Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a DEUTSCH-PERNSTEINER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2024, Zl. 1377100809-240232698, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans. Er stellte am 22.08.2023 erstmals in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde in weiterer Folge am 08.02.2024, infolge einer Familienzusammenführung mit einer in Österreich lebenden Tochter, nach Österreich überstellt, wo er am selben Tag erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Am 08.02.2024 fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
3. Am 03.04.2024 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) statt.
4. Mit Bescheid vom 01.07.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
5. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde ein.
6. Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt am 27.08.2024 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.03.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, der am 08.02.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte. Er führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Bamyan, Afghanistan, geboren und im Kleinkindalter nach Kabul gezogen. Im Alter von 23 bis 24 Jahren ist er mit seiner Halbschwester nach Pakistan gegangen und von dort nach einem sechsmonatigen Aufenthalt weiter in den Iran gereist. Dort lebte er ungefähr 27 Jahre nahe Teheran. Anschließend kehrte er im Jahr 2015 oder 2016 nach Kabul, Afghanistan, zurück, wo er bis zu seiner Ausreise lebte (AS 6, 7, 45, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2025 = Protokoll der mV S. 4 bis 6).
1.1.2. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist der schiitisch-muslimischen Religion zugehörig (AS 3 und 4, AS 43, Protokoll der mV S. 6).
1.1.3. Der Beschwerdeführer spricht als Muttersprache Dari (AS 3, AS 43, Protokoll der mV S. 3). Er besuchte in Afghanistan fünf Jahre die Koranschule. Sonst verfügt er über keine Berufsausbildung. Er war zuletzt als Gemüsehändler in Kabul tätig (AS 4, AS 45, Protokoll der mV S. 5).
1.1.4. Der Beschwerdeführer ist verwitwet und hat zwei Kinder. Seine Tochter (IFA XXXX ) lebt in Österreich, sein Sohn sowie seine zwei Enkelsöhne sind nach wie vor in Kabul, Afghanistan, aufhältig. Er steht zu seiner Familie in regelmäßigem Kontakt (AS 5, AS 47). Darüber gibt es noch eine in Kabul lebende Halbschwester (auch: Adoptivschwester) des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat (AS 45, Protokoll der mV S.7).
1.1.5. Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt im Sommer/Herbst 2022, reiste nach einem dreimonatigen Aufenthalt im Iran in die Türkei, wo er sieben bis acht Monate verblieb, und schließlich weiter bis nach Griechenland, wo er am 22.08.2023 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz und Familienzusammenführung stellte. In weiterer Folge wurde er dann nach Österreich überstellt, wo er schließlich am 08.02.2024 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte und erstmals behördlich erfasst wurde. Seitdem hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf (AS 6 und 7, AS 18 und 19, AS 47 Protokoll der mV S. 6).
1.1.6. Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Erkrankungen. Er leidet an einer depressiven Störung und nimmt dagegen Medikamente, konkret Quetiapin Accord 50mg, Serotiapin XR 50mg und Azapin 30mg, in einer nicht feststellbaren Kombination ein (AS 41, AS 65 und AS 67 bis 71). Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (OZ 2).
1.2. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.2.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 31.01.2025, Version 12:
Regionen Afghanistans
Letzte Änderung 2025-01-30 08:04
Afghanistan verfügt über 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.230 Quadratkilometern (CIA 25.11.2024) leben ca. 35 (NSIA 7.2024) bis 40,1 Millionen Menschen (CIA 25.11.2024). Es grenzt an sechs Länder: China (91 km), Iran (921 km) Pakistan (2.670 km), Tadschikistan (1.357 km), Turkmenistan (804 km), Usbekistan (144 km) (CIA 25.11.2024). Seit der beinahe kampflosen Einnahme Kabuls am 15.8.2021 steht Afghanistan nahezu vollständig unter der Kontrolle der Taliban (AA 12.7.2024; vgl. EUAA 1.11.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2112794/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Afghanistan_-_Lagefortschreibung_-,_12.07.2024.pdf, Zugriff 2.9.2024 [Login erforderlich]
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.11.2024): Afghanistan - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society, Zugriff 29.11.2024
EUAA - European Union Agency for Asylum (1.11.2024): Afghanistan Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/2117560/2024_11_EUAA_COI_Report_Afghanistan_Country_Focus.pdf, Zugriff 26.11.2024
NSIA - National Statistic and Information Authority [Afghanistan] (7.2024): Estimated Population of Afghanistan 2023-2024, availiable in the archive of the Staatendokumentation [Estimated Population of Afghanistan 2023-2024, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf]
STDOK-OSIF - OSIF (Open Source Information)-Projekt der Staatendokumentation [Österreich] (7.9.2023a): Karte: Afghanistan, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf, https://cloud.staatendokumentation.at/index.php/s/d8zgEGk7WLarjPG, Zugriff 26.9.2023
Kabul-Stadt
Letzte Änderung 2025-01-30 08:05
Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und verfügt über eine geschätzte Einwohnerzahl zwischen 4,589.000 (CIA 25.11.2024) und ca. 5,766.181 Personen (NSIA 7.2024). Die Stadt ist aufgeteilt in 22 Bezirke und verfügt über einen internationalen Flughafen, der sich im 15. Stadt-Bezirk befindet (AAN 2019). Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus sowie Kutschi (PAN o.D.; vgl. NPS o.D.a).
Quellen
AAN - Afghanistan Analysts Network (2019): Kabul Unpacked, https://www.afghanistan-analysts.org/wp-content/uploads/2019/03/Kabul-Police-Districts.pdf, Zugriff 8.2.2024
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.11.2024): Afghanistan - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society, Zugriff 29.11.2024
NPS - Naval Postgraduate School (o.D.a): Kabul Provincial Overview, https://my.nps.edu/web/ccs/kabul?inheritRedirect=true, Zugriff 8.2.2024 [Login erforderlich]
NSIA - National Statistic and Information Authority [Afghanistan] (7.2024): Estimated Population of Afghanistan 2023-2024, availiable in the archive of the Staatendokumentation [Estimated Population of Afghanistan 2023-2024, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf]
PAN - Pajhwok Afghan News (o.D.): Kabul province background profile, https://elections.pajhwok.com/en/content/kabul-province-background-profile, Zugriff 8.2.2024
STDOK-OSIF - OSIF (Open Source Information)-Projekt der Staatendokumentation [Österreich] (7.9.2023b): Karte: Kabul, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf, https://cloud.staatendokumentation.at/index.php/s/rc3T9scnmqxbf9H, Zugriff 26.9.2023
Ost-Afghanistan
Letzte Änderung 2025-01-30 08:06
Quelle: STDOK-OSIF 8.9.2023d
Der Osten Afghanistans grenzt an Pakistan und ist ein wichtiger Teil des paschtunischen Heimatlandes, dessen Stammeseinfluss sich bis nach Westpakistan erstreckt. Jalalabad, die Hauptstadt der Provinz Nangarhar, liegt auf halbem Weg zwischen Torkham (Ende des Khyber-Passes/Grenze zu Pakistan) und Kabul. Sie gilt als die wichtigste afghanische Stadt im Osten und als das Tor nach Afghanistan vom Khyber-Pass aus. Berge und Täler (oft sehr abgelegen) dominieren die Region (NPS o.D.d). In der östlichen Region liegt die durchschnittliche Temperatur im Winter bei etwa 10 Grad (IOM 2.12.2024).
Distrikte nach Provinz (NSIA 4.2022)
Kabul: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara, Surubi/Surobi/Sarobi
Kapisa: Alasay, Hesa Awal Kohistan, Hesa Duwum Kohistan, Koh Band, Mahmud Raqi, Nijrab, Tagab
Khost: Ali Sher (Tirzayee), Baak, Gurbuz, Jaji Maidan, Khost (Matun), Manduzay (Esmayel Khil), Muza Khel, Nadir Shah Kot, Qalandar, Sabari (Yaqubi), Shamul, Spera, Tanay
Kunar: Bar Kunar (auch Asmar), Chapa Dara, Sawkay (auch Chawkay), Dangam, Dara-e-Pech (auch Manogi), Ghazi Abad, Khas Kunar, Marawara, Narang wa Badil, Nari, Noorgal, Sar Kani, Shigal, Watapoor sowie der temporäre Distrikt Sheltan
Laghman: Alingar, Alishing, Dawlat Shah, Mehtarlam, Qarghayi, Bad Pash (also Bad Pakh)
Logar: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha, Pul-e-Alam
Nangarhar: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara-e-Nur, Deh Bala (auch Haska Mena), Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar, Surkh Rud
Paktia: Ahmadaba, Jaji, Dand Patan, Gardez, Jani Khel, Laja Ahmad Khel (auch Laja Mangel), Samkani (auch Chamkani, Tsamkani), Sayyid Karam (auch Mirzaka), Shwak, Wuza Zadran, Zurmat sowie die vier temporären Distrikte Laja Mangel, Mirzaka, Garda Siray, Rohany Baba
Paktika: Barmal, Dila Wa Khushamand, Gomal, Giyan, Jani Khel, Mata Khan, Nika (Naka), Omna, Surobi, Sar Rawzah, Sharan, Turwo, Urgoon, Wazakhwah, Wormamay, Yahya Khel, Yosuf Khel, Zarghun Shahr (auch Khairkot), Ziruk sowie die vier temporären Distrikte Shakeen, Bak Khil, Charbaran, Shakhil Abad
Quellen
IOM - International Organization for Migration (2.12.2024): On living costs and winterized clothing in Afghanistan, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum
NPS - Naval Postgraduate School (o.D.d): Eastern Afghanistan, https://nps.edu/web/ccs/eastern-afghanistan, Zugriff 8.2.2024 [Login erforderlich]
NSIA - National Statistic and Information Authority [Afghanistan] (7.2024): Estimated Population of Afghanistan 2023-2024, availiable in the archive of the Staatendokumentation [Estimated Population of Afghanistan 2023-2024, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf]
NSIA - National Statistic and Information Authority [Afghanistan] (4.2022): Estimated Population of Afghanistan 2022-2023, availiable in the archive of the Staatendokumentation [Estimated Population of Afghanistan 2022-2023, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf], https://cloud.staatendokumentation.at/index.php/apps/files/?dir=coi-cms-archive/9b/86 fileid=04439056o
STDOK-OSIF - OSIF (Open Source Information)-Projekt der Staatendokumentation [Österreich] (8.9.2023d): Karte: Ostafghanistan, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf, https://cloud.staatendokumentation.at/index.php/apps/files/?dir=coi-cms-archive/9c/b3 fileid=04649135o, Zugriff 26.9.2023
Erreichbarkeit
Letzte Änderung 2025-01-30 08:09
Straßen sind die wichtigsten Transportwege in Afghanistan, das über ein Straßennetz von etwa 3.300 km regionalen Fernstraßen, 4.900 km nationalen Fernstraßen, 9.700 km Provinzstraßen, 17.000-23.000 km ländlichen Straßen und etwa 3.000 km städtischen Straßen, darunter 1.060 km in Kabul-Stadt, verfügt. 7 % der Straßen in Afghanistan sind asphaltiert (TSI 19.6.2022). Die ca. 2.300 km lange sogenannte "Ring Road" verbindet die vier größten Städte Afghanistans, nämlich Kabul, Kandahar, Herat und Mazar-e Sharif (TSI 19.6.2022; vgl. RTP 6.4.2022). 700 km grenzüberschreitende Straßen verbinden die Ring Road mit den Nachbarländern (TSI 19.6.2022).
Medien berichten weiterhin von Taliban-Kontrollpunkten an den Straßen (IOM 22.2.2024; vgl. VOA 14.8.2022, AP 3.5.2023, UN-AFGH 7.3.2023) und in den Grenzregionen Afghanistans (8am 24.7.2022; vgl. RFE/RL 19.2.2022), beispielsweise zwischen dem Flughafen Kabul und Kabul-Stadt (NPR 9.6.2022; vgl. VOA 12.5.2022). Einem ehemaligen afghanischen Militärkommandanten zufolge überprüfen Taliban-Kräfte die Namen und Gesichter von Personen an Kontrollpunkten anhand von "Listen mit Namen und Fotos ehemaliger Armee- und Polizeiangehöriger" (HRW 30.3.2022). Meistens handelt es sich um Routinekontrollen (IOM 22.2.2024), bei denen nur wenig kontrolliert wird (SIGA 25.7.2023). Wenn jedoch ein Kontrollpunkt aus einem bestimmten Grund eingerichtet wird, kann diese Durchsuchung darauf abzielen, bestimmte Gegenstände wie Drogen, Waffen oder Sprengstoff aufzuspüren. Kontrollpunkte, die von den Taliban besetzt sind, sind über ganz Afghanistan verteilt und befinden sich in der Regel entlang der Hauptversorgungsrouten und in der Nähe der Zugänge zu größeren Städten. Die Haltung und der Umfang der Durchsuchungen an diesen Kontrollpunkten variieren je nach Sicherheitslage. Darüber hinaus werden je nach Bedarf Kontrollpunkte und Straßensperren für Suchaktionen, Sicherheitsvorfälle oder VIP-Bewegungen eingerichtet (IOM 22.2.2024). Ein Analyst aus Afghanistan gab an, dass die Intensität und Genauigkeit der Sicherheitskontrollen der Taliban in Städten wie Kabul und Herat abgenommen hätten. Während die Taliban in der Vergangenheit jedes Auto gestoppt und Fragen gestellt hätten, so sind die Posten nun häufig unbesetzt (VQ AFGH 3 1.10.2024). Im Vergleich zur Zeit vor der Machtübernahme der Taliban wurden Hunderte Checkpoints an Straßen und Autobahnen abgebaut, weil die Taliban nicht genügend Personal haben, um sie aufrechtzuerhalten, und weil sie in den ländlichen Dörfern, in denen ihre Kämpfer während des jahrzehntelangen Aufstands stationiert waren, keine größere Bedrohung sehen (EAR 24.10.2023; vgl. ICG 12.8.2022).
Nach der Machtübernahme der Taliban sind die Treibstoffpreise zunächst gestiegen (IOM 12.1.2023; vgl. WEA 17.7.2022). Im Februar 2023 kostete ein Liter Diesel in Kabul ca. 48 AFN (WFP 21.8.2023), mit September 2024 lag der Preis für Treibstoff in Kabul zwischen 63 AFN (WFP 27.9.2024) und 70 AFN (IOM 17.9.2024) und mit Dezember 2024 weiterhin bei 63 AFN (WFP 3.1.2025).
Transportwesen
Alle Provinzen Afghanistans sind mit Bussen oder Taxi erreichbar. Es gibt Dutzende privater Transportunternehmen, die auf den Hauptstrecken, wie z. B. Kabul-Herat, Kabul-Mazar-e Sharif und Kabul-Kandahar, tätig sind. Diese Busse verkehren in der Regel täglich oder mehrmals pro Woche, und viele Unternehmen bieten ihre Dienste auf diesen Strecken an (RA KBL 4.12.2024).
Mit Stand Februar 2024 kosten eine Busfahrt von Kabul nach Mazar-e Sharif 850 AFN und ein Taxi 1.300 AFN (IOM 22.2.2024). Im Dezember 2024 gab eine weitere Quelle an, dass eine Fahrt von Kabul nach Mazar-e Sharif mit einem Premiumbus 1.200 AFN kosten würde. Der Preis für einen normalen Bus wird mit 700 AFN angegeben, während ein Taxi 1.000 AFN kosten würde. Zwischen Kabul und Herat kostet ein Premiumbus zwischen 2.000 und 2.200 AFN, ein normaler Bus zwischen 1.500 bis 1.700 AFN und ein Taxi 2.800 AFN pro Person (RA KBL 4.12.2024).
Flugverbindungen
Afghanistan verfügt über mehrere internationale und nationale Flughäfen, wie den internationalen Hamid-Karzai-Flughafen in Kabul, der mit Stand 22.11.2024 unter anderem Flüge zwischen Afghanistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi Arabien, der Türkei, Russland, Pakistan und Indien anbietet (Flightradar 24 22.11.2024a), oder der internationale Flughafen in Mazar-e Sharif, der mit Stand 22.11.2024 die Türkei und Saudi Arabien anfliegt (Flightradar 24 22.11.2024b). Internationale Flüge werden auch auf den Flughäfen in Kandahar (Flightradar 24 22.11.2024c) und Herat angeboten (Flightradar 24 22.11.2024d). Die Flughäfen Bost, Chaghcharan, Farah, Jalalabad, Khost, Tarinkot und Zaranj bieten mit Stand 22.11.2024 derzeit nur Inlandsflüge innerhalb Afghanistans an (Flightradar 24 22.11.2024e). [Anm.: Es handelt sich hierbei um eine Momentaufnahme. Die Zahl der aktiven Flughäfen und deren Destinationen, kann sich im Zeitverlauf ändern].
Grenzübergänge
Die Taliban haben die Überquerung der Grenze nach Pakistan und Iran ohne gültige Papiere verboten (RFE/RL 3.6.2022b; vgl. USDOS 20.3.2023a) und man benötigt für das Verlassen von Afghanistan einen gültigen Reisepass und eine Einreiseerlaubnis des Ziellandes (RA KBL 11.3.2024). Jedoch wird dieses Verbot von Schmugglern durch Bestechung von Grenzbeamten umgangen (RFE/RL 3.6.2022b; vgl. RFE/RL 27.5.2022). Am Grenzübergang Chaman [Belutschistan – Kandahar] galt eine Ausnahmeregelung für Einwohner der benachbarten Grenzregionen, mit dem afghanischen Identitätsausweis Tazkira einzureisen (ExT 2.10.2023). Mit 1.11.2023 wurde diese Möglichkeit aufgehoben und es gilt nun für alle eine Pass- und Visa-Vorschrift zur Einreise (DAWN 13.11.2023; vgl. VOA 3.10.2023).
Berichten zufolge kam es in den ersten zwei Jahren seit der Machtübernahme der Taliban bis September 2023 zu mindestens 50 Zwischenfällen an den Grenzen Afghanistans zu Iran, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan (AT 4.9.2023). So kam es im Jahr 2022 beispielsweise zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Grenzsoldaten an den Grenzen zwischen Afghanistan und Pakistan (AJ 13.12.2022; vgl. DAWN 22.11.2022, AA 26.6.2023, USDOS 20.3.2023a) sowie Afghanistan und Iran (REU 31.7.2022; vgl. AJ 31.5.2023, AA 26.6.2023), die sich im Jahr 2023 fortsetzten (AJ 31.5.2023; vgl. VOA 5.6.2023, UNGA 20.6.2023, UNGA 1.12.2023). Auch im Jahr 2024 kommt es zu Zusammenstößen an der Grenze zu Pakistan (DAWN 9.9.2024; vgl. AP 13.8.2024, RFE/RL 17.5.2024) und dem Iran (VOA 26.10.2024; vgl. IRINTL 25.4.2024). So wurden Berichten zufolge im Oktober 2024 mehr als 200 Afghanen durch die iranische Grenzpolizei getötet oder verletzt (REU 17.10.2024; vgl. NH 16.10.2024).
