonymisierung entfernt. Es zeigt eine Luftbildaufnahme des Wohnhauses des Beschwerdegegners ähnlich wie Abbildung 4 mit eingezeichneten Grundstücksgrenzen und Grundstücksnummern.]
Abbildung 5
Beweiswürdigung: Die zu Punkt C.2. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den im Akt befindlichen Lichtbildern sowie einer amtswegigen Recherche unter https://www.google.at/maps/place/M***straße+**9,+****+B***hausen/@ [Rest des Links gekürzt] (zuletzt abgerufen am 14. Juli 2025). Die Feststellungen zu Abbildung 5 ergeben sich aus einer amtswegigen Recherche unter https://gis.****.gv.at/WebGIS/synserver (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2025).
C.3. Der Beschwerdeführer wurde am 15. Juni 2024 von der beschwerdegegenständlichen Videoüberwachungsanlage an der Adresse **** B***hausen, M***straße **9 beim Wenden mit dem Kraftfahrzeug seiner Ehefrau bildlich erfasst. Die entsprechende Aufnahme stellt sich wie folgt dar (Formatierung nicht 1:1 übernommen):
[Anmerkung Bearbeiter/in: das Lichtbild, das im Original an dieser Stelle zu sehen ist, wurde aus Gründen der Pseudonymisierung entfernt. Es entspricht der Abbildung 1 wie oben und zeigt eine befestigte Straßenfläche vor dem Zaun einer Grundstückseinfriedung, die mit weißer Farbe als „PRIVAT“ gekennzeichnet ist. Zu sehen ist auch der Frontteil eines Pkw.]
Abbildung 6
Beweiswürdigung: Die zu Punkt C.3. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den Stellungnahmen beider Verfahrensparteien und sind unstrittig.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Das in § 1 DSG verankerte Grundrecht auf Datenschutz, nach dessen ersten Absatz jedermann, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, einen Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit daran ein schutzwürdiges Interesse besteht, beinhaltet den Schutz des Betroffenen vor der Ermittlung seiner Daten und der Weitergabe der über ihn ermittelten Daten. Das Grundrecht auf Datenschutz gilt jedoch nicht absolut, sondern darf durch bestimmte, zulässige Eingriffe beschränkt werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 DSG sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, wobei bei Eingriffen einer staatlichen Behörde diese nur auf Grund von Gesetzen erfolgen dürfen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind.
Die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung jedenfalls zu berücksichtigen (vgl. dazu den Bescheid der DSB vom 4. Juli 2019, GZ DSB-D123.652/0001-DSB/2019).
Die Verarbeitung personenbezogener Daten mittels Bildverarbeitungsanlagen (Videoüberwachung) zum Schutz des Eigentums im privaten Bereich kann grundsätzlich auf die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden (vgl. dazu das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18, noch zur Richtlinie 95/46/EG). Entsprechend den Grundsätzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 5 DSGVO, insbesondere dem Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO, muss die Verarbeitung jedoch dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein.
Das Betreiben einer Videoüberwachung fällt, soweit Personen erfasst werden, unter den Begriff der Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Z 2 DSGVO.
Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, überwacht der Beschwerdegegner mit der verfahrensgegenständlichen Videoüberwachung den Bereich vor seinem Haus. Der Beschwerdeführer hat diesen Bereich am 15. Juni 2024 mit dem Kfz seiner Ehefrau befahren und wurde dabei von der Videoüberwachungsanlage bildlich erfasst. Der Beschwerdeführer wurde dabei auf dem im Eigentum des Beschwerdegegners befindlichen Grundstück von der Kamera erfasst. Wenn vom Beschwerdeführer weiters vorgebracht wird, dass die monierte Bildverarbeitungsanlage auch den öffentlichen Grund erfasst, ist dazu wie folgt auszuführen:
Es entspricht der langjährigen Judikatur der Datenschutzbehörde, sowie des Bundesverwaltungsgerichtes (bspw. W274 2242638-1/10E vom 20. Dezember 2021), dass ein Einbeziehen öffentlicher Flächen im Ausmaß von maximal 50 Zentimeter dann zulässig ist, wenn der Schutzzweck der Videoüberwachung sonst nicht erfüllt werden könnte (z.B. Überwachung einer an einen Gehsteig angrenzenden Fassade zum Schutz vor Sachbeschädigung).