Es kommt zu temporären Schließungen pakistanischer (AJ 6.9.2023; vgl. , AnA 16.8.2024) und iranischer Grenzübergange (TN 23.1.2023; vgl. AnA 23.1.2023, AJ 31.5.2023). Beispielsweise wurde am 6.9.2023 der Grenzübergang Torkham zwischen Afghanistan und Pakistan vorübergehend geschlossen, nachdem es zu einem Schusswechsel zwischen Sicherheitskräften beider Länder kam (AJ 6.9.2023; vgl. REU 7.6.2023, UNGA 1.12.2023), wobei der Grenzübergang neun Tage später wieder geöffnet wurde (REU 15.9.2023).
Im Jahr 2024 gaben die iranischen Behörden den Plan bekannt, eine Mauer an der Grenze zu Afghanistan zu errichten (DW 17.5.2024; vgl. IRINTL 16.2.2024). Im September waren 10 km fertiggestellt und es sind weitere 50 km geplant (IrWire 23.9.2024; vgl. TEHT 23.9.2024).
Quellen
8am - Hasht-e Sobh (24.7.2022): Taliban Establishes Check Points Across Afghanistan-Iran Border to Identify Ex-Government NRF Affiliates, https://8am.media/eng/taliban-establishes-check-points-across-afghanistan-iran-border-to-identify-ex-government-nrf-affiliates, Zugriff 20.1.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich]
AJ - Al Jazeera (6.9.2023): Main Afghanistan-Pakistan border crossing closed after guards exchange fire, https://www.aljazeera.com/news/2023/9/6/main-afghanistan-pakistan-border-crossing-closed-after-guards-exchange-fire, Zugriff 22.1.2024
AJ - Al Jazeera (31.5.2023): What caused deadly Afghan-Iran border clashes? What happens next?, https://www.aljazeera.com/news/2023/5/30/what-caused-deadly-afghan-iran-border-clashes-what-happens-next, Zugriff 21.8.2023
AJ - Al Jazeera (13.12.2022): Pakistan-Afghanistan border crossing reopens after deadly firing, https://www.aljazeera.com/news/2022/12/13/pakistan-afghanistan-border-crossing-reopens-after-deadly-firing, Zugriff 23.1.2023
AnA - Anadolu Agency (16.8.2024): Key border crossing between Pakistan and Afghanistan reopens, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/key-border-crossing-between-pakistan-and-afghanistan-reopens/3304308, Zugriff 22.11.2024
AnA - Anadolu Agency (23.1.2023): Iran closes Afghan border crossing after skirmishes with Taliban, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/iran-closes-afghan-border-crossing-after-skirmishes-with-taliban/2571219, Zugriff 23.1.2023
AP - Associated Press (13.8.2024): Pakistani, Afghan Taliban forces trade fire at Torkham border crossing, killing 3 Afghan civilians, https://apnews.com/article/pakistan-afghanistan-torkham-border-shootout-153a235135b94712eb3e7baed47f3e95, Zugriff 22.11.2024
AP - Associated Press (3.5.2023): Report: Taliban interfering with NGO work in Afghanistan, https://apnews.com/article/afghanistan-taliban-ngo-rifle-harassment-women-b7e14fd135717eeb36d37287cdb655f2, Zugriff 13.2.2024
AT - Afghanistan Times (4.9.2023): Taliban engaged in 50 border clashes since takeover, https://www.afghanistantimes.af/taliban-engaged-in-50-border-clashes-since-takeover, Zugriff 22.1.2024
DAWN - DAWN Newspaper (9.9.2024): Eight Afghan troops killed in border clash, https://www.dawn.com/news/1857769, Zugriff 22.11.2024
DAWN - DAWN Newspaper (13.11.2023): More border crossings to open for repatriation, https://www.dawn.com/news/1788880, Zugriff 26.2.2024
DAWN - DAWN Newspaper (22.11.2022): Pak-Afghan border reopens after a week, https://www.dawn.com/news/1722315, Zugriff 23.1.2023
DW - Deutsche Welle (17.5.2024): Iran hopes to boost security with Afghan border wall, https://www.dw.com/en/iran-hopes-to-boost-security-with-afghan-border-wall/a-69076374, Zugriff 22.11.2024
EAR - Eurasia Review (24.10.2023): The Shifting Landscape Of Security In Taliban-Controlled Afghanistan, https://www.eurasiareview.com/24102023-the-shifting-landscape-of-security-in-taliban-controlled-afghanistan-oped, Zugriff 13.2.2024
ExT - Express Tribune, The (2.10.2023): Pakistan to introduce ‘single-document regime’ for Afghan travelers, https://tribune.com.pk/story/2438819/pakistan-to-introduce-single-document-regime-for-afghan-travelers, Zugriff 26.2.2024
Flightradar 24 - Flightradar 24 - Flugradar zur Flugzeugverfolgung in Echtzeit (22.11.2024a): Flugverkehr Kabul, Stand 22.11.2024, https://www.flightradar24.com/data/airports/kbl/routes, Zugriff 22.11.2024
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Flightradar 24 - Flightradar 24 - Flugradar zur Flugzeugverfolgung in Echtzeit (22.11.2024c): Flugverkehr Kandahar, Stand 22.11.2024, https://www.flightradar24.com/data/airports/kdh/routes, Zugriff 22.11.2024
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Politische Lage
Letzte Änderung 2025-01-31 16:38
Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 1.6.2023b). Sie bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USIP 17.8.2022; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem "islamischen Recht und den afghanischen Werten" regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.8.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.6.2023).
Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.8.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. REU 7.9.2021a, VOA 19.8.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 8.9.2021; vgl. DIP 4.1.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 1.6.2023b) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.6.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansässige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 1.6.2023b). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban "Interims"-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.8.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.8.2022; vgl. HRW 4.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge "Sittenpolizei" berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.8.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.8.2021; vgl. USDOS 12.4.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.9.2021; vgl. Guardian 20.9.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.6.2023).
Der Ernennung einer aus 33 Mitgliedern bestehenden geschäftsführenden Übergangsregierung im September 2021 folgten zahlreiche Neuernennungen und Umbesetzungen auf nationaler, Provinz- und Distriktebene in den folgenden Monaten, wobei Frauen weiterhin gar nicht und nicht-paschtunische Bevölkerungsgruppen nur in geringem Umfang berücksichtigt wurden (AA 26.6.2023).
[...]
Die Regierung der Taliban wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 8.9.2021; vgl. REU 7.9.2021b, Afghan Bios 18.7.2023).
Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 7.9.2021; vgl. REU 7.9.2021b, Afghan Bios 16.2.2022), der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.2.2021 unterzeichnete (AJ 7.9.2021; vgl. VOA 29.2.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 7.7.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 7.7.2022b; vgl. UNSC o.D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 27.11.2023; vgl. 8am 5.10.2021, UNGA 28.1.2022).
Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 4.3.2023; vgl. JF 5.11.2021) als Innenminister (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 4.3.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 14.12.2023), welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 14.12.2023; vgl. UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 6.9.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 6.9.2023; vgl. RFE/RL 29.8.2020).
Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.8.2022). Diese Dynamik wurde am 23.3.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.8.2022; vgl. RFE/RL 24.3.2022, UNGA 15.6.2022). Seitdem ist die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von "duellierenden Machtzentren" zwischen den in Kabul und Kandahar ansässigen Taliban zu sprechen (USIP 17.8.2022) und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 3.6.2022a). Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.8.2022).
In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr im Jahr 2023 sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet hat, und "die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung" dabei seien, zu Ende zu gehen (AnA 18.4.2020; vgl. BAMF 30.6.2023).
Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wir als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 5.6.2023; vgl. BAMF 30.6.2023).
Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 5.5.2023; vgl. VOA 6.5.2023).
Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vgl. AMU 22.11.2023).
Internationale Anerkennung der Taliban
Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 9.1.2024; vgl. VOA 10.12.2023) dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.3.2023; vgl. OI 25.3.2023). Im November 2023 sagte der stellvertretende Taliban-Außenminister, dass derzeit 20 Botschaften in Nachbarländern aktiv wären (TN 29.11.2023), einschließlich der afghanischen Botschaft in Teheran (TN 27.2.2023) und des strategisch wichtigen Generalkonsulats in Istanbul (Afintl 27.2.2023; vgl. KP 23.2.2023). Berichten zufolge nahm auch die Türkei im Oktober 2023 einen neuen von den Taliban ernannten Diplomaten in der afghanischen Botschaft in Ankara auf (Afintl 14.2.2024). Eine Reihe von Ländern verfügt auch weiterhin über offizielle Botschafter in Afghanistan. Dazu gehören China und andere Nachbarländer wie Pakistan, Iran und die meisten zentralasiatischen Republiken, aber auch Russland, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan (AAN/Ruttig 7.12.2023). Aber auch westliche Länder (mit Ausnahme Australiens) haben weder ihre Botschaften in Kabul offiziell geschlossen noch die diplomatischen Beziehungen offiziell abgebrochen. Vielmehr unterhalten sie kein diplomatisches Personal im Land. Einige Länder haben immer noch amtierende Botschafter oder nachrangige Diplomaten, die nicht in Kabul ansässig sind, und es gibt auch eine (schrumpfende) Anzahl von Sonderbeauftragten für Afghanistan (im Rang eines Botschafters). Die meisten westlichen Kontakte mit Taliban-Beamten finden in Katars Hauptstadt Doha statt, wo Diplomaten unterhalb der Botschafterebene ihre Länder bei den Treffen vertreten (AAN/Ruttig 7.12.2023).
Am 24.11.2023 entsandten die Taliban ihren ersten Botschafter in die Volksrepublik China (KP 26.11.2023; vgl. AMU 25.11.2023). Dieser Schritt folgt auf die Ernennung eines Botschafters Chinas in Afghanistan zwei Monate zuvor, womit China das erste Land ist, das einen Botschafter nach Kabul unter der Taliban-Regierung entsandt hat (AMU 25.11.2023; vgl. VOA 10.12.2023). Nach Ansicht einiger Analysten sowie ehemaliger Diplomatinnen und Diplomaten bedeutet dieser Schritt die erste offizielle Anerkennung der Taliban-Übergangsregierung durch eine große Nation (VOA 31.1.2024; vgl. REU 13.9.2023). Nach Angaben des US-Außenministeriums prüfen die USA die Möglichkeit von konsularischem Zugang in Afghanistan. Dies solle keine Anerkennung der Taliban-Regierung bedeuten, sondern dem Aufbau funktionaler Beziehungen dienen, um eigene Ziele besser verfolgen zu können (USDOS 31.10.2023). Ebenso am 24.11.2023 wurde die afghanische Botschaft in Neu-Delhi, die von loyalen Diplomaten der Vor-Taliban-Regierung geleitet wurde, endgültig geschlossen. Einige Tage später erklärten Taliban-Vertreter, dass die Botschaft bald wieder eröffnet und von ihren Diplomaten geleitet werden wird (Wilson 12.12.2023; vgl. VOA 29.11.2023).
Drogenbekämpfung
Im April 2022 verfügte der oberste Taliban-Führer Haibatullah Akhundzada, dass der Anbau von Mohn, aus dem Opium, die wichtigste Zutat für die Droge Heroin, gewonnen werden kann, streng verboten ist (BBC 6.6.2023).
Die vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) im Jahr 2023 durchgeführte Opiumerhebung in Afghanistan ergab, dass der Schlafmohnanbau nach einem von den Taliban-Behörden im April 2022 verhängten Drogenverbot um schätzungsweise 95 % zurückgegangen ist (UNODC 11.2023; vgl. UNGA 1.12.2023), wobei ein anderer Experte den Rückgang des Mohnanbaus zwischen 2022 und 2023 auf 80 % schätzt (BBC 6.6.2023). Der Opiumanbau ging in allen Teilen des Landes von 233.000 Hektar auf 10.800 Hektar im Jahr 2023 zurück, was zu einem Rückgang des Opiumangebots von 6.200 Tonnen im Jahr 2022 auf 333 Tonnen im Jahr 2023 führte. Der drastische Rückgang hatte unmittelbare humanitäre Folgen für viele gefährdete Gemeinschaften, die auf das Einkommen aus dem Opiumanbau angewiesen sind. Das Einkommen der Bauern aus dem Verkauf der Opiumernte 2023 an Händler sank um mehr als 92 % von geschätzten 1,36 Milliarden Dollar für die Ernte 2022 auf 110 Millionen Dollar im Jahr 2023 (UNODC 11.2023; vgl. UNGA 1.12.2023). Der weniger rentable Weizenanbau hat den Mohn auf den Feldern verdrängt - und viele Landwirte berichten, dass sie finanziell darunter leiden (BBC 6.6.2023).
Am 30.9.2023 veröffentlichte der Oberste Gerichtshof der Taliban eine Reihe von Drogenstrafverfahren, die Strafen für den Anbau, den Verkauf, den Transport, die Herstellung und den Konsum von Mohn, Marihuana und anderen Rauschmitteln vorsehen. Die vorgeschriebenen Freiheitsstrafen reichen von einem Monat bis zu sieben Jahren ohne die Möglichkeit, eine Geldstrafe zu zahlen (UNGA 1.12.2023).
Anfang 2024 verkündete der amtierende Verteidigungsminister der Taliban, dass im Zuge der Bekämpfung der Drogenproduktion im Jahr 2023 4.472 Tonnen Rauschgift vernichtet, 8.282 an der Produktion und am Schmuggel beteiligte Personen verhaftet und 13.904 Hektar Mohnanbaufläche gerodet wurden. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Armut in den ländlichen und landwirtschaftlichen Gemeinden wieder zum Mohnanbau führen könnte (VOA 3.1.2024). So gab ein Farmer, dessen Feld von den Taliban wegen Mohnanbaus zerstört wurde an, dass er durch Weizenanbau nur einen Bruchteil dessen verdienen würde, was er mit Mohn verdienen könnte (BBC 6.6.2023).
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Sicherheitslage
Letzte Änderung 2025-01-31 16:37
[Anm.: In diesem Kapitel werden aufbereitete Daten von verschiedenen Quellen dargestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Methodologien bzw. Definitionen können die Daten voneinander abweichen. Für weitere Informationen sei auf das Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen.]
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes zurückgegangen (AI 24.4.2024; vgl. UNAMA 27.6.2023). Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es beispielsweise weniger konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) (UNGA 28.1.2022) sowie eine geringere Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung (UNAMA 27.6.2023; vgl. UNAMA 7.2022). Die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) und Amnesty International (AI) haben jedoch weiterhin ein erhebliches Ausmaß an zivilen Opfern (AI 24.4.2024; vgl. UNAMA 27.6.2023) durch vorsätzliche Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs) dokumentiert (UNAMA 27.6.2023).
Nach Angaben der Vereinten Nationen entwickelten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle seit der Machtübernahme der Taliban folgendermaßen:
19.8.2021 - 31.12.2021: 985 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 91 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.1.2022)
1.1.2022 - 21.5.2022: 2.105 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 467 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 15.6.2022)
22.5.2022 - 16.8.2022: 1.642 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 77,5 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 14.9.2022)
17.8.2022 - 13.11.2022: 1.587 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 7.12.2022)
14.11.2022 - 31.1.2023: 1.088 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 10 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 27.2.2023)
1.2.2023 - 20.5.2023: 1.650 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 1 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 20.6.2023)
20.5.2023 - 31.7.2023: 1.259 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 1 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 18.9.2023)
1.8.2023 - 21.10.2023: 1.414 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 2 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 1.12.2023)
1.11.2023 - 10.1.2023: 1.508 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 38 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.2.2024)
1.2.2024 - 13.5.2024: 2.505 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 55 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 13.6.2024)
14.5.2024 - 31.7.2024: 2.127 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 53 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 9.9.2024)
Nachfolgende Grafik zeigt den Verlauf der sicherheitsrelevanten Vorfälle zwischen Jänner 2023 und Dezember 2024 laut ACLED an. Unterteilt wurde diese vom OSIF-Projekt der Staatendokumentation erstellte Grafik in die Vorfallsarten battles, explosions/remote violence sowie violence against civilians. [für weitere Informationen zu Datenerfassung und Methodologie von ACLED sei auf die entsprechende Passage im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen]:

erstellt vom Projekt OSIF der Staatendokumentation basierend auf Daten von ACLED (ACLED 13.1.2025)
Wie den oben aufgeführten Daten von ACLED (ACLED 13.1.2025) und den Vereinten Nationen zu entnehmen ist, sind die sicherheitsrelevanten Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2024 angestiegen. Dies hängt laut den Vereinten Nationen vor allem mit vermehrten Zwischenfällen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024) und Grundstückstreitigkeiten zusammen (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024) und war zum Teil auf die Bemühungen der Taliban-Behörden zurückzuführen, das Verbot des Mohnanbaus durchzusetzen (UNGA 13.6.2024).

erstellt vom Projekt OSIF der Staatendokumentation basierend auf Daten des Uppsala Conflict Data Program (UCDP) (UCDP 9.12.2024)
Auch die vom Uppsala Conflict Data Program (UCDP) erfassten Vorfälle zeigen dieses Bild. Mit Beginn des Jahres 2022 gehen die sicherheitsrelevanten Vorfälle deutlich zurück. In der ersten Jahreshälfte 2024 ist jedoch wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Bei jenen sicherheitsrelevanten Vorfällen, die den ISKP betreffen, erkennt man einen Rückgang im Laufe der letzten Jahre, wobei auch hier ein leichter Anstieg in der ersten Jahreshälfte 2024 zu erkennen ist (UCDP 9.12.2024). [Für weitere Informationen zu Datenerfassung und Methodologie von UCDP sei auf die entsprechende Passage im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen]:
Laut Angaben der Vereinten Nationen hatten sich die Aktivitäten des ISKP nach der Machtübernahme der Taliban zunächst verstärkt (UNGA 28.1.2022; vgl. UNGA 15.6.2022, UNGA 14.9.2022, UNGA 7.12.2022). Im Lauf der Jahre 2022 (UNGA 7.12.2022; vgl. UNGA 27.2.2023) und in 2023 nahmen diese Aktivitäten jedoch wieder ab (UNGA 20.6.2023; vgl. UNGA 18.9.2023, UNGA 1.12.2023). Ein Trend, der sich auch 2024 fortsetzt (UNGA 28.2.2024). Ziele der Gruppierung sind die schiitischen Hazara (AI 24.4.2024; vgl. UNAMA 22.1.2024, UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024), ausländische Staatsbürger (UNGA 9.9.2024) sowie Mitglieder der Taliban (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024). Die Taliban führen weiterhin Operationen gegen den ISKP durch (UNGA 13.6.2024), unter anderem in Nangarhar (UNGA 9.9.2024).
Ende 2022 und während des Jahres 2023 nehmen die Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppierungen und den Taliban weiter ab (UNGA 27.2.2023; vgl. UNGA 20.6.2023, UNGA 18.9.2023). Dieser Trend setzt sich auch im Jahre 2024 fort. Nach dem Dafürhalten der Vereinten Nationen stellt die bewaffnete Opposition mit 2024 weiterhin keine nennenswerte Herausforderung für die territoriale Kontrolle der Taliban dar (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024). Die Nationale Widerstandsfront und die Afghanische Freiheitsfront gehen mit einer "Hit-and-Run"-Taktik gegen die Taliban-Sicherheitskräfte vor, greifen deren Posten und Fahrzeuge an und verübten Hinterhalte und gezielte Tötungen (UNGA 9.9.2024).
Mit Verweis auf das United Nations Department of Safety and Security (UNDSS) berichtet IOM (International Organization for Migration), dass organisierte Verbrechergruppen in ganz Afghanistan an Entführungen zur Erlangung von Lösegeld beteiligt sind. 2023 wurden 21 Entführungen dokumentiert, 2024 waren es, mit Stand Februar 2024, zwei. Anscheinend werden nicht alle Entführungen gemeldet, und oft zahlen die Familien das Lösegeld. Die meisten Entführungen (soweit Informationen verfügbar waren) fanden in oder in der Nähe von Wohnhäusern statt und nicht auf der Straße. Von den 21 im Jahr 2023 gemeldeten Entführungen ereigneten sich vier in Kabul. Zwei der Vorfälle in Kabul betrafen die Entführung ausländischer Staatsangehöriger, wobei nur wenige Einzelheiten über die Umstände der Entführungen bekannt wurden. Die Taliban-Sicherheitskräfte reagierten aktiv auf Entführungsfälle. Im Juni 2023 leiteten die Taliban beispielsweise in Kabul eine erfolgreiche Rettungsaktion eines entführten ausländischen Staatsangehörigen. In der Provinz Balkh führte eine Reaktion der Taliban gegen die Entführer im Februar 2023 zum Tod eines Entführers und zur Festnahme von zwei weiteren Personen (IOM 22.2.2024).
In einem Interview durchgeführt von EUAA in Kooperation mit dem schwedischen Migrationsamt (Migrationsverket), der Staatendokumentation und Landinfo gab ein afghanischer Forscher befragt zur Sicherheitslage an, dass die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Afghanistan zurückgegangen ist. Es gibt, seiner Einschätzung nach, keine Region in Afghanistan, in welcher oppositionelle Gruppen offen die Kontrolle haben. In Provinzen wie Panjsher, Baghlan, Badakhshan, Kunduz und Takhar, in denen es in der Vergangenheit zu Kämpfen zwischen den Taliban und verschiedenen Gruppierungen gekommen ist, verlief der Verkehr normal und Einheimische in der Region erzählten dem Forscher, dass es keine Zwischenfälle geben würde. Betreffend die Kapazitäten des NRF hatte er nur wenig Informationen, er schreibt dem ISKP jedoch zumindest die Möglichkeit operativer Aktivitäten zu, wobei er anfügt, dass die Taliban immer effizienter bei der Aushebung von ISKP-Zellen zu werden scheinen. Dies zeigt sich in einer entspannteren Sicherheitslage in beispielsweise Kabul und Herat. Der Forscher schließt daraus, dass weder der ISKP noch andere Gruppierungen aktuell wirklich ein Problem für die Taliban sind (VQ AFGH 3 1.10.2024).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul-Stadt, Herat-Stadt und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 68,3 % der Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Region oder das ganze Land hochgerechnet werden können. Die Befragten wurden gefragt, wie sicher sie sich in ihrer Nachbarschaft fühlen, was sich davon unterscheidet, ob sie sich unter dem Taliban-Regime sicher fühlen oder ob sie die Taliban als Sicherheitsgaranten betrachten, oder ob sie sich in anderen Teilen ihrer Stadt oder anderswo im Land sicher fühlen würden. Das Sicherheitsgefühl ist auch davon abhängig, in welchem Ausmaß die Befragten ihre Nachbarn kennen und wie vertraut sie mit ihrer Nachbarschaft sind und nicht darauf, wie sehr sie sich in Sachen Sicherheit auf externe Akteure verlassen. Nicht erfasst wurde in der Studie, inwieweit bei den Befragten Sicherheitsängste oder Bedenken in Hinblick auf die Taliban oder Gruppen wie den ISKP vorliegen. In Bezug auf Straßenkriminalität und Gewalt gaben 70,7 % bzw. 79,7 % der Befragen an, zwischen September und Oktober 2021 keiner Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht erfassen, welche Maßnahmen der Risikominderung von den Befragten durchgeführt werden, wie z. B.: die Verringerung der Zeit, die sie außerhalb ihres Hauses verbringen, die Änderung ihres Verhaltens, einschließlich ihres Kaufverhaltens, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sowie die Einschränkung der Bewegung von Frauen und Mädchen im Freien (ATR/STDOK 18.1.2022).
Im Dezember 2022 wurde von ATR Consulting erneut eine Studie im Auftrag der Staatendokumentation durchgeführt. Diesmal ausschließlich in Kabul-Stadt. Hier variiert das Sicherheitsempfinden der Befragten, was laut den Autoren der Studie daran liegt, dass sich Ansichten der weiblichen und männlichen Befragten deutlich unterscheiden. Insgesamt gaben die meisten Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen, wobei die relativ positive Wahrnehmung der Sicherheit und die Antworten der Befragten, nach Meinung der Autoren, daran liegt, dass es vielen Befragten aus Angst vor den Taliban unangenehm war, über Sicherheitsfragen zu sprechen. Sie weisen auch darauf hin, dass die Sicherheit in der Nachbarschaft ein schlechtes Maß für das Sicherheitsempfinden der Menschen und ihre Gedanken über das Leben unter dem Taliban-Regime ist (ATR/STDOK 3.2.2023).
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (13.1.2025): Curated Data - Afghanistan (25.11.2023 - 25.11.2024), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2025
AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights; Afghanistan 2023, https://www.ecoi.net/en/document/2107826.html, Zugriff 7.5.2024
ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (3.2.2023): Kabul - Social Economic Survey 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2087688/Kabul_Socio-Economic Survey 2022.pdf, Zugriff 6.2.2023 [Login erforderlich]
ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (18.1.2022): Survey report on the socio-economic situation (demography; security; economy; health care; housing), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066706/AFGHANISTAN - Socio-Economic Survey 2021.pdf, Zugriff 19.1.2023
IOM - International Organization for Migration (22.2.2024): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2104781/Socioeconomic Information Update Afghanistan.pdf, Zugriff 23.2.2024 [Login erforderlich]
UCDP - Uppsala Conflict Data Program (9.12.2024): Daten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in Afghanistan, zur Verfügung gestellt via E-Mail. Liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (22.1.2024): Human rights situation in Afghanistan: October - December 2023 Update, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/english_hr_update_22jan_2024.pdf, Zugriff 20.2.2024
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (27.6.2023): Impact of Improvised Explosive Devices on Civilians in Afghanistan; 15 August 2021 – 30 May 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2094034/report_on_civilian_harm_caused_by_ied_-_eng_27062023.pdf, Zugriff 16.8.2023
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (7.2022): Human Rights in Afghanistan 15 August 2021 - 15 June 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075723/unama_human_rights_in_afghanistan_report_-_june_2022_english.pdf, Zugriff 3.1.2023
UNGA - United Nations General Assembly (9.9.2024): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116020/n2424979.pdf, Zugriff 19.11.2024
UNGA - United Nations General Assembly (13.6.2024): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111394/n2415471.pdf, Zugriff 19.11.2024
UNGA - United Nations General Assembly (28.2.2024): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security; Report of the Secretary-General [A/78/789-S/2024/196], https://www.ecoi.net/en/file/local/2105950/n2404810.pdf, Zugriff 19.11.2024
UNGA - United Nations General Assembly (1.12.2023): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2102425/N2336960.pdf, Zugriff 14.2.2024
UNGA - United Nations General Assembly (18.9.2023): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097813/N2325802.pdf, Zugriff 15.2.2024
UNGA - United Nations General Assembly (20.6.2023): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2095410/N2317030.pdf, Zugriff 11.8.2023
UNGA - United Nations General Assembly (27.2.2023): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2088888/N2305123.pdf, Zugriff 11.8.2023
UNGA - United Nations General Assembly (7.12.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2084394/N2273222.pdf, Zugriff 12.1.2023
UNGA - United Nations General Assembly (14.9.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079419/N2259109.pdf, Zugriff 12.1.2023
UNGA - United Nations General Assembly (15.6.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074514/N2237309.pdf, Zugriff 4.1.2023
UNGA - United Nations General Assembly (28.1.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067517/A_76_667--S_2022_64-EN.pdf, Zugriff 19.12.2022
VQ AFGH 3 - Analyst aus Afghanistan [vertrauliche Quelle 3] (1.10.2024): Interview with Afghan analyst conducted by EUAA in cooperation with Landinfo, Migrationsverket and Staatendokumentation, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
Sicherheitsrelevante Vorfälle und zivile Opfer nach Provinzen (25.11.2023 - 25.11.2024)
Letzte Änderung 2025-01-31 16:37

erstellt vom Projekt-OSIF der Staatendokumentation basierend auf Daten von ACLED (ACLED 13.1.2025) und UCDP (UCDP 9.12.2024)
Laut den von ACLED erfassten Daten fanden in allen drei angeführten Bereichen die meisten der Vorfälle in Ost-Afghanistan statt, wobei hier vor allem in Kabul ein Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle stattfand (ACLED 13.1.2025).
Im Zeitraum zwischen 25.11.2023 und 25.11.2024 gab es die meisten zivilen Opfer (mehr als 60 %), gemäß UCDP, in Nord-Afghanistan. Ca. ein Viertel (100) gab es in Ost-Afghanistan. 30 Todesopfer gab es in Zentralafghanistan, 17 in West-Afghanistan und 2 in Süd-Afghanistan. Auf Provinzebene gab es die meisten Todesopfer in Badakhshan (168), gefolgt von Kabul (56) und Baghlan (44) (UCDP 9.12.2024).
[Anm.: Für weitere Informationen zu Datenerfassung und Methodologie von ACLED und UCDP sei auf die entsprechende Passage im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen]
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (13.1.2025): Curated Data - Afghanistan (25.11.2023 - 25.11.2024), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2025
UCDP - Uppsala Conflict Data Program (9.12.2024): Daten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in Afghanistan, zur Verfügung gestellt via E-Mail. Liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
Verfolgungungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten
Letzte Änderung 2025-01-14 16:00
Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitsbehörden abzusehen (AA 26.6.2023; vgl. USDOS 20.3.2023a), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021b; vgl. DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vgl. NYT 29.8.2021), unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Irisscans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022). So wurde beispielsweise berichtet, dass ein ehemaliger Militäroffizier nach seiner Abschiebung von Iran nach Afghanistan durch ein biometrisches Gerät identifiziert wurde und danach von den Taliban gewaltsam zum Verschwinden gebracht wurde. Ein weiterer Rückkehrer aus Iran berichtet, dass im Zuge der Abschiebung aus Iran Daten der Rückkehrer vom iranischen Geheimdienst an die Taliban weitergegeben werden (KaN 18.10.2023).
Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung nutzt soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021b, 8am 14.11.2022), was dazu führt, dass Afghanen seit der Machtübernahme der Taliban in den sozialen Medien Selbstzensur verüben, aus Angst und Unsicherheit (Internews 12.2023). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021). Ein hochrangiges Mitglied der ehemaligen Streitkräfte berichtet, dass ihm vor seiner Rückkehr verschiedene Versprechen gemacht wurden, er bei Ankunft auf dem Flughafen in Kabul jedoch wie ein Feind behandelt wurde. Er wurde sofort erkannt, da die Taliban sein Bild und weitere Informationen zu seiner Person über die sozialen Medien verbreiteten. Mit Stand Oktober 2023 lebt er in Kabul, sein Haus wurde mehrfach durch die Taliban durchsucht und sein Bankkonto gesperrt. Ein anderes Mitglied der ehemaligen Streitkräfte gab an, dass seine Informationen vor seiner Rückkehr auf Twitter [Anm.: jetzt X] verbreitet wurden und ein weiterer Rückkehrer berichtete, dass er eine biometrische Registrierung durchlaufen musste (KaN 18.10.2023).
Im Sommer 2023 wurde berichtet, dass die Taliban ein groß angelegtes Kameraüberwachungsnetz für afghanische Städte aufbauen (AI 5.9.2023; vgl. VOA 25.9.2023), das die Wiederverwendung eines Plans beinhalten könnte, der von den Amerikanern vor ihrem Abzug 2021 ausgearbeitet wurde, so ein Sprecher des Taliban-Innenministeriums. Die Taliban-Regierung hat sich auch mit dem chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei über eine mögliche Zusammenarbeit beraten, sagte der Sprecher (VOA 25.9.2023; vgl. RFE/RL 1.9.2023), wobei Huawei bestritt, beteiligt zu sein (RFE/RL 1.9.2023). Beobachter befürchten jedoch, dass die Taliban ihr Netz von Überwachungskameras auch dazu nutzen werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken und ihre repressive Politik durchzusetzen (RFE/RL 1.9.2023), einschließlich der Einschränkung des Erscheinungsbildes der Afghanen, der Bewegungsfreiheit, des Rechts zu arbeiten oder zu studieren und des Zugangs zu Unterhaltung und unzensierten Informationen (RFE/RL 1.9.2023).
Quellen
8am - Hasht-e Sobh (14.11.2022): Taliban Arrests Young Man for Criticizing the Group on Social Media - Hasht-e Subh Daily, https://8am.media/eng/taliban-arrests-young-man-for-criticizing-the-group-on-social-media, Zugriff 31.1.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (5.9.2023): Afghanistan: Installing thousands of cameras risks creating total surveillance state, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/08/afghanistan-installing-thousands-of-cameras-risks-creating-total-surveillance-state, Zugriff 31.1.2024
BBC - British Broadcasting Corporation (20.8.2021b): Afghanistan: Taliban carrying out door-to-door manhunt, report says, https://www.bbc.com/news/world-asia-58271797, Zugriff 31.1.2023
DW - Deutsche Welle (20.8.2021): Taliban hunting down Afghans on blacklist — report, https://www.dw.com/en/taliban-hunting-down-afghans-on-blacklist-report/a-58914571, Zugriff 31.1.2023
FR24 - France 24 (9.1.2022): Taliban arrest Afghan professor after social media criticism, https://www.france24.com/en/live-news/20220109-taliban-arrest-afghan-professor-after-social-media-criticism, Zugriff 31.1.2023
Golem - Golem Media GmbH (20.8.2021): Afghanistan: Taliban jagen ihre Gegner auch via Netz - Golem.de, https://www.golem.de/news/afghanistan-taliban-jagen-ihre-gegner-auch-via-netz-2108-158996.html, Zugriff 31.1.2023
HRW - Human Rights Watch (30.3.2022): New Evidence that Biometric Data Systems Imperil Afghans, https://www.hrw.org/news/2022/03/30/new-evidence-biometric-data-systems-imperil-afghans, Zugriff 15.12.2022
HRW - Human Rights Watch (1.11.2021): “No Forgiveness for People Like You”, https://www.hrw.org/sites/default/files/media_2021/11/afghanistan1121_web.pdf, Zugriff 31.1.2023
Intercept - Intercept, The (17.8.2021): The Taliban Have Seized U.S. Military Biometrics Devices, https://theintercept.com/2021/08/17/afghanistan-taliban-military-biometrics, Zugriff 31.1.2023
Internews - Internews (12.2023): The Information Ecosystem in Afghanistan and Implications for Humanitarian Action - Afghanistan, https://reliefweb.int/attachments/28cd3554-e7f5-4994-a9e9-47e26f90ef99/Internews AFG-RiT-IEA-Dec2023.pdf, Zugriff 23.2.2024
KaN - Kabul Now (18.10.2023): Talibans False Amnesty: The Fate of Former Military Officers Who Return to Afghanistan, https://kabulnow.com/2023/07/talibans-false-amnesty-the-fate-of-former-military-officers-who-return-to-afghanistan, Zugriff 15.2.2024
NYT - New York Times, The (29.8.2021): As the Taliban Tighten Their Grip, Fears of Retribution Grow, https://www.nytimes.com/2021/08/29/world/asia/afghanistan-taliban-revenge.html, Zugriff 31.1.2023
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.9.2023): The Azadi Briefing: Is The Taliban Creating A Surveillance State In Afghanistan?, https://www.rferl.org/a/azadi-briefing-taliban-surveillance-state-afghanistan/32574507.html, Zugriff 31.1.2024
ROW - Rest of World - Reporting Global Tech Stories (20.8.2021): Afghans are forced to choose between staying safe and staying online, https://restofworld.org/2021/afghans-social-media-taliban, Zugriff 9.2.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023a): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2089060.html, Zugriff 15.5.2023
VOA - Voice of America (25.9.2023): Taliban Weighs Using US Mass Surveillance Plan, Met with China’s Huawei, https://www.voanews.com/a/taliban-weighs-using-us-mass-surveillance-plan-met-with-china-s-huawei-/7282626.html, Zugriff 31.1.2024
Zentrale Akteure
Taliban
Letzte Änderung 2025-01-31 16:38
Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe (CFR 17.8.2022), die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 20.3.2023a). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USDOS 20.3.2023a; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).
Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vgl. PJIA/Rehman 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. CFR 17.8.2022, PJIA/Rehman 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022; vgl. Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).
Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022; vgl. NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022; vgl. REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021).
Haqqani-Netzwerk
Das Haqqani-Netzwerk hat seine Wurzeln im Afghanistan-Konflikt der späten 1970er-Jahre. Mitte der 1980er-Jahre knüpfte Jalaluddin Haqqani, der Gründer des Haqqani-Netzwerks (GSSR 12.11.2023), eine Beziehung zum Führer von al-Qaida, Osama bin Laden (UNSC o.D.c; vgl. FR24 21.8.2021). Jalaluddin schloss sich 1995 der Taliban-Bewegung an (UNSC o.D.c; vgl. ASP 1.9.2020), behielt aber seine eigene Machtbasis an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan (UNSC o.D.c). Der Kern der Ideologie der Gruppe ist eine antiwestliche, regierungsfeindliche und "sunnitisch-islamische Deobandi"-Haltung, die an die Einhaltung orthodoxer islamischer Prinzipien glaubt, die durch die Scharia geregelt werden, und die den Einsatz des Dschihad zur Erreichung der Ziele der Gruppe befürwortet. Die Haqqanis lehnen äußere Einflüsse innerhalb des Islams strikt ab und fordern, dass die Scharia das Gesetz des Landes ist (GSSR 12.11.2023).
Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 übernahm Jalaluddins Sohn, Sirajuddin Haqqani, die Kontrolle über das Netzwerk (UNSC o.D.c, vgl. VOA 4.8.2022). Er ist seit 2015 auch einer der Stellvertreter des Taliban-Anführers Haibatullah Akhundzada (FR24 21.8.2021; vgl. UNSC o.D.c). Das Haqqani-Netzwerk gilt dank seiner finanziellen und militärischen Stärke - und seines Rufs als skrupelloses Netzwerk - als halbautonom (FR24 21.8.2021), auch wenn es den Taliban angehört (UNSC 21.11.2023; vgl. FR24 21.8.2021).
Das Netzwerk unterhält Verbindungen zu al-Qaida und, zumindest zeitweise bis zur Machtübernahme der Taliban, der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022). Es wird angemerkt, dass nach der Machtübernahme und der Eskalation der ISKP-Angriffe kein Raum mehr für Unklarheiten in der strategischen Konfrontation der Taliban mit ISKP bestand und es daher nicht im Interesse der Haqqanis lag, solche Verbindungen zu pflegen (UNSC 26.5.2022). Zudem wird vermutet, dass auch enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst (VOA 30.8.2022; vgl. DT 7.5.2022) und den Tehreek-e-Taliban (TTP), den pakistanischen Taliban, bestehen (UNSC 26.5.2022).
Quellen
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ASP - American Security Project (1.9.2020): The Haqqani Network: The Shadow Group Supporting the Taliban’s Operations, https://www.jstor.org/stable/resrep26605?seq=3#metadata_info_tab_contents, Zugriff 22.12.2022
CFR - Council on Foreign Relations (17.8.2022): The Taliban in Afghanistan, https://www.cfr.org/backgrounder/taliban-afghanistan, Zugriff 19.12.2022
DT - Daily Times (7.5.2022): Taliban Heading Towards an Inhouse Fight - Daily Times, https://dailytimes.com.pk/930439/taliban-heading-towards-an-inhouse-fight, Zugriff 10.1.2023
DW - Deutsche Welle (11.10.2021): What will the Taliban do without an enemy to fight?, https://www.dw.com/en/afghanistan-what-will-the-taliban-do-without-an-enemy-to-fight/a-59467732, Zugriff 9.1.2023
EER - European Eye on Radicalization (10.2022): Taliban: Structure, Strategy, Agenda, and the International Terrorism Threat, https://eeradicalization.com/wp-content/uploads/2022/10/Taliban-Report-by-Ajmal-Souhail-final.pdf, Zugriff 9.1.2023
EUAA - European Union Agency for Asylum (8.2022): Afghanistan Security Situation, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2022_08_EUAA_COI_Report_Afghanistan_Security_situation.pdf, Zugriff 9.1.2023
FR24 - France 24 (21.8.2021): The Haqqani network: Afghanistan's most feared militants, https://www.france24.com/en/live-news/20210821-the-haqqani-network-afghanistan-s-most-feared-militants, Zugriff 22.12.2022
GSSR - Georgetown Security Studies Review (12.11.2023): A Network of Possibilities: How the Haqqani Network Changed the Face of Global Terrorism Forever, https://georgetownsecuritystudiesreview.org/2023/11/13/a-network-of-possibilities-how-the-haqqani-network-changed-the-face-of-global-terrorism-forever, Zugriff 29.2.2024
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VOA - Voice of America (1.10.2021): Taliban Order Afghan Media to Use Group’s Official Name, https://www.voanews.com/a/taliban-order-afghan-media-to-use-group-s-official-name/6254019.html, Zugriff 4.1.2023
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2025-01-14 15:59
Unter der vorherigen Regierung beruhte die afghanische Rechtsprechung auf drei parallelen und sich überschneidenden Rechtssystemen oder Rechtsquellen: dem formellen Gesetzesrecht, dem Stammesgewohnheitsrecht und der Scharia (Hakimi/Sadat 2020). Informelle Rechtssysteme zur Schlichtung von Streitigkeiten waren weit verbreitet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dies ist nach wie vor der Fall, auch wenn die Taliban seit ihrer Machtübernahme versucht haben, einige lokale Streitbeilegungspraktiken zu kontrollieren (FH 24.2.2022; vgl. STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Nach 23 Jahren Krieg (1978-2001) und dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 konnte Afghanistan 2004 eine neue Verfassung verkünden, die sowohl islamische als auch modern-progressive Werte enthält. Die juristischen und politikwissenschaftlichen Fakultäten sowie die Scharia waren zwei Institutionen, die zur Ausbildung des Justizpersonals beitrugen, indem sie Hunderte von jungen Männern und Frauen ausbildeten, die später als Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte tätig waren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die internationale Gemeinschaft zahlreiche Entwicklungsprogramme durchgeführt, die auf den Wiederaufbau des afghanischen Rechtssystems und den Ausbau der Kapazitäten des Personals der Justizbehörden abzielen. Darüber hinaus hat die [Anm.: frühere] afghanische Regierung ein Justizverwaltungssystem eingeführt, das alle Justizeinrichtungen dazu verpflichtet, ihre Fälle und Verfahren aufzuzeichnen und zu dokumentieren (STDOK/Nassery 4.2024).
Nach ihrem Sturz im Jahr 2001 gelang es den Taliban, in den von ihnen kontrollierten, meisten ländlichen, Gebieten Gerichte einzurichten und den Menschen den Zugang zur Rechtsprechung auf lokaler Ebene zu erleichtern. Dies geschah zu einer Zeit, als die staatlichen Justizorgane aufgrund der weitverbreiteten Korruption ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung weitgehend verloren hatten. Daher zogen die Menschen es vor, sich an die Gerichte der Taliban zu wenden, anstatt an die Gerichte der Regierung (STDOK/Nassery 4.2024; vgl. AA 22.10.2021). In den vergangenen zwanzig Jahren gelang es dem Justizsystem der Taliban, mit seinen praktischen Maßnahmen das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Die Taliban-Richter fungierten sowohl als Richter im juristischen Bereich als auch als Gelehrte (ulama) im religiösen Bereich. Die Taliban-Richter absolvierten ihre Ausbildung an Deobandi-Schulen in Pakistan und Afghanistan, die sich hauptsächlich auf die hanafitische Rechtsprechung stützten (STDOK/Nassery 4.2024).
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 übernahmen sie die vollständige Kontrolle über das Justizsystem des Landes (Rawadari 4.6.2023; vgl. AA 26.6.2023) und setzten die Verfassung von 2004 außer Kraft (UNGA 28.1.2022). Bisher haben sich die Taliban noch nicht zu den Gesetzen geäußert, insbesondere nicht zu den Strafgesetzen, zur nationalen Sicherheit und zu den Gerichten (STDOK/Nassery 4.2024). Ein Experte für islamisches Recht schließt aus den Äußerungen der Taliban, dass sie diese Gesetze und Rechtsvorschriften in den meisten Bereichen, insbesondere Strafrecht, Familienrecht, Jugend- und Frauenrechte, ignorieren und erwartet, auch als Folge der Auflösung unabhängiger Institutionen wie der Association of Defense Lawyers und der Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC), weitere schwerwiegende Probleme für die Rechtsprechung in Afghanistan (STDOK/Nassery 4.2024).
Den Taliban zufolge bildet die hanafitische Rechtsprechung die Grundlage für das Rechtssystem (USDOS 15.5.2023; vgl. STDOK/Nassery 4.2024), und derzeit verfügt das Land nicht über einen klaren und kohärenten Rechtsrahmen, ein Justizsystem oder Durchsetzungsmechanismen. Den Taliban zufolge bleiben Gesetze, die unter der Regierung vor August 2021 erlassen wurden, in Kraft, sofern sie nicht gegen die Scharia verstoßen (USDOS 15.5.2023; vgl. AA 26.6.2023). Die Taliban-Führer zwingen den Bürgern ihre Politik weitgehend durch Leitlinien oder Empfehlungen auf, in denen sie akzeptable Verhaltensweisen festlegen (USDOS 15.5.2023; vgl. Rawadari 4.6.2023), die sie aufgrund ihrer Auslegung der Scharia und der vorherrschenden kulturellen Normen, die die Taliban für akzeptabel halten, rechtfertigen (USDOS 15.5.2023).
Einem Experten für islamisches Recht zufolge betrafen die Änderungen im afghanischen Justizsystem seit der Machtübernahme der Taliban vor allem formale und administrative Bereiche, aber keine konkreten Änderungen in der Rechtsprechung der Gerichte (STDOK/Nassery 4.2024). So wurden beispielsweise Richter und Verwaltungsangestellte der Gerichte durch Angehörige der Taliban ersetzt, von denen die meisten nicht über ausreichend juristische Kenntnisse und Erfahrungen mit der Arbeit an den Gerichten verfügten (STDOK/Nassery 4.2024; vgl. AA 26.6.2023). Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Rawadari sind die meisten Richter und "Muftis" an Taliban-Gerichten Studenten oder Absolventen religiöser Koranschulen, vor allem in Pakistan. Einige der derzeitigen Richter waren während des Krieges als Richter in den von den Taliban kontrollierten Gebieten tätig. Nur wenige Richter, beispielsweise in den Provinzen Herat und Panjsher, verfügen über eine formale Hochschulausbildung und haben an juristischen oder Scharia-Fakultäten von Universitäten studiert (Rawadari 4.6.2023).
Des weiteren kam es zur Absetzung von Richterinnen und Anwältinnen und es werden keine Lizenzen mehr an Strafverteidigerinnen vergeben (STDOK/Nassery 4.2024).
Die Taliban haben zwar nicht ausdrücklich behauptet, bestimmte Gesetze außer Kraft zu setzen, aber sie haben immer wieder betont, dass sie im Einklang mit der Scharia regieren und jedes Gesetz ablehnen, das ihr zuwiderläuft (USDOS 15.5.2023; vgl. AA 26.6.2023). Taliban-Mitglieder haben erklärt, dass sie nur die Teile der Verfassungen von 2004 und 1964 befolgen, die nicht im Widerspruch zur Scharia stehen. Einige Beobachter weisen auch darauf hin, dass keine der beiden Verfassungen in vollem Umfang in Kraft ist, sodass sie nur begrenzte Bedeutung für den geltenden Rechtsrahmen haben. Diesen Beobachtern zufolge wäre jede Abweichung von der Verfassung von 2004 insofern von Bedeutung, als diese besagt, dass Anhänger anderer Religionen als des Islams "ihren Glauben frei ausüben und ihre religiösen Riten innerhalb der Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen vollziehen können", eine Bestimmung, die die Taliban ablehnen (USDOS 15.5.2023).
Die Taliban haben Anfang Juli 2023 ein Tonband veröffentlicht, das dem Emir Hibatullah Akhundzada zugeschrieben wird, der offenbar eine Predigt nach dem Eid al-Adha-Gebet am Mittwoch in Kandahar gehalten hat. Darin verkündet dieser, dass ein neues Rechtssystem auf der Grundlage der Scharia und Hanafi-Rechtsprechung von den entsprechenden Ministerien und der Talibanführung ausgearbeitet wird. Damit werden die unter der ehemaligen Verfassung geltenden Gesetze, u. a. auch gesonderte schiitische Rechtsprechung, ersetzt. Er erklärte, in Afghanistan gebe es jetzt ein vollständiges islamisches System, die Sicherheit sei gewährleistet, und in keinem Teil des Landes herrsche Unordnung oder Ungehorsam. Die meisten Angelegenheiten des Landes werden nun auf der Grundlage von Richtlinien und Dekreten geregelt, die dem Emir zugeschrieben werden. Er sagte, „unter der Herrschaft des Islamischen Emirats wurden konkrete Maßnahmen ergriffen, um Frauen von vielen traditionellen Unterdrückungen zu befreien“. In der Paschto- und Dari-Fassung der Botschaft begrüßt der oberste Taliban-Führer auch die Einführung von Scharia-Gerichten und -Praktiken, einschließlich Qisas (z. B. Auspeitschungen oder Hinrichtungen), die die Öffentlichkeit mit eigenen Augen sieht (BAMF 31.12.2023).
Im November 2022 ordnete Taliban-Staatsoberhaupt Emir Hibatullah Akhundzada die Umsetzung der Scharia inklusive Körperstrafen wieder an (AA 26.6.2023). Seitdem wurden zahlreiche öffentliche Auspeitschungen vorgenommen (AP 20.6.2023; vgl. AI 23.2.2024, AA 26.6.2023). Diese Strafe wurde u. a. für Drogen- und Alkoholkonsum (AA 26.6.2023) oder für "moralische" Verbrechen verhängt (AMU 12.7.2023; vgl. BAMF 31.12.2023). Am 7.12.2022 kam es zur ersten öffentlichen Hinrichtung durch die Taliban seit ihrer Machtübernahme in Afghanistan (AI 7.12.2022) und im Juni 2023 (AP 20.6.2023; vgl. AJ 20.6.2023) sowie im Februar 2024 kam es zu weiteren Hinrichtungen (AI 23.2.2024; vgl. ABC News 26.2.2024).
Anmerkung.: Für weitere Informationen zum Rechtssystem unter den Taliban sei auf den Themenbericht der Staatendokumentation "Afghanistan: Afghan legal system under the Taliban" verwiesen (STDOK/Nassery 4.2024). Dieser ist auch über die Plattform COI-CMS verfügbar.
Quellen
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AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.10.2021): Auswaärtiges Amt, Bericht uüber die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062872/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_Lage_in_Afghanistan_(Stand_21.10.2021),_22.10.2021.pdf, Zugriff 19.3.2024 [Login erforderlich]
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STDOK/Nassery - Nassery, Idris (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2024): Themenbericht der Staatendokumentation: Afghan legal system under the Taliban, https://www.ecoi.net/en/document/2106982.html, Zugriff 10.4.2024
STDOK/VQ AFGH - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich], Journalist aus Afghanistan [Vertrauliche Quelle 1] (4.2024): Themenbericht der Staatendokumentation: Pashtuns and the Pashtunwali, https://www.ecoi.net/en/document/2106990.html, Zugriff 10.4.2024
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Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung 2024-04-04 11:36
Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 brach die 350.000 Mann starke Armee des früheren Regimes zusammen (TN 15.8.2022) und die Taliban haben faktisch die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen. Sie haben begonnen, ihre bisherigen Milizen-Strukturen in geordnete Sicherheitskräfte zu übertragen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Im Bereich der Streitkräfte kündigte der Taliban-Armeechef Qari Fasihuddin im November 2021 den Aufbau einer 150.000 Mann starken Armee inkl. Freiwilliger an; andere Mitglieder der Taliban-Regierung haben sich für eine kleinere Berufsarmee ausgesprochen (AA 26.6.2023; vgl. CPJ 1.3.2022). Dem Taliban-Stabschef der Streitkräfte zufolge bestünde die Armee mit Stand März 2023 aus 150.000 Taliban-Kämpfern und solle kommendes Jahr auf 170.000 vergrößert werden. Angestrebt sei eine 200.000 Mann starke Armee (AA 26.6.2023). Der Geheimdienst (General Directorate for [Anm.: auch "of"] Intelligence, GDI), ein Nachrichtendienst, der früher als "National Directorate of Security" (NDS) bekannt war (CPJ 1.3.2022; vgl. AA 26.6.2023), wurde dem Taliban-Staatsoberhaupt Emir Hibatullah Akhundzada direkt unterstellt. Das Innenministerium der Taliban-Regierung hat wiederholt angekündigt, Polizisten, u. a. im Bereich der Verkehrspolizei, zu übernehmen. Dies ist nach Angaben von UNAMA zumindest in Kabul teilweise erfolgt. Es zeichnet sich ab, dass die Taliban mit Ausnahme der Luftwaffe (hier sollen laut afghanischen Presseangaben fast die Hälfte der ehemaligen Soldaten zurückgekehrt sein) von den bisherigen Kräften nur vereinzelt Fachpersonal übernehmen. Eine breit angelegte Integration der bisherigen Angehörigen der Sicherheitskräfte hat bisher nicht stattgefunden (AA 26.6.2023) und auch ein internationaler Analyst führte an, dass die Zahl der rekrutierten ehemaligen Sicherheitskräfte begrenzt sei und es sich im Allgemeinen um Spezialisten handele (EUAA 12.2023). Experten zufolge sind die Taliban jedoch noch weit davon entfernt, eine funktionierende Luftwaffe zu verwirklichen, die den Luftraum im Falle ausländischer Übergriffe oder inländischer Aufstände sichern könnte. Der Bestand an Hubschraubern und Fluggeräten gilt als veraltet und es gibt zumindest fünf bestätigte Unfälle in der Militärluftfahrt seit der Machtübernahme, wobei Pilotenfehler als wahrscheinlichste Ursache gelten. Nach Ansicht eines Afghanistan-Experten, müssten die Taliban in erheblichem Umfang Piloten ausbilden und Strategien für die Kommunikation und Koordination mit den Bodentruppen entwickeln, um eine funktionsfähige Luftwaffe aufzubauen. Zwar versuchen die Taliban, Piloten auszubilden, veröffentlichen jedoch keine Zahlen über die Anzahl ihrer Piloten und Techniker und auf Grundlage von Fotos und Videos wird mit Stand Mai 2023 von etwa 50 einsatzfähigen Flugzeugen und Hubschraubern ausgegangen (RFE/RL 25.5.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich]
CPJ - Committee to Protect Journalists (1.3.2022): Afghanistan’s intelligence agency emerges as new threat to independent media - Committee to Protect Journalists, https://cpj.org/2022/03/afghanistans-intelligence-agency-emerges-as-new-threat-to-independent-media, Zugriff 27.1.2023
EUAA - European Union Agency for Asylum (12.2023): Afghanistan Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/2101835/2023_12_EUAA_COI_Report_Afghanistan_Country_Focus.pdf, Zugriff 7.2.2024
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (25.5.2023): Taliban Effort To Resurrect Afghan Air Force Runs Into Turbulence, https://www.rferl.org/a/afghanistan-taliban-air-force-aircraft-helicopters-training/32427528.html, Zugriff 29.2.2024
TN - Tolonews (15.8.2022): Review of Afghan Military Developments Over Past Year, https://tolonews.com/afghanistan-179407, Zugriff 8.2.2024
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung 2024-04-05 15:38
Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen durch die Taliban (AA 26.6.2023, vgl. HRW 11.1.2024). Die Vereinten Nationen berichten über Folter und Misshandlungen von ehemaligen Sicherheitskräften bzw. ehemaligen Regierungsbeamten (UNAMA 22.8.2023; vgl. HRW 11.1.2024). Auch über Gewalt gegen Journalisten und Medienschaffende (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023) sowie gegen Frauenrechtsaktivisten (AA 26.6.2023 vgl. HRW 11.1.2024, AI 7.12.2023) auch in Gefängnissen wird berichtet (AA 26.6.2023; vgl. HRW 11.1.2024). Amnesty International berichtet beispielsweise über kollektive Strafen gegen Bewohner der Provinz Panjsher, darunter Folter und andere Misshandlungen (AI 8.6.2023).