Gegenständlich sind betreffend die bildliche Erfassung des Beschwerdeführers bei Wenden auf dem Grundstück des Beschwerdegegners weder lebenswichtige Interessen des Beschwerdeführers noch dessen Zustimmung gegeben, weshalb zu prüfen ist, ob überwiegende berechtigte Interessen eines anderen vorliegen, die dem Geheimhaltungsinteresse des Beschwerdeführers überwiegen.
Im vorliegenden Fall stehen einander zwei konträre Interessen gegenüber:
Zum einen die berechtigten Interessen des Beschwerdegegners, welcher die Installation und den Betrieb der verfahrensgegenständlichen Videoüberwachung mit dem Schutz vor Straftaten und der Geltendmachung zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche (z.B. bei Besitzstörungen) begründet. Zum Schutz dieser Rechte des Beschwerdegegners sind, neben der Videoüberwachung am Tor, auch Kennzeichnungen am Boden angebracht, dass es sich um einen Privatgrund handelt. Darüber hinaus ist die Kamera so moniert, dass sie gut erkennbar ist.
Dem gegenüber steht das Interesse des Beschwerdeführers, nicht durch die Videoüberwachung des Beschwerdegegners erfasst zu werden.
Allerdings hat sich der Beschwerdeführer in einen Bereich begeben, der eindeutig als Privatgrund gekennzeichnet war und wo durch diese Kennzeichnung eindeutig ersichtlich war, dass der Bereich nicht zur öffentlichen Benutzung gedacht ist. Nach dem Prinzip der Ingerenz und den vernünftigen Erwartungen konnte daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nicht damit rechnen musste, dass er einer Datenverarbeitung unterliegen würde, die zum Ziel hat, sein Verhalten gegenüber Behörden und Gerichten, die für die Einhaltung dieser Regeln verantwortlich sind offenzulegen.
Die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung erweist sich gegenständlich als dem Zweck des Eigentumsschutzes des Beschwerdegegners angemessen und liegen auch keine Hinweise vor, dass die Zwecke dieser Datenverarbeitung nicht auf das notwendige Maß, nämlich den Eigentumsschutz, beschränkt wäre.
Gegenständlich überwiegt somit das berechtigte Interesse des Beschwerdegegners daran sein Eigentum zu schützen dem berechtigten Interesse des Beschwerdeführers - beim Befahren des Grundstücks des Beschwerdegegners - nicht von einer vom Beschwerdegegner betriebenen Videoüberwachungsanlage erfasst zu werden.
Der Beschwerdeführer rügt in der, den Beschwerdegegenstand determinierenden, Beschwerde vom 6. August 2024 überdies, dass er über die Videoüberwachung nicht informiert worden sei.
Eine unterlassene Information kann die Willensbildung der betroffenen Person beeinträchtigen, und sind sowohl die Datenerhebung als auch die anschließende Datenverarbeitung ohne Information als unrechtmäßig anzusehen, wenn die Datenerhebung vom Willen der betroffenen Person abhängt, wie etwa die Datenerhebung aufgrund der informierten Einwilligung der betroffenen Person nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO oder wenn die betroffene Person berechtigt ist, sich faktisch der Datenerhebung zu entziehen, beispielsweise in Bezug auf eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum, der sich die betroffene Person bei entsprechender Information über die Videoüberwachung entziehen kann, indem sie den überwachten Ort nicht betritt (vgl. VwGH vom 9. Mai 2023 Ro 2020/04/0037).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dieser zitierten Judikatur des VwGH bereits erkannt, dass diese nur dahingehend verstanden werden kann, dass für den umgekehrten Fall, dass eine betroffene Person bewusst Verbote ignoriert, um einen nicht anerkannten Zweck zu verfolgen, diese sich dann wiederum nicht darauf berufen kann, dass sie das Verhalten nicht gesetzt hätte, wenn sie davon informiert gewesen wäre, dass ihr Verhalten einer Datenverarbeitung unterliegt, die zum Ziel hat, die Einhaltung der Rechtsordnung zu verfolgen (vgl. hierzu auch das Erkenntnis des BVwG vom 12. Juli 2024 zur GZ W298 2287221-1/8E).
Gegenständlich ist der Beschwerdeführer durch den als Privatgrund kennzeichneten Bereich gefahren, hat sein Kfz gewendet. Beschwerdeführer kann sich umgelegt auf den vorliegenden Fall auch nicht auf mangelnde Kennzeichnung berufen, wenn er einen klar als Privatgrund gekennzeichneten Bereich überfährt und damit in den Aufnahmebereich der gut sichtbaren Videoüberwachungsanlage gelangt.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
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