Es gibt Berichte über öffentliche Auspeitschungen durch die Taliban in mehreren Provinzen, darunter Zabul (UNGA 1.12.2023), Maidan Wardak (8am 10.7.2023; vgl. BAMF 31.12.2023), Kabul (ANI 12.7.2023; vgl. AMU 12.7.2023), Kandahar (KaN 17.1.2023; vgl. KP 17.1.2023) und Helmand (KP 2.2.2023; vgl. KaN 2.2.2023). Der oberste Taliban-Führer, Emir Hibatullah Akhundzada, begrüßte die Einführung von Scharia-Gerichten und -Praktiken, einschließlich Qisas (z. B. Auspeitschungen oder Hinrichtungen), die die Öffentlichkeit mit eigenen Augen sieht (BAMF 31.12.2023).
Quellen
8am - Hasht-e Sobh (10.7.2023): Taliban’s Brutal Public Whippings: Two Men and One Woman Face Horrific Punishment in Maidan Wardak Province, https://8am.media/eng/talibans-brutal-public-whippings-two-men-and-one-woman-face-horrific-punishment-in-maidan-wardak-province, Zugriff 30.1.2024
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (7.12.2023): Afghanistan: Stop punishing women protesters, https://www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2023/12/ASA1175092023ENGLISH.pdf, Zugriff 31.1.2024
AI - Amnesty International (8.6.2023): Afghanistan: “Your sons are in the mountains”: The collective punishment of civilians in Panjshir by the Taliban - Amnesty International, https://www.amnesty.org/en/documents/asa11/6816/2023/en, Zugriff 29.2.2024
AMU - Amu Tv (12.7.2023): Four people flogged in public in Kabul's Paghman district, https://amu.tv/56222, Zugriff 30.1.2024
ANI - Asian News International (12.7.2023): Afghanistan: Four people publicly flogged by Taliban, https://theprint.in/world/afghanistan-four-people-publicly-flogged-by-taliban/1666393, Zugriff 30.1.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.12.2023): Briefing Notes Zusammenfassung: Afghanistan - Juli bis Dezember 2023, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29188455, Zugriff 22.1.2024 [Login erforderlich]
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2103130.html, Zugriff 17.1.2024
KaN - Kabul Now (2.2.2023): Taliban publicly flog 16 people in Helmand, https://kabulnow.com/2023/02/taliban-flog-16-in-helmand, Zugriff 26.2.2024
KaN - Kabul Now (17.1.2023): Taliban flog 9 men in front a packed crowd at a football stadium in Kandahar, https://kabulnow.com/2023/01/taliban-flog-9-men-in-front-a-packed-crowd-at-a-football-stadium-in-kandahar, Zugriff 26.2.2024
KP - Khaama Press (2.2.2023): Taliban Authorities Flog 16 People for Alleged Crimes in Helmand, https://www.khaama.com/taliban-authorities-flog-16-people-for-alleged-crimes-in-helmand, Zugriff 26.2.2024
KP - Khaama Press (17.1.2023): Taliban (IEA) Authorities Flog Nine People in Kandahar, https://www.khaama.com/taliban-iea-authorities-flog-nine-people-in-kandahar, Zugriff 26.2.2024
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (22.8.2023): Afghanistan’s Taliban responsible for revenge killings, torture of former officials, https://unama.unmissions.org/barrier-securing-peace-hr-violations-against-former-government-officials-former-armed-force-members, Zugriff 15.2.2024
UNGA - United Nations General Assembly (1.12.2023): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2102425/N2336960.pdf, Zugriff 14.2.2024
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2025-01-14 15:59
Die in der Vergangenheit von Afghanistan unterzeichneten oder ratifizierten Menschenrechtsabkommen werden von der Taliban-Regierung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt anerkannt; es wird ein Islamvorbehalt geltend gemacht, wonach islamisches Recht im Falle einer Normenkollision Vorrang hat (AA 26.6.2023).
Seit dem Sturz der gewählten Regierung haben die Taliban die Menschenrechte und Grundfreiheiten der afghanischen Bevölkerung zunehmend und in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Insbesondere Frauen und Mädchen wurden in ihren Rechten massiv eingeschränkt und aus den meisten Aspekten des täglichen und öffentlichen Lebens verdrängt (UNICEF 9.8.2022; vgl. AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023).
Die Taliban-Führung hat ihre Anhänger verschiedentlich dazu aufgerufen, die Bevölkerung respektvoll zu behandeln (AA 26.6.2023). Es gibt jedoch Berichte über grobe Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August 2021 (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023, USDOS 20.3.2023a, UNGA 1.12.2023), darunter Hausdurchsuchungen (AA 26.6.2023), Willkürakte und Hinrichtungen (AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Es kommt zu Gewalt und Diskriminierung gegenüber Journalisten (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.1.2023, AfW 15.8.2023) und Menschenrechtsaktivisten (FH 1.2023; vgl. FIDH 12.8.2022, AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Auch von gezielten Tötungen wird berichtet (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023). Menschenrechtsorganisationen berichten auch über Entführungen und Ermordungen ehemaliger Angehöriger des Staatsapparats und der Sicherheitskräfte (AA 26.6.2023; vgl. HRW 11.1.2024, AfW 15.8.2023). Weiterhin berichten Menschenrechtsorganisationen von Rache- und Willkürakten im familiären Kontext - also gegenüber Familienmitgliedern oder zwischen Stämmen/Ethnien, bei denen die Täter den Taliban nahestehen oder Taliban sind. Darauf angesprochen, weisen Taliban-Vertreter den Vorwurf systematischer Gewalt zurück und verweisen wiederholt auf Auseinandersetzungen im familiären Umfeld. Eine nachprüfbare Strafverfolgung findet in der Regel nicht statt (AA 26.6.2023). Die NGO Afghan Witness berichtet im Zeitraum vom 15.1.2022 bis Mitte 2023 von 3.329 Menschenrechtsverletzungen, die sich auf Verletzungen des Rechts auf Leben, des Rechts auf Freiheit von Folter, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Rechte der Frauen und mehr beziehen. Für denselben Zeitraum gibt es auch immer wieder Berichte über die Tötung und Inhaftierung ehemaliger ANDSF-Mitglieder. Hier wurden durch Afghan Witness 112 Fälle von Tötungen und 130 Inhaftierungen registriert, wobei darauf hingewiesen wurde, das angesichts der hohen Zahl von Fällen, in denen Opfer und Täter nicht identifiziert wurden, die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher ist (AfW 15.8.2023).
Die Taliban ließen wiederholt friedliche Proteste gewaltsam auflösen. Es kam zum Einsatz von scharfer Munition (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.10.2022, Guardian 2.10.2022) und es gibt auch Berichte über Todesopfer bei Protesten (FH 24.2.2022, AI 15.8.2022).
Afghan Witness konnte zwischen dem ersten und zweiten Jahr der Taliban-Herrschaft einige Unterschiede erkennen. So gingen die Taliban im ersten Jahr nach der Machtübernahme im August 2021 hart gegen Andersdenkende vor und verhafteten Berichten zufolge Frauenrechtsaktivisten, Journalisten und Demonstranten. Im zweiten Jahr wurde hingegen beobachtet, dass sich die Medien und die Opposition im Land aufgrund der Restriktionen der Taliban und der Selbstzensur weitgehend zerstreut haben, obwohl weiterhin über Verhaftungen von Frauenrechtsaktivisten, Bildungsaktivisten und Journalisten berichtet wird. Frauen haben weiterhin gegen die Restriktionen und Erlasse der Taliban protestiert, aber die Proteste fanden größtenteils in geschlossenen Räumen statt - offenbar ein Versuch der Demonstranten, ihre Identität zu verbergen und das Risiko einer Verhaftung oder Gewalt zu verringern. Trotz dieser Drohungen sind Frauen weiterhin auf die Straße gegangen, um gegen wichtige Erlasse zu protestieren (AfW 15.8.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich]
AfW - Afghan Witness (15.8.2023): Two years of Taliban rule: documenting human rights abuses using open source, https://www.afghanwitness.org/reports/two-years-of-taliban-rule:-documenting-human-rights-abuses-using-open-source, Zugriff 31.1.2024
AI - Amnesty International (15.8.2022): The Rule of Taliban: A year of violence, impunity and false promises, https://www.ecoi.net/en/document/2077274.html, Zugriff 3.1.2023
FH - Freedom House (1.2023): Report on the protection needs of human rights defenders, https://www.ecoi.net/en/document/2085886.html, Zugriff 6.2.2023
FH - Freedom House (24.2.2022): Afghanistan: Freedom in the World 2022 Country Report, https://freedomhouse.org/country/afghanistan/freedom-world/2022, Zugriff 15.12.2022
FIDH - International Federation for Human Rights (12.8.2022): One year after Taliban takeover, human rights defenders at greater risk than ever, https://www.fidh.org/en/region/asia/afghanistan/afghanistan-one-year-taliban-human-rights-defenders, Zugriff 6.2.2023
Guardian - The Guardian (2.10.2022): Taliban beat women protesting against school bombing, say witnesses, https://www.theguardian.com/global-development/2022/oct/02/taliban-beat-women-protesting-school-bombing-afghanistan, Zugriff 2.1.2023
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2103130.html, Zugriff 17.1.2024
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2085369.html, Zugriff 18.1.2023
HRW - Human Rights Watch (12.10.2022): In Afghanistan, Resistance Means Women, https://www.hrw.org/news/2022/10/12/afghanistan-resistance-means-women, Zugriff 2.1.2023
UNGA - United Nations General Assembly (1.12.2023): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2102425/N2336960.pdf, Zugriff 14.2.2024
UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (9.8.2022): Wie ist es, jetzt in Afghanistan ein Kind zu sein?, https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/-/kinder-in-afghanistan-7-fakten/275350, Zugriff 15.12.2022
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023a): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2089060.html, Zugriff 15.5.2023
Haftbedingungen
Letzte Änderung 2025-01-31 16:38
Vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 wurden Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das General Directorate of Prisons and Detention Centers (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MoI), war verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse, sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge, inklusive des nationalen Gefängniskomplexes in Pul-e Charkh. Das National Directorate of Security (NDS) war verantwortlich für Kurzzeit-Haftanstalten auf Provinz- und Distriktebene, die in der Regel mit den jeweiligen Hauptquartieren zusammenarbeiten. Das Verteidigungsministerium betrieb die Nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan (USDOS 12.4.2022a). Die Überbelegung der Gefängnisse war auch unter der ehemaligen Regierung ein ernstes und weitverbreitetes Problem. Nach der Übernahme Kabuls durch die Taliban haben sich viele Gefängnisse geleert, da fast alle Gefangenen entkamen oder freigelassen wurden (USDOS 12.4.2022a; vgl. UNHRC 8.3.2022).
Trotz anhaltender Bemühungen, die Zahl der Inhaftierten zu reduzieren (UNGA 1.12.2023), gab der stellvertretende Leiter der Gefängnisverwaltung im Jänner 2024 bekannt, dass die Gefängnispopulation 19.300 Personen erreicht habe, von denen 800 Frauen sind (UNAMA 1.5.2024). Im September 2024 gab die Generaldirektion für Gefängnisse und Haftanstalten der Taliban bekannt, dass etwa 23.000 Personen in Afghanistan inhaftiert sind (SWN 2.9.2024). Einen Tag zuvor hatten Beamte des Direktorats noch angegeben, dass 11.000 Personen in afghanischen Gefängnissen inhaftiert wären, wovon 2.000 Frauen und Kinder wären (KP 1.9.2024; vgl. SWN 2.9.2024). Dies wurde insofern richtiggestellt, als darauf hingewiesen wurde, dass neben den ca. 11.000 schon verurteilten Inhaftierten etwa 12.000 Personen in Haftanstalten auf Gerichtsurteile warten (SWN 2.9.2024).
Die Situation in den Gefängnissen in Afghanistan wird von den Vereinten Nationen als sehr schlecht bezeichnet, kann jedoch aufgrund von nur punktuellem Zugang für Menschenrechtsorganisationen nicht abschließend beurteilt werden (AA 12.7.2024). Es scheint keine landesweiten Haftstandards und keinen Mechanismus zu geben, um die Haftbedingungen anzufechten (AHR 29.4.2024). Finanzielle Engpässe und die Einstellung der Finanzierung durch Geber wirkten sich weiterhin auf die Fähigkeit der Gefängnisverwaltung aus, internationale Standards zu erfüllen (UNGA 1.12.2023), einschließlich der systematischen Bereitstellung angemessener Nahrungsmittel, Hygieneartikel (UNGA 1.12.2023; vgl. AHR 29.4.2024), der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der medizinischen Versorgung (UNGA 1.12.2023).
UNAMA berichtet von Fällen, in denen Personen zum Zeitpunkt der Festnahme nicht über die Gründe für ihre Festnahme informiert wurden. Des Weiteren werden laut UNAMA Inhaftierte auch weder über ihre Rechte, noch darüber informiert, wie sie während der Haft Beschwerden vorbringen können. Es wurden auch Fälle dokumentiert, in denen Inhaftierte nicht über ihr Recht auf einen Anwalt informiert wurden oder ihnen die Kontaktaufnahme mit ihrer Familie verwehrt wurde (UNAMA 1.9.2023). Viele Strafverteidiger haben von Schwierigkeiten beim Zugang zu ihren Mandanten berichtet (AHR 29.4.2024). Zwischen 1.1.2022 und 31.7.2023 dokumentierte UNAMA über 1.600 Menschenrechtsverletzungen (11 % betrafen Frauen) durch die Taliban-Behörden im Zusammenhang mit der Festnahme und anschließenden Inhaftierung von Personen. Knapp 50 % dieser Verstöße betrafen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Diese Vorfälle ereigneten sich in 29 der 34 Provinzen Afghanistans (UNAMA 1.9.2023). Inhaftierte Personen beschreiben verschiedene Formen der Folter, wie z. B. Schläge, kopfüber aufgehängt zu werden, Elektroschocks, Ersticken (AHR 29.4.2024) und Gewalteinwirkung im Genitalbereich. Einem Bericht zufolge sollen seit der Machtübernahme der Taliban 87 Personen in Taliban-Gefängnissen an den Folgen von Folter gestorben sein (Afintl 8.8.2024).
Es existieren Berichte über Folter an Journalisten, Anwälten, Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten und ihren Verwandten, Demonstrierenden und ehemaligen Sicherheitskräften (AA 12.7.2024) bzw. Gefangene, die mit der ehemaligen Regierung in Verbindung standen (USDOS 20.3.2023a). Des Weiteren sollen festgenommene Frauenrechtsaktivistinnen psychologischer und physischer Folter sowie sexueller Gewalt durch Taliban-Sicherheitskräfte ausgesetzt worden sein. Verifiziert sind zudem mehrere Fälle, in denen festgesetzte Journalisten geschlagen wurden (AA 12.7.2024).
Der Verhaltenskodex der Taliban zur Reform des Gefängnissystems sieht keine unverzügliche medizinische Untersuchung bei der Einweisung in eine Haftanstalt vor. Er sieht vor, dass in den Gefängnissen Erste-Hilfe-Einrichtungen und -Vorräte zur Verfügung stehen müssen und dass für die notwendige Behandlung von Schwerkranken rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zu treffen sind. Mehrere Taliban-Polizeibehörden bestätigten gegenüber UNAMA, dass die Personen vor ihrer Einlieferung in die Polizeieinrichtungen von einem Arzt untersucht und bei Bedarf in ein Krankenhaus gebracht werden. Allerdings dokumentierte UNAMA keinen Fall, bei dem eine Person bei der Inhaftierung oder vor einer Befragung medizinisch untersucht wurde, wobei eingeräumt wird, dass insbesondere in abgelegenen Gebieten nicht immer Ärzte zur Verfügung stehen (UNAMA 1.9.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2112794/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Afghanistan_-_Lagefortschreibung_-,_12.07.2024.pdf, Zugriff 2.9.2024 [Login erforderlich]
Afintl - Afghanistan International (8.8.2024): 87 Dead Due To Torture Inside Talibans Intelligence Prison, https://www.afintl.com/en/202408081458, Zugriff 9.10.2024
AHR - Advocates for Human Rights, The (29.4.2024): Afghanistan: Death Penalty Detention Conditions, https://www.theadvocatesforhumanrights.org/Res/Afghanistan UPR Information Death Penalty.pdf, Zugriff 9.10.2024
KP - Khaama Press (1.9.2024): Nearly 2,000 women, children held in prisons across Afghanistan: Officials repport - Khaama Press, https://www.khaama.com/nearly-2000-women-children-held-in-prisons-across-afghanistan-officials-repport, Zugriff 17.1.2025
SWN - Salam Watandar (2.9.2024): At least 23,000 inmates in state prisons, declares prison affairs body, https://swn.af/en/2024/09/at-least-23000-inmates-in-state-prisons-declares-prison-affairs-body, Zugriff 17.1.2025
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (1.5.2024): Update on the human rights situation in Afghanistan: January - March 2024 UPDATE, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/human_rights_update_march_2024_engf.pdf, Zugriff 9.10.2024
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (1.9.2023): The treatment of detainees in Afghanistan; Respecting human rights: a factor for trust, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097527/unama_report_-_treatment_of_detainees_200923_english.pdf, Zugriff 16.2.2024
UNGA - United Nations General Assembly (1.12.2023): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2102425/N2336960.pdf, Zugriff 14.2.2024
UNHRC - United Nations Human Rights Council (8.3.2022): Situation of human rights in Afghanistan - Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights (A/HRC/49/24) (Advance Unedited Version) - Afghanistan, https://reliefweb.int/report/afghanistan/situation-human-rights-afghanistan-report-united-nations-high-commissioner-human, Zugriff 6.2.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023a): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2089060.html, Zugriff 15.5.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022a): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071122.html, Zugriff 15.12.2022
Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2024-04-05 14:09
Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 7 bis 15 % der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 1.2.2024; vgl. AA 26.6.2023). Andere Glaubensgemeinschaften machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus (CIA 1.2.2024; vgl. USDOS 15.5.2023). Die Zahl der Ahmadiyya-Muslime im Land geht in die Hunderte. Zuverlässige Schätzungen über die Gemeinschaften der Baha'i und der Christen sind nicht verfügbar. Es gibt eine geringe Anzahl von Anhängern anderer Religionen. Es gibt keine bekannten Juden im Land (USDOS 15.5.2023).
Anhänger des Baha'i-Glaubens leben vor allem in Kabul und in einer kleinen Gemeinde in Kandahar. Im Mai 2007 befand der Oberste Gerichtshof, dass der Glaube der Baha'i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie sei. Auch wurden alle Muslime, die den Baha'i-Glauben annehmen, zu Abtrünnigen erklärt. Internationalen Quellen zufolge leben Baha'is weiterhin in ständiger Angst vor Entdeckung und zögerten, ihre religiöse Identität preiszugeben (USDOS 15.5.2023).
Sikhs sehen sich seit Langem Diskriminierungen im mehrheitlich muslimischen Afghanistan ausgesetzt (EUAA 23.3.2022; vgl. DW 8.9.2021). Als die Taliban im August 2021 nach dem Abzug der US-Truppen die Macht in der Hauptstadt wiedererlangt hatten, floh eine weitere Welle von Sikhs aus Afghanistan (EUAA 23.3.2022; vgl. TrI 12.11.2021). Nach der Machtübernahme gaben die Taliban öffentliche Erklärungen ab, wonach deren Rechte geschützt werden würden (EUAA 23.3.2022; vgl. USCIRF 3.2023, USDOS 15.5.2023). Trotz dieser Zusicherungen äußerten sich Sikh-Führer in Medienerklärungen im Namen ihrer Gemeinschaft jedoch besorgt über deren Sicherheit (EUAA 23.3.2022; vgl. USDOS 15.5.2023). Berichten zufolge lebten mit Ende 2022 nur noch neun Sikhs und Hindu in Afghanistan (USDOS 15.5.2023).
Die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime waren und sind durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023). Mit der rigorosen Durchsetzung ihrer strengen Auslegung der Scharia gegenüber allen Afghanen verletzen die Taliban die Religions- und Glaubensfreiheit von religiösen Minderheiten (USCIRF 3.2023). Nominal haben die Taliban religiösen Minderheiten die Zusicherung gegeben, ihre Religion auch weiterhin ausüben zu können (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023); insbesondere der größten Minderheit, den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara. In der Praxis ist der Druck auf Nicht-Sunniten jedoch hoch und die Diskriminierung von Schiiten im Alltag verwurzelt (AA 26.6.2023).
Trotz ständiger Versprechen, alle in Afghanistan lebenden ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu schützen, ist die Taliban-Regierung nicht in der Lage oder nicht willens, religiöse und ethnische Minderheiten vor radikaler islamistischer Gewalt zu schützen, insbesondere in Form von Angriffen der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst (USCIRF 3.2023).
In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind (RFE/RL 19.1.2022) bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten (BAMF 10.1.2022; vgl. RFE/RL 19.1.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich]
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.1.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw02-2022.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 16.12.2022
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (1.2.2024): Afghanistan - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society, Zugriff 7.2.2024
DW - Deutsche Welle (8.9.2021): What Taliban rule means for Sikhs and Hindus, https://www.dw.com/en/afghanistan-what-does-taliban-rule-mean-for-sikhs-and-hindus/a-59122249, Zugriff 15.12.2022
EUAA - European Union Agency for Asylum (23.3.2022): Afghanistan - Situation of Sikhs, https://www.ecoi.net/en/file/local/2070022/2022_03_23_EUAA_COI_Query_Response_AFGHANISTAN_SIKH.pdf, Zugriff 15.12.2022
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2022): Afghans Fear For Their Rights As Taliban Resurrects Religious Policing, https://www.rferl.org/a/afghanistan-taliban-religious-policing/31642688.html, Zugriff 16.12.2022
TrI - Tribune India, The (12.11.2021): Afghan Sikhs, Hindus among 104 airlifted, scriptures brought back, https://www.tribuneindia.com/news/nation/afghan-sikhs-hindus-among-104-airlifted-scriptures-brought-back-348846, Zugriff 16.12.2022
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (3.2023): Annual Report 2023, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024-01/AR 2023.pdf, Zugriff 5.3.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023
Schiiten
Letzte Änderung 2024-04-05 15:38
Gemäß Vertretern der Religionsgemeinschaft sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jaafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90 % von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 15.5.2023).
Trotz ständiger Versprechen, die Hazara zu schützen, kommt es immer wieder zu Angriffen auf diese durch den Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst (USCIRF 3.2023).
Die Taliban haben der schiitischen Gemeinschaft auch untersagt, während des islamischen Neujahrsmonats Muharram religiöse Fahnen und Banner zu hissen, die üblichen Erfrischungsstände aufzustellen, in Konvois zu fahren und in öffentlichen Verkehrsmitteln Klagegedichte zu rezitieren (BAMF 31.12.2023; vgl. KaN 25.7.2023). Bereits im Jahr 2022 strich das Ministerium für Arbeit und Soziales der Taliban den Feiertag Aschura [Anm.: 10. Tag des Monats Muharram. An diesem Tag gedenken die Schiiten des Todes des für sie dritten Imams Husain in der Schlacht von Kerbela. Er gilt als Märtyrer, dessen Ermordung sowohl für Schiiten und Aleviten als auch generell in der Geschichte des Islam ein besonderes Ereignis bedeutet (Crisis 24 24.7.2023)] aus dem afghanischen Kalender. Diese Entscheidung der Taliban wurde von afghanischen Bürgern, insbesondere schiitischen, scharf kritisiert (Afintl 13.7.2023). Trotz der weitverbreiteten Kritik und Verurteilung hat das Innenministerium der Taliban versichert, dass die Gruppe ernsthafte Maßnahmen ergriffen hat, um die Sicherheit bei den Trauerzeremonien und Paraden während des Muharram-Festes zu gewährleisten (KaN 25.7.2023; vgl. Afintl 13.7.2023). Während einer Gedenkfeier zu Aschura im Jahr 2023 wurden in der Provinz Ghazni drei Menschen, darunter ein Kind, durch die Taliban getötet. Sechs weitere Menschen wurden dabei verletzt (AMU 29.7.2023; vgl. 8am 29.7.2023). Eine andere Quelle berichtet von vier Toten und bis zu 33 Verletzten. Das Gouverneursbüro der Taliban in Ghazni hat in einer Erklärung die Aschura-Teilnehmer als "Randalierer" bezeichnet und sie beschuldigt, die Sicherheit zu stören (KaN 31.7.2023).
[Anm.: für weitere Information zu Hazara bzw. zu Angriffen auf Schiiten/Hazara sei auf das Kapitel "Hazara" verwiesen].
Quellen
8am - Hasht-e Sobh (29.7.2023): Taliban Shooting Targets Shiites in Ghazni; Death Toll Reaches Four, https://8am.media/eng/taliban-shooting-targets-shiites-in-ghazni-death-toll-reaches-four, Zugriff 30.1.2024
Afintl - Afghanistan International (13.7.2023): Taliban Imposes New Restrictions on Shia Practices Regarding Celebration of Muharram, https://www.afintl.com/en/202307133587, Zugriff 30.1.2024
AMU - Amu Tv (29.7.2023): Three killed in Taliban gunfire during Ashura ceremony in Ghazni, https://amu.tv/58550, Zugriff 30.1.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.12.2023): Briefing Notes Zusammenfassung: Afghanistan - Juli bis Dezember 2023, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29188455, Zugriff 22.1.2024 [Login erforderlich]
Crisis 24 - Crisis24 (24.7.2023): Increased security in place across Afghanistan for Shi’a observance of Ashura July 28. Disruptions..., https://crisis24.garda.com/alerts/2023/07/afghanistan-authorities-increasing-security-nationwide-for-ashura-july-28, Zugriff 7.3.2024
KaN - Kabul Now (31.7.2023): Death toll of Taliban crack down on Ashura mourners rises, https://kabulnow.com/2023/07/death-toll-of-taliban-crack-down-on-ashura-mourners-rises, Zugriff 30.1.2024
KaN - Kabul Now (25.7.2023): Taliban's strict restrictions on Muharram processions continue across Afghanistan, https://kabulnow.com/2023/07/talibans-strict-restrictions-on-muharram-processions-continue-across-afghanistan, Zugriff 30.1.2024
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (3.2023): Annual Report 2023, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024-01/AR 2023.pdf, Zugriff 5.3.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023
Ethnische Gruppen
Letzte Änderung 2025-01-14 15:59
In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).
Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 26.6.2023).
Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.3.2023a).
Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 26.6.2023).
Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 26.6.2023).
Quellen
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Hazara
Letzte Änderung 2025-01-31 16:37
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 15 % der afghanischen Bevölkerung aus (AA 26.6.2023; vgl. BAMF 5.2022). Die Mehrheit der Hazara lebt im Hazarajat (oder "Land der Hazara") (MRG 5.1.2022; vgl. EB o.D., BAMF 5.2022), das im zerklüfteten zentralen Bergland Afghanistans liegt und eine Fläche von etwa 50.000 Quadratkilometern umfasst. Die Region erstreckt sich auf die Provinzen Bamyan und Daikundi sowie mehrere angrenzende Distrikte in den Provinzen Ghazni, Uruzgan, (Maidan) Wardak, Parwan, Baghlan, Samangan und Sar-e Pul. Es gibt auch sunnitische Hazara-Gemeinschaften in den Provinzen Badghis, Ghor, Kunduz, Baghlan, Panjsher und anderen Gebieten im Nordosten Afghanistans (MRG 5.1.2022). Ethnische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten (JP o.D.; vgl. BAMF 5.2022), auch bekannt als Jaafari-Schiiten (USDOS 15.5.2023). Eine Minderheit der Hazara ist ismailitisch (USDOS 15.5.2023; vgl. MRG 5.1.2022). Ismailitische Hazara leben in den Provinzen Parwan, Baghlan und Bamyan. Darüber hinaus sind sowohl schiitische als auch sunnitische Hazara in erheblicher Zahl in mehreren städtischen Zentren Afghanistans vertreten, darunter Kabul, Mazar-e Sharif und Herat (MRG 5.1.2022).
Die Taliban haben insbesondere den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara, die während des ersten Taliban-Regimes benachteiligt und teilweise verfolgt wurden, Zusicherungen gemacht (AA 26.6.2023). Dennoch berichtete AI (Amnesty International) bereits im Juli 2021 über die Tötung von neun Angehörigen der Hazara in der Provinz Ghazni, nachdem die Taliban dort die Kontrolle übernommen hatten (AI 19.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021a), und im August 2021 sollen nach Angaben der NGO in der Provinz Daikundi 13 Angehörige der Hazara-Minderheit, darunter ein 17-jähriges Mädchen, von den Taliban getötet worden sein (AI 5.10.2021; vgl. BBC 5.10.2021).
Es gibt weiters Berichte, dass Angehörige der Taliban beschuldigt werden, Zwangsumsiedlungen, vor allem unter Angehörigen der schiitischen Hazara, vorzunehmen, um das Land unter ihren eigenen Anhängern aufzuteilen. Die Quellen verweisen auf Vertreibungen in Daikundi, Uruzgan, Kandahar, Helmand und Balkh (HRW 22.10.2021). In der Provinz Daikundi sollen im September 2021 ca. 400 Hazara-Familien gewaltsam von ihrem Land vertrieben worden sein. Laut Erkenntnissen der UN konnten die meisten mittlerweile wieder zurückkehren (AA 26.6.2023). In Helmand und Balkh wurden Anfang Oktober "Hunderte von Hazara-Familien", und in 14 Dörfern in Daikundi und Uruzgan im September mindestens 2.800 Hazara-Bewohner vertrieben (HRW 22.10.2021; vgl. USDOS 12.4.2022a). Nach Einschätzung von HRW beruht die Diskriminierung von Hazara bei illegaler Landnahme v. a. auf lokalen Konflikten, wird aber von der Taliban-Führung toleriert. Es gibt darüber hinaus weitere Berichte über lokale Diskriminierung, u. a. durch Enteignungen und besondere Besteuerung, die von der Taliban-Regierung mindestens geduldet wird (AA 26.6.2023). So kam es auch im Frühjahr 2022 dazu, dass Hazara ihre Häuser nach Streitigkeiten mit Nomaden verlassen mussten (AAN 11.1.2023). Am 2.9.2023 wurde berichtet, dass die Taliban Hazara in der Provinz Maidan Wardak befohlen haben, Kutschis eine Entschädigung für den Verlust ihres Viehs zu zahlen. Berichten zufolge ist der Viehbestand der Kutschis vor einigen Jahren in dem Gebiet verschwunden. Auch hier wurde den Taliban Voreingenommenheit vorgeworfen (KaN 2.9.2023).
Auch sind Hazara weiterhin besonders gefährdet, Opfer von Anschlägen des Islamischen Staats Khorasan Provinz (ISKP) zu werden (AA 26.6.2023: vgl. HRW 25.10.2021). So kam es auch im Jahr 2022 zu Angriffen des ISKP, welche auf Hazara abgezielt haben (AA 20.7.2022; vgl. UNGA 14.9.2022, HRW 12.1.2023). Beispielsweise wurden bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in Mazar-e Sharif im April 2022 mindestens 31 Menschen getötet (UNGA 15.6.2022; vgl. PAN 23.4.2022). Am 24.1.2022 wurden bei einem ISKP-Anschlag im Hazara-Viertel Haji Abbas in Herat sieben Menschen getötet und zehn Weitere verletzt (8am 24.1.2022; vgl. REU 23.1.2022). Ebenso in Herat kam es am 1.4.2022 im Hazara-Viertel Jebrail zu einem Bombenanschlag, bei dem 12 junge Männer getötet und 25 weitere verletzt wurden (8am 6.4.2022; vgl. TN 24.1.2023). Mindestens 26 junge Hazara wurden bei zwei Angriffen auf Bildungseinrichtungen in Kabul am 19.4.2022 getötet (8am 20.10.2022; vgl. AN 19.4.2022). Acht Menschen wurden im August in Kabul getötet, als eine Bombe in der Nähe einer schiitischen Moschee explodierte (VOA 5.8.2022; vgl. REU 5.8.2022).
Am 13.10.2023 kam es zum Freitagsgebet in der schiitischen Imam-Zaman-Moschee in der Hauptstadt Pul-e Khumri in Baghlan zu einer Explosion (Afintl 13.10.2023; vgl. RFE/RL 14.10.2023). Berichten zufolge sollen bis zu 30 Personen getötet worden sein (BAMF 31.12.2023). Der ISKP bekannte sich zu der Tat (BAMF 31.12.2023; vgl. RFE/RL 14.10.2023).
In einem mehrheitlich von Hazara bewohnten Viertel in Herat (BAMF 31.12.2023) wurden am 1.12.2023 bei einem Angriff unbekannter bewaffneter Personen mindestens sechs Menschen, darunter zwei Geistliche, getötet und drei weitere verwundet (KP 1.12.2023; vgl. PAN 1.12.2023). Berichten zufolge wurden in den letzten anderthalb Monaten mindestens vier Hazara-Kleriker oder religiöse Führer in Herat getötet (KP 1.12.2023).
Zwischen Oktober 2023 und Jänner 2024 kam es zu einer Reihe von IED (Improvised Explosive Devices)-Angriffen im vornehmlich von Hazara besiedelten Distrikt Dasht-e Barchi, für die der ISKP die Verantwortung übernahm. So wurden am 26.10.2023 bei einem Angriff auf einen Sportklub mindestens vier Menschen getötet (FR24 27.10.2023; vgl. VOA 28.10.2023). Bei einem Angriff auf einen Minibus am 7.11.2023 wurden mindestens sieben Menschen getötet und etwa 20 verwundet (UNAMA 22.1.2024; vgl. TN 7.11.2023). Am 6.1.2024 kam es zu einer weiteren Explosion eines Minibusses (VOA 6.1.2024; vgl. RFE/RL 7.1.2024). Die Angaben zu den Opferzahlen schwanken, jedoch wurden nach Angaben von UNAMA mindestens 25 Menschen getötet oder verwundet (RFE/RL 7.1.2024; vgl. AP 7.1.2024).
Quellen
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VOA - Voice of America (6.1.2024): Bomb Hits Minibus in Kabul, Killing 2 Afghan Civilians, https://www.voanews.com/a/bomb-hits-minibus-in-kabul-killing-2-afghan-civilians/7429329.html, Zugriff 20.2.2024
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VOA - Voice of America (5.8.2022): Islamic State Bombing Kills 8 Afghan Shiite Mourners in Kabul, https://www.voanews.com/a/taliban-bombing-hits-shiite-area-of-kabul/6688865.html, Zugriff 17.1.2023
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2024-03-29 09:47
Die drastische Kürzung der finanziellen und technischen Entwicklungshilfe für das öffentliche Gesundheitssystem Afghanistans seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 hat das Gesundheitssystem des Landes schwer geschädigt (HRW 12.2.2024; vgl. MaA 29.6.2023). Der daraus resultierende Mangel an ausreichenden Gesundheitsdiensten betrifft Millionen von Afghanen und macht die Bevölkerung anfällig für Krankheiten und andere Folgen unzureichender medizinischer Versorgung (HRW 12.2.2024; vgl. MSF 18.12.2023).
Hilfsorganisationen haben versucht, den Wegfall internationaler Mittel für das öffentliche Gesundheitswesen auszugleichen, und haben mit dem Rückgang der Mittel für humanitäre Hilfe nach 2022 ihren Schwerpunkt auf unmittelbare Hilfsmaßnahmen verlagert. Durch die vorübergehende Unterstützung der öffentlichen Krankenhäuser unmittelbar nach August 2021 konnte ein völliger Zusammenbruch verhindert werden. Dennoch mussten aufgrund fehlender Mittel Kliniken schließen und lokale Hilfsgruppen berichten von Engpässen bei Medikamenten und Ausrüstung (HRW 12.2.2024). Auch eine Menschenrechtsaktivistin aus Afghanistan berichtet davon, dass der Zugang zu Medikamenten sehr begrenzt ist. Während Antibiotika, Schmerzmittel und allgemeine Gesundheitsmedikamente noch eingeführt werden, sind spezifische Medikamente, z. B. jene zur Behandlung von Krebs, in Afghanistan nicht erhältlich. Menschen können auch nicht mehr so einfach wie früher in die Nachbarländer reisen, um sich behandeln zu lassen und Medikamente zu kaufen (MaA 29.6.2023).
In den öffentlichen Krankenhäusern, die unter direkter Aufsicht der afghanischen Regierung stehen, sind seit dem Regimewechsel sowohl die Qualität der Versorgung als auch die Zahl der Mitarbeiter erheblich zurückgegangen (IOM 12.1.2023). Die Kapazität des Gesundheitspersonals im öffentlichen Sektor ist gering (HC 31.12.2022; vgl. UNOCHA 1.2023), auch aufgrund der Einschränkungen von Frauen im Hinblick auf Beschäftigung und Bewegungsfreiheit (HRW 12.2.2024; vgl. MaA 29.6.2023). Ebenso konzentrieren sich die am besten qualifizierten Gesundheitsfachkräfte in den Städten und den gut ausgestatteten Provinzen. Gleichzeitig können Bevölkerungsverschiebungen und die Abwanderung in städtische Zentren die bestehenden Gesundheitsdienste in städtischen Gebieten überlasten. Obwohl es in den städtischen Zentren zahlreiche Gesundheitseinrichtungen gibt, gab die städtische Bevölkerung häufig an, dass Medikamente oder Behandlungen für sie zu teuer seien (UNOCHA 1.2023). Eine Menschenrechtsaktivistin aus Afghanistan weißt in diesem Zusammenhang auf den generellen Mangel an (vor allem weiblichen) Ärzten hin. Viele seien auch unterqualifiziert bzw. praktizieren, ohne ihre Ausbildung abgeschlossen zu haben (MaA 29.6.2023).
Durch die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Afghanen sind diese nicht mehr in der Lage, ihre medizinischen Ausgaben zu bestreiten (HRW 12.2.2024) oder sich und ihre Familien ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Viele Afghanen leiden daher an Unterernährung (HRW 12.2.2024; vgl. WFP 7.2.2024), von welcher nach Einschätzung von Human Rights Watch auch Millionen von Kindern betroffen sind (HRW 12.2.2024). UNICEF schätzte die Zahl der von akuter Unterernährung betroffenen Kinder für das Jahr 2023 auf rund 2,3 Millionen (UNICEF 7.8.2023).
In Afghanistan gibt es Ausbrüche von Infektionskrankheiten wie beispielsweise Masern, akute Atemwegsinfektionen (ARI) oder akute wässrige Diarrhöe (AWD) (WHO 18.3.2024). Infektionskrankheiten wie AWD und Cholera sind die Folge von und ein Katalysator für schlechte humanitäre Bedingungen, einschließlich schlechter sanitärer Einrichtungen, Wasserqualität und -menge, Unterernährung, geringeren Schulbesuchs, schlechten Gesundheitszustands und geringeren Einkommens. Besonders betroffen sind Kinder in ländlichen Haushalten, was teilweise auf Unterschiede in der sanitären Infrastruktur zurückgeführt werden kann (UNOCHA 1.2023). So wurden im Jahr 2023 beispielsweise 25.856 Fälle von Masern und 6,8 Millionen Fälle von AWD berichtet (UNICEF 2024).
COVID-19
Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf, folgende Website der WHO: https://covid19.who.int/region/emro/country/af mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
Bis 31.8.2023 gab es laut WHO 232.843 bestätigte Fälle von COVID-19 in Afghanistan. Nach Angaben der WHO haben mehr als 18 Millionen Afghanen zumindest eine Impfdosis erhalten und mehr als 16 Millionen sind vollständig geimpft (WHO 18.3.2024). Seit Beginn der Pandemie hat sich COVID-19 über das ganze Land ausgebreitet. Die erste Welle erstreckte sich Berichten zufolge von Ende April bis Juni 2020; die zweite Welle begann im Oktober 2020 und dauerte bis Ende Dezember 2020; die dritte Welle begann Berichten zufolge im April 2021 und dauerte bis Mitte August 2021. Die vierte Welle endete im März 2022 (Asady/Sediqi/Habibi 28.6.2022). Im Sommer 2022 sah sich Afghanistan einem weiteren Anstieg der COVID-19-Fälle ausgesetzt und innerhalb von zwei Monaten wurden mehr als 11.700 Fälle registriert. Es wurde berichtet, dass die Menschen trotz der Zunahme an Erkrankungen keine Angst mehr haben würden und keine Präventivmaßnahmen ergreifen (PAN 8.9.2022).
Bis zur Machtübernahme der Taliban waren landesweit insgesamt 38 COVID-19-Krankenhäuser in Betrieb, die alle von internationalen Gebern finanziert wurden. Daneben wurden im Rahmen der COVID-19-Notfallmaßnahmen auch Krisenreaktionsteams (Rapid Response Teams, RRTs) und Distriktzentren (District Centers, DCs) eingerichtet, um Risikokommunikationsveranstaltungen durchzuführen, Proben von Verdachtsfällen zu sammeln, Kontaktpersonen ausfindig zu machen und Ratschläge für leichte und mittelschwere Fälle zu geben, die zu Hause behandelt werden sollten. Diese Maßnahmen trugen entscheidend dazu bei, die Belastung der für COVID-19 zuständigen Krankenhäuser zu verringern, sodass sie sich auf die Behandlung schwerer und kritischer Fälle konzentrieren konnten. Nach dem Zusammenbruch der vorherigen Regierung wurden alle Finanzmittel und Unterstützungen für die COVID-19-Notfallmaßnahmen gekürzt, und die meisten Krankenhäuser mussten ihren Betrieb einstellen, weil es an Mitteln, Ärzten, Medikamenten und sogar Heizmaterial mangelte. Der Mangel an Gesundheitspersonal für die Entnahme von Proben verdächtiger Personen und der Mangel an Kits für labordiagnostische Tests waren in den meisten Distrikten Afghanistans auch 2022 nach wie vor die größten Herausforderungen. Das hohe Maß an finanzieller Unsicherheit in mehreren Teilen des Landes hat große und direkte negative Auswirkungen auf die Bereitstellung und Abdeckung von Gesundheitsdiensten für die breite Öffentlichkeit. Viele Menschen, die ihre erste Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff erhalten haben, konnten die nächste Dosis nicht erhalten, weil der Impfstoff knapp oder nicht verfügbar war (Asady/Sediqi/Habibi 28.6.2022).
Quellen
Asady/Sediqi/Habibi - Abdullah Asady, Mohammad Faiq Sediqi, Sayed Samir Habibi (28.6.2022): The Fourth Wave of the COVID-19 in Afghanistan: The Way Forward, https://www.dovepress.com/getfile.php?fileID=81757, Zugriff 6.2.2023
HC - Health Cluster (31.12.2022): Health Cluster Bulletin - December 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2085796.html, Zugriff 30.1.2023
HRW - Human Rights Watch (12.2.2024): “A Disaster for the Foreseeable Future”, https://www.hrw.org/report/2024/02/12/disaster-foreseeable-future/afghanistans-healthcare-crisis#_ftn41, Zugriff 18.3.2024
IOM - International Organization for Migration (12.1.2023): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2085350.html, Zugriff 18.1.2023 [Login erforderlich]
MaA - Menschenrechtsaktivistin aus Afghanistan (29.6.2023): Medizinische Versorgung von Frauen in Afghanistan. Interview via Videocall. Transkript liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
MSF - Ärzte ohne Grenzen (18.12.2023): Critical gaps in paediatric and neonatal care in Afghanistan’s northern provinces, https://www.ecoi.net/en/document/2102400.html, Zugriff 18.3.2024
PAN - Pajhwok Afghan News (8.9.2022): Afghanistan records 11,700 positive Covid-19 cases in 2 months, https://pajhwok.com/2022/09/08/afghanistan-records-11700-positive-covid-19-cases-in-2-months, Zugriff 6.2.2023
UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (2024): Afghanistan Humanitarian Situation Report, End-of-Year 2023, https://www.unicef.org/media/151571/file/Afghanistan Humanitarian Situation Report No. 12 - 1 January - 31 December 2023.pdf, Zugriff 18.3.2024
UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (7.8.2023): Delivering for the children of Afghanistan, https://www.unicef.org/emergencies/delivering-support-afghanistans-children, Zugriff 23.8.2023
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.2023): Humanitarian Needs Overview - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2086031.html, Zugriff 30.1.2023
WFP - World Food Programme (7.2.2024): WFP Afghanistan: Situation Report, 05 February 2023 - Afghanistan, https://reliefweb.int/report/afghanistan/wfp-afghanistan-situation-report-05-february-2023, Zugriff 18.3.2024
WHO - World Health Organization (18.3.2024): Infectious disease outbreak situation reports - Epidemiological Week 10, 03 - 09 Mar 2024, https://www.emro.who.int/images/stories/afghanistan/Outbreak-Situation-Report-Week-10-2024.pdf?ua=1, Zugriff 18.3.2024
1.3. Feststellungen zum relevanten Vorbringen des Beschwerdeführers iZm einer Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten:
1.3.1. Der Beschwerdeführer ist in seiner Heimat keiner konkret und gezielt gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan.
Weder sind sein Sohn oder seine Schwiegertochter in Afghanistan als Lehrende tätig gewesen noch ist seine Schwiegertochter von dem Attentat auf die Kabuler Schule Sayed Ul-Shuhada am 08.05.2021 betroffen gewesen. Sein Sohn ist weder Apostat noch zum Christentum konvertiert noch wurde dieser entführt, sein Sohn ist auch nicht verschollen. Dem Beschwerdeführer droht weder durch die Taliban noch durch die Familie seiner Schwiegertochter eine Gefährdung oder Verfolgung. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Gefährdung und Verfolgung seiner Person durch Taliban, die Familie seiner Schwiegertochter oder durch sonst irgendeinen Akteur ist nicht glaubwürdig.
1.3.2. Der Beschwerdeführer ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Eigenschaft als schiitischer Hazara einer Verfolgung durch die Taliban oder einen anderen Akteur ausgesetzt. Angehörige der Volksgruppe der Hazara und Angehörige des schiitischen Islams sind in Afghanistan alleine aufgrund dieses Umstandes weder systematischer physischer noch systematischer psychischer Gewalt ausgesetzt.
1.3.3. Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht konkret bedroht.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben bei der Erstbefragung (AS 3), der Einvernahme vor der belangten Behörde (AS 43) und in der Beschwerdeverhandlung. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren. Der Beschwerdeführer hat zwar während des Verfahrens zu Name und Geburtsdatum gleiche Angaben gemacht, seine Identität konnte jedoch – mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel – nicht abschließend geklärt werden.
2.1.2. Die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubhaften Angaben im Verfahren (AS 3 und 4, AS 43, Protokoll der mV S. 6).
2.1.3. Die Feststellung zu seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den unzweifelhaften Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren (AS 3, AS 43, Protokoll der mV S. 3). Die Feststellungen zu seiner Schul- sowie Berufsausbildung in Afghanistan sowie dazu, dass er als Gemüsehändler tätig war, wurden ebenso anhand seiner gleichbleibenden Angaben getroffen (AS 4, AS 45, Protokoll der mV S. 5).
2.1.4. Die Feststellungen zum Familienstand des Beschwerdeführers sowie dazu, dass er zwei Kinder hat, wobei seine Tochter in Österreich und sein Sohn sowie dessen zwei Söhne nach wie vor in Kabul leben und dass er noch über einen Bruder und eine Halbschwester (auch: Adoptivschwester) verfügt, ergeben sich ebenso aus seinen Angaben zu deren Aufenthalt in Kabul in Zusammenschau damit, dass sein Vorbringen dazu, dass sein Sohn nunmehr verschollen wäre (siehe dazu unten), sich als nicht glaubwürdig erwies, sodass davon auszugehen ist, dass dieser sich ebenfalls nach wie vor in Kabul aufhält (AS 5, AS 47 sowie AS 45).
2.1.5. Hinsichtlich des konkreten Ausreisezeitpunktes gab der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung an, im Herbst 2022 illegal in den Iran gereist zu sein (AS 6). Bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde gab er an, dass er seinen Herkunftsstaat ungefähr eineinhalb Jahre vor dem Tag der Einvernahme verlassen habe. Die Einvernahme vor der belangten Behörde hat am 03.04.2024 stattgefunden. Auch war einmal von einer Ausreise im Sommer 2022 die Rede. Aufgrund der nur sehr ungefähren Angaben zum Ausreisezeitpunkt aus dem Herkunftsstaat konnte dieser zwar auf das Jahr 2022 festgelegt, darüber hinaus aber nur ungefähr festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Reiseroute des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen entsprechenden Angaben (AS 6 und 7, AS 18 und 19 sowie Protokoll der mV S. 6). Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer seit zumindest 08.02.2024 durchgehend in Österreich aufhält, fußt auf dem Datum seiner Antragstellung auf internationalen Schutz.
2.1.6. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Erkrankungen leidet und gegen seine depressive Störung Medikamente einnimmt, konnte getroffen werden, aufgrund der Vorlage diesbezüglicher Unterlagen (Pflegebescheinigung von Ärzte ohne Grenzen der Mission Griechenland) und seinen hierzu glaubhaften Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde (AS 41). Hierzu ist festzuhalten, dass der vorgebrachten psychischen Störung keine verfahrensgegenständlich relevante Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands abgeleitet werden kann.
2.1.7. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers lässt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug entnehmen (OZ 2).
2.2. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Afghanistan vom 31.01.2025, Version 12, samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen.
Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. An der Aktualität, Relevanz und Richtigkeit der Informationen hat die erkennende Richterin keinen Zweifel.
2.3. Zu den Feststellungen zum relevanten Vorbringen des Beschwerdeführers iZm einer Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten:
Der Beschwerdeführer stützte sein Fluchtvorbringen in den Kernpunkten darauf, dass seine Schwiegertochter an derjenigen Schule (Sayed Ul-Shuhada) in Kabul unterrichtet hätte, auf die (bzw. in deren Nähe) am 08.05.2021 ein Angriff mit vielen Verletzten und Toten stattfand – seither wäre die Schwiegertochter verschollen. Erkundigungen nach dieser Schwiegertochter bei der ehemaligen Regierung und nach der Machtübernahme durch die Taliban bei diesen hätten negative Konsequenzen (Inhaftierung, Misshandlung etc. durch Taliban, Bedrohung) nach sich gezogen und eine Verfolgung seiner Person ausgelöst. Im Beschwerdeverfahren stützte sich der Beschwerdeführer überdies insbesondere auf eine Verfolgung durch die Familie seiner Schwiegertochter, auf eine Apostasie/Konversion seines Sohnes, und auf eine Entführung/Misshandlung seines Sohnes, sowie darauf, dass sein Sohn nunmehr verschollen wäre.
2.3.1. Der Beschwerdeführer konnte schon den Kern seines Fluchtvorbringens, dass sein Sohn und seine Schwiegertochter als Lehrende an einer Kabuler Schule, auf die im Mai 2021 ein verheerendes Attentat verübt wurde, tätig gewesen wären und dass seine Schwiegertochter im Zuge dieses Attentats getötet oder entführt oder verschollen sei, nicht glaubhaft machen. Er konnte dazu im Laufe des Verfahrens keine schlüssigen, stringenten und widerspruchsfreien Angaben machen, sondern ergaben sich in seinem Vorbringen gravierende Divergenzen:
Der Beschwerdeführer brachte vor der belangten Behörde vor, dass es in Kabul zu einer Explosion an der Schule gekommen sei, wo seine Schwiegertochter als Lehrerin gearbeitet hätte und bezog sich dabei auf den notorischen und weltweit bekannt gewordenen Vorfall vom 08.05.2021, bei dem es zu einer Explosion in einer Privatschule in Kabul (Sayed-ul-Shuhada High School) mit mindestens 58 Toten gekommen ist (vgl. UNESCO-Afghanistan Condemns killing of School Girls in Attack https://www.unesco.org/en/articles/unesco-afghanistan-condemns-killing-school-girls-attack) – er baute auf dieses notorische, durch zahlreiche Berichte belegte Ereignis sein gesamtes Fluchtvorbringen auf.
Schon vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen stetig steigerte – so war etwa in der Erstbefragung eben davon (seinem späteren Kernvorbringen) noch überhaupt keine Rede, sondern behauptete er dort lediglich, dass seine Schwiegertochter entführt worden wäre (was schon an sich, aufgrund der späteren Behauptungen, dass diese Opfer des Vorfalls an der Kabuler Schule gewesen wäre, nicht schlüssig ist – bis zuletzt konnte er nicht nachvollziehbar darlegen, warum seine Schwiegertochter anlässlich dieses Attentats entführt werden hätte sollen und setzte es in unschlüssiger Weise gleich, ob seine Schwiegertochter nun entführt worden wäre, verschollen wäre oder Todesopfer dieses Attentats geworden wäre). Vor der belangten Behörde stellte er dann erstmals einen Kontext mit dem notorischen Attentat auf die Kabuler Schule im Mai 2021 her, folgerte daraus eine Verfolgung seiner Person durch die Taliban, in der Beschwerde steigerte er sein Vorbringen weiter, indem er dort erstmals vorbrachte, sein Sohn wäre Apostat/Konvertit und in der Beschwerdeverhandlung behauptete er dann etwa – in weiterer Steigerung seines Vorbringens – eine Bedrohung und Verfolgung auch durch die Familie seiner Schwiegertochter. Es wird bei einer Gesamtschau offensichtlich, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Lauf des Verfahrens auf verschiedenen Ebenen steigerte und seinem Vorbringen immer wieder neue Sachverhalte hinzufügte, sodass sich insgesamt – und dem entsprach auch der von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnene persönliche Eindruck – der Eindruck festigte, dass er immer neue Sachverhalte gedanklich konstruierte, um die er sein Vorbringen erweiterte, die er teilweise aber auch, nachdem er sie einmal vorgebracht hatte, nicht wieder äußerte, wie etwa die Behauptung in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr um sein Leben fürchte, weil sein Sohn mittlerweile Christ wäre (AS 185) – eine Behauptung, die er später in der Beschwerdeverhandlung überhaupt nicht mehr erwähnte. Das zeigt exemplarisch, dass der Beschwerdeführer, wie beschrieben, ständig neue Sachverhalte lediglich gedanklich konstruierte – und unterstreicht seine persönliche Unglaubwürdigkeit.
Dass er nicht schon in der Erstbefragung auf das (weltweit bekannt gewordene) Attentat vom Mai 2021 Bezug nahm, ist nicht nachvollziehbar, zumal es sich dabei um sein zentrales fluchtauslösendes Ereignis handelt. Dabei ist insbesondere aufgefallen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung davon sprach, dass er in Afghanistan niemanden mehr habe und er in Österreich mit seiner hier lebenden Tochter sein wolle. Er erwähnte lediglich, dass seine Schwiegertochter entführt worden sei und es in Afghanistan unsicher für ihn wäre. Er habe im Falle einer Rückkehr Angst vor der Regierung (AS 8). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH vom 14.6.2017, Ra 2017/18/0001, mwN). Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429). Vor diesem Hintergrund wird nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe bezieht, jedoch ist davon auszugehen, dass er einen derart gravierenden und weltweit bekannt gewordenen Vorfall, wie das Attentat auf eine Kabuler Schule Kabul im Mai 2021, der zum Tod oder der Unauffindbarkeit seiner Schwiegertochter geführt hätte, zumindest erwähnt hätte, wenn er hierzu tatsächlich einen persönlichen Bezug – sei es, weil seine Schwiegertochter dabei zu Schaden gekommen wäre, (und nochmehr) sei es, weil er daraus folgenden nun selbst eine Gefährdung und Verfolgung zu gewärtigen hätte, haben würde. Bereits der Umstand, dass er dieses spätere Vorbringen, dass seine Schwiegertochter als Lehrerin eben in dieser Schule gearbeitet hätte und in den Vorfall involviert gewesen wäre, bei der Erstbefragung überhaupt nicht erwähnte, schmälert die Glaubwürdigkeit seines späteren Vorbringens, aber auch seine persönliche Glaubwürdigkeit.
Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer zu der vermeintlichen „Entführung“ der Schwiegertochter unschlüssige Angaben machte und nicht konkret erklären konnte, weshalb die Familie davon ausgehe, dass diese bei dem Attentat auf eine Kabuler Schule im Mai 2021 nicht ums Leben gekommen, sondern entführt worden wäre. Dazu ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung sowie eingangs seiner Einvernahme vor der belangten Behörde vorbrachte, seine Schwiegertochter wäre entführt worden, er jedoch im Laufe der Vernehmung diese Aussage relativierte und einräumte, nicht zu wissen, ob sie nicht doch gestorben wäre. Es ist lebensfremd, dass bei einer Explosion mit fast 60 Toten, bei der er der notorischen Berichtslage es zu keinen „zusätzlichen“ Entführungen gekommen ist, davon ausgegangen wird, dass eine Person entführt worden wäre, zumal der Beschwerdeführer selbst angab, dass nicht alle Leichen erkennbar gewesen seien (vgl. AS 53). Die vom Beschwerdeführer behauptete Annahme, dass hinsichtlich seiner Schwiegertochter eine Entführung vorliege, ist angesichts dessen, dass es überhaupt keine Berichte oder Hinweise darauf gibt, dass es bei diesem Attentat überhaupt zu Entführungen gekommen ist, völlig unschlüssig. Auch in der Beschwerdeverhandlung blieben seine Angaben unschlüssig (vgl. Protokoll der mV S. 12: „R: Warum haben Sie denn insbesondere vor dem BFA immer wieder gesagt, Ihre Schwiegertochter wäre entführt worden? Auch in der Erstbefragung sagten Sie, ihre Schwiegertochter wäre entführt worden. BP: Bei diesem Attentat wurden sie entweder in Stücke gerissen oder verschollen, oder entführt. R: Wie kommen sie überhaupt zu der Annahme, dass Ihre Schwiegertochter entführt wurde. Bei diesem Attentat sind beinahe 60 Menschen gestorben. Warum soll Ihre Schwiegertochter entführt worden sein? BP: Weil wir sie nicht gefunden haben, gehen wir davon aus, dass sie entführt wurde.“). Im Lichte dessen erscheint bereits das Vorbringen des Beschwerdeführers dazu, dass seine Schwiegertochter anlässlich dieses Attentats auf eine Kabuler Schule Kabul im Mai 2021 entführt worden wäre, als komplett konstruiert. Auch das deutet darauf hin, dass der Beschwerdeführer bestrebt war, ausgehend von dem realen und weltweit bekannt gewordenen Ereignis des Attentats auf eine Kabuler Schule im Mai 2021 eine Gefährdung und Verfolgung seiner eigenen Person abzuleiten und er bestrebt war, einen entsprechenden Kontext zu seiner Person herzustellen. Zusammenschauend konnte der Beschwerdeführer mit seinen unschlüssigen und gesteigerten Angaben nicht glaubhaft machen, dass seine Schwiegertochter von dem Attentat auf eine Kabuler Schule im Mai 2021 überhaupt betroffen gewesen wäre – umso weniger gelang es ihm, glaubhaft zu machen, dass diese dabei getötet, entführt oder verschwunden wäre.
Der Beschwerdeführer behauptete – in, wie schon erörterter, stetiger Steigerung seines Vorbringens – erstmals im Beschwerdeschriftsatz, dass er, als er eines Tages (nach Machtübernahme durch die Taliban) die Taliban aufgesucht hätte, inhaftiert und anschließend geschlagen und schwer verletzt worden wäre (AS 184). Dementsprechend behauptete er auch in der Beschwerdeverhandlung, dass er von den Taliban (im Kontext mit der Nachfrage nach seiner Schwiegertochter) inhaftiert worden wäre und entspann davon ausgehend einen weiteren Sachverhalt, wonach er dort (von Taliban) krankenhausreif geschlagen und anschließend von den Taliban bezichtigt worden wäre, einen (anderen) Mithäftling geschlagen zu haben (Protokoll der mV S. 9). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer all dies nicht bei der Einvernahme vor der belangten Behörde erwähnt hätte, wenn sich das tatsächlich zugetragen hätte. So zeigt auch hier die unglaubwürdige Steigerung seines Vorbringens, dass der Beschwerdeführer immer neue Sachverhalte gedanklich konstruiert. Unterstrichen wir das dadurch, dass er in der Einvernahme vor der belangten Behörde die Frage, ob er persönlich bedroht oder verfolgt worden wäre, klar verneinte (AS 53) – dass der Beschwerdeführer selbst auf diese Frage hin eine Inhaftierung und alles weitere (insb. die in der Beschwerdeverhandlung behauptete Körperverletzung) vor der belangten Behörde nicht erwähnt hatte, zeigt die Unglaubwürdigkeit seiner Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung deutlich auf.
Außerdem widersprach er sich innerhalb dieses gesteigerten Vorbringens – während er im Beschwerdeschriftsatz anführte, dass die Inhaftierung stattgefunden hätte, nachdem er eines Tages die Taliban aufgesucht hätte (AS 184), erzählte er in Widerspruch dazu in der Beschwerdeverhandlung, dass die Taliban ihm und seinem Sohn bei einem Besuch in deren Station gesagt hätten, sie bekämen innerhalb von 15 Tagen eine Ladung, jedoch wäre keine Ladung, sondern die Polizei zu ihnen gekommen und hätte ihn und seinen Sohn mitgenommen. Anschließend wären sie inhaftiert worden, der Sohn freigelassen und der Beschwerdeführer geschlagen worden und ihm das Schlagen eines Mithäftlings unterstellt worden, sodass er nur gegen die Zahlung von 3.000 Afghani freigekommen (und dann ins Krankenhaus gebracht) worden wäre (Protokoll der mV S. 8 und 9). Dadurch, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde von einer Inhaftierung anlässlich des Aufsuchens der Taliban von sich aus Taliban berichtete, in der Beschwerdeverhandlung aber im Widerspruch dazu davon sprach, von der Polizei zu Hause festgenommen worden zu sein, wird erneut deutlich, dass er diesen Sachverhalt nur gedanklich konstruierte und dann nicht in der Lage war, ihn gleichbleibend wiederzugeben. Zudem stellt, wie schon bemerkt, auch dieses Vorbringen eine unglaubwürdige Steigerung seines Fluchtvorbringens dar.
Auch hinsichtlich der ihn verfolgenden Akteure steigerte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung unvermittelt sein Vorbringen: Er gab auf die Frage, was ihm konkret passiere, wenn er jetzt wieder in seinen Herkunftsstaat zurückkehren würde, folgendes an: „Mein Leben ist in Gefahr, ich werde verfolgt.“. Auf die nächste Frage, von wem er denn verfolgt werde, gab er zum ersten Mal überhaupt im Verfahren an, dass er von der Familie seiner Schwiegertochter verfolgt würde, da sein Sohn und seine Schwiegertochter für die Freiheit gepredigt hätten. Sie hätten über Demokratie, Freiheit und, dass Frauen die Schule besuchen müssten, gepredigt. Nun würde die Familie des Beschwerdeführers beschuldigt, die Schiegertochter vom Weg abgebracht zu haben, da sie gegen den Islam gepredigt hätte (Protokoll der mV S. 9 und 10). Es ist auch hier nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine Bedrohung und Verfolgung seitens der Schwiegerfamilie seines Sohnes in der Einvernahme vor der belangten Behörde nicht erwähnt hätte, wenn diese Behauptung den Tatsachen entsprechen würde. Dadurch entstand in der Beschwerdeverhandlung (erneut) der persönliche Eindruck, dass der Beschwerdeführer immer neue Gefährdungsszenarien rein gedanklich konstruierte, und machte damit einen persönlich unglaubwürdigen Eindruck, sodass auch dieses Vorbringen sich als nicht glaubhaft erwies.
Darüber hinaus erwiesen sich die Schilderungen des Beschwerdeführers zum Leben seines Sohnes und dessen Erwerbstätigkeit nicht nachvollziehbar und in wesentlichen Punkten widersprüchlich. Bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde gab er an, dass er gemeinsam mit seinem Sohn und dessen zwei Söhne in den Iran geflohen sei. Sein Sohn sowie seine zwei Enkelsöhne seien wieder nach Afghanistan abgeschoben worden und der Beschwerdeführer sei weiter in die Türkei gereist. Die Frage, ob er noch Kontakt mit Verwandten in Afghanistan habe, bejahte er und gab an, dass er zuletzt ungefähr drei Tage vor der Einvernahme mit seinem Sohn gesprochen hätte. Weiters gab er an, dass sein Sohn Lehrer an einer Privatschule sei, dieser sei „Vorstand der Lehrer“ und unterrichte heimlich, womit er meine, dass sein Sohn mit Angst in die Schule gehe. Auf Nachfrage führte er aus, dass sein Sohn in der Schule die „Büroarbeiten“ erledige (vgl. AS 48 und AS 49). Zu alldem verwickelte der Beschwerdeführer sich in der Beschwerdeverhandlung in Widersprüche: Dort behauptete er erstmals, sein Sohn wäre Schulleiter eben jener Schule (Saidull Shohada) gewesen, bei der das besagte Attentat im Mai 2021 stattgefunden hätte (Protokoll der mV S. 10). Dabei ist aufgefallen, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren bis dahin bloß abstrakt davon sprach, dass sein Sohn in einer Privatschule unterrichtet hätte und eben erst in der Beschwerdeverhandlung behauptete, dass er genau an dieser vom Attentat betroffenen Schule nicht nur (einfacher) Lehrer, sondern sogar Schulleiter gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass der Angriff auf eben diese Schule Kern seines Fluchtvorbringens ist, ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer diesen Umstand erst in Beschwerdeverhandlung erwähnt hätte, wenn diese Behauptung stimmen würde. Vielmehr wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer dies in diesem Kontext erwähnt hätte. Gerade weil seiner Behauptung nach seine Schwiegertochter dort unterrichtet und Opfer des Attentats geworden wäre, wäre diese Information über seinen Sohn eine wesentliche. Dass der Beschwerdeführer dies bis zur Beschwerdeverhandlung unerwähnt ließ, und dann hinsichtlich der Position des Sohnes in dieser Schule sein Vorbringen (erneut) steigerte, indem er ihn nicht bloß als Lehrer, sondern sogar als Leiter dieser Schule bezeichnete (was eine wesentlich andere bzw. exponiertere Position wäre), macht erneut deutlich, dass der Beschwerdeführer die Sachverhalte gedanklich konstruiert, und er hinsichtlich seines Fluchtvorbringens völlig unglaubwürdig ist.
Vor der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer zudem vorgebracht, dass sein Sohn vor drei Monaten entführt worden wäre (vgl. AS 47 und AS 55). Hierzu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in derselben Einvernahme von der schlechten Situation seines Sohnes erzählte und dabei zuerst erwähnte, dass die Lage schlecht sei, weil er heimlich unterrichten müsse und dabei kein Wort über eine Entführung verlor. In diesem Lichte ist seine erst später dargetane Darstellung zweifelhaft. Damit konfrontiert, rechtfertigte sich der Beschwerdeführer damit, dass er die Entführung seines Sohnes vorher nicht erwähnt habe, da ihn niemand nach einer Entführung gefragt habe – damit dringt er schon deshalb nicht durch, weil es auf Basis seiner Angaben zum Sohn überhaupt keinen Anhaltspunkt für eine derartige Nachfrage gab.
Die behauptete Entführung seines Sohnes stellte sich insgesamt als ein weiterer nur konstruierter Sachverhalt dar. Der Beschwerdeführer brachte, wie bereits ausgeführt, vor der belangten Behörde vor, dass sein Sohn entführt worden und unter Druck gesetzt und befragt worden wäre, welche Angehörigen er im Ausland hätte. Daraufhin hätte der Sohn dem Entführer die Telefonnummer seiner Schwester (der in Österreich lebenden Tochter des Beschwerdeführers, die in der Beschwerdeverhandlung auch als Zeugin einvernommen wurde) gegeben und dieser hätte eben dieser ein Video vom Sohn des Beschwerdeführers geschickt (AS 55). In der Beschwerdeverhandlung erwähnte der Beschwerdeführer auch nach mehrfacher Nachfrage der erkennenden Richterin, ob dem Sohn nach dessen Rückkehr nach Kabul noch etwas passiert ist, diese Entführung nicht mehr. Er sprach lediglich davon, dass sein Sohn nach der Rückkehr vom Iran nach Afghanistan heimlich ein Buch übersetzen würde, damit seinen Unterhalt verdient und sich bis zum Sommer 2024 versteckt gehalten hätte (vgl. Protokoll der mV S. 12 und 13). Dabei ist abermals anzumerken, dass diese Behauptung wiederum im Widerspruch mit einer seiner früheren Aussagen steht, wonach sein Sohn seit der Machtübernahme der Taliban keiner Arbeit mehr nachgegangen wäre (vgl. Protokoll der mV S. 10). Erst, nachdem die Tochter des Beschwerdeführers als Zeugin in der Beschwerdeverhandlung einvernommen wurde, und die erkennende Richterin den Beschwerdeführer daraufhin konkret auf die behauptete Entführung und das Video ansprach, machte er überhaupt zu dieser behaupteten Entführung Angaben (Protokoll der mV S. 20) und stellte die Vermutung auf, dass hinter dem Angriff (Entführung) auf seinen Sohn die Familie seiner Schwiegertochter stehen würde – sein Sohn hätte in der Stimme eines Täters die Stimme des Cousins seiner Ehefrau erkannt (Protokoll der mV S. 20 und 21). Die als Zeugin einvernommene Tochter des Beschwerdeführers, gab, zu dem Video befragt, an, dass sie vermute, dass die Familie seiner Schwägerin dahinterstecken müsse, jedoch vermute sie es bloß, da sie nicht wisse, ob ihr Bruder noch andere Feinde gehabt hätte (Protokoll der mV S. 18). Die in der Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer und der Zeugin aufgestellte Vermutung, dass die Schwiegerfamilie des Sohnes des Beschwerdeführers dahinterstecken würde, ist schon deshalb nicht schlüssig, weil der Beschwerdeführer die behauptete Entführung seines Sohnes in der Einvernahme vor der belangten Behörde noch in einen anderen Kontext gestellt hatte, indem er dort behauptet hatte, der Sohn wäre unter Druck gesetzt und befragt worden, welche Angehörigen er im Ausland hätte – es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Schwiegerfamilie diese Information überhaupt in Erfahrung hätte bringen wollen (insbesondere, weil es lebensnah und daher davon auszugehen ist, dass der Aufenthalt seiner Schwester in Österreich ohnehin auch der Schwiegerfamilie bekannt war, und nicht ersichtlich ist, aus welchem Motiv die Schwiegerfamilie des Sohnes überhaupt ein Interesse an den Aufenthaltsorten seiner wenigen Familienmitglieder, also faktisch seiner Schwester und seines Vaters, hätte).
Der Beschwerdeführer ermöglichte in der Beschwerdeverhandlung die Einsichtnahme in den Chatverlauf und in das besagte Video, das im Rahmen der behaupteten Entführung aufgenommen und – so die Behauptung des Beschwerdeführers und der Zeugin – dann der Zeugin zugespielt worden wäre, die wiederum dieses Video dem Beschwerdeführer weitergeleitet hätte. Es ergab sich aufgrund dieses Videos und des zugehörigen Chatverlaufs allerdings, dass dieses Video keinesfalls die Behauptungen des Beschwerdeführers und der Zeugin untermauerte, vielmehr ergab sich, dass dieses Video und die Behauptungen des Beschwerdeführers dazu keinesfalls authentisch sind: Der Beschwerdeführer hatte ausweislich der Daten im Chat eben dieses Video im März 2024 von einer iranischen Telefonnummer (Vorwahl +98) erhalten. Als Profilbild des Absenders mit der iranischen Telefonnummer ist ein Foto seines Sohnes samt dessen Söhnen zu sehen (jedenfalls wurde behauptet, dass es sich bei den Personen auf dem Profilbild um ebenjene handelt) und der Name des Absenders lautet „Samira“. Der Behauptung der Zeugin (die einen anderen Vornamen hat), sie sei „Samira“ und es würde sich dabei lediglich um ihren Spitznamen handeln, ist nicht zu folgen, da sie einerseits selbst angab, bis längstens 2019 eine iranische Nummer gehabt zu haben (sodass sie eben nicht im März 2024 die Absenderin mit der Vorwahl +98 gewesen sein konnte) und andererseits hätte der Beschwerdeführer wissen müssen, dass seine Tochter den Spitznamen „Samira“ führe, dieser hatte aber dazu im krassen Gegensatz zur Behauptung der Zeugin angegeben, dass es sich bei dieser „Samira“ um eine Verwandte seines Vaters handeln würde. Diese Behauptung ist absolut unplausibel, da keinesfalls nachvollziehbar ist, weshalb eine alte Verwandtschaft seines Vaters ein Video von der Entführung seines Sohnes, auf dem dieser geschlagen wird, innehaben und verschicken, oder ein Bild seines Sohnes als Profilbild verwenden sollte. Auch der Umstand, dass das besagte Video von einer iranischen Nummer an den Beschwerdeführer gesendet wurde, zeigt die Unglaubwürdigkeit der Behauptungen zum Video auf: Der Beschwerdeführer und die Zeugin hatten nämlich behauptet, dass das Video der in Österreich lebenden Zeugin übermittelt worden wäre und diese es dann dem Beschwerdeführer weitergeschickt hätte – die Zeugin hatte in diesem Zeitpunkt aber, wie schon ausgeführt, überhaupt keine iranische Telefonnummer, sodass diese Behauptungen nicht stimmen können. Ferner ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Familie seiner Schwiegertochter den Sohn des Beschwerdeführers entführen und misshandeln hätte sollen (auf dem Video ist zusehen, wie jemand geschlagen wird) – es gibt weder einen nachvollziehbaren zeitlichen Kontext mehr zu dem Attentat auf die Privatschule in Kabul, noch machen die Behauptungen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, dass der Sohn zu im Ausland lebenden Angehörigen befragt worden wäre, Sinn; schließlich konnte der Beschwerdeführer schon das Vorbringen, dass seine Schwiegertochter Opfer dieses Attentats geworden wäre, ohnehin nicht glaubhaft machen. Dies und die aufgezeigten Diskrepanzen – insbesondere die iranische Nummer des Absenders dieses Videos (das angeblich aber von der in Österreich lebenden Tochter des Beschwerdeführers geschickt worden wäre, was damit unvereinbar ist) als auch die völlig konträren Behauptungen zur Person „Samira“ zeigen, dass auch hier ein Vorbringen konstruiert wurde und mit einem nicht authentischen „Beweismittel“ zu belegen versucht wurde, was angesichts des oben Ausgeführten aber scheiterte, und vielmehr die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers belegt. Keinesfalls wurde damit eine Bedrohung oder Verfolgung des Beschwerdeführers (oder auch seines Sohnes) belegt.
Auch im Hinblick auf den in der Beschwerdeverhandlung vorgebrachten Kontaktabbruch mit seinem Sohn sind einige Ungereimtheiten aufgetreten: Der Beschwerdeführer war selbst nach wiederholter Nachfrage der erkennenden Richterin nicht in der Lage, zu erklären, weshalb sein Sohn den Kontakt abgebrochen hätte. Er gab diesbezüglich lediglich an, dass sein Sohn in einer schlimmen Lage und verfolgt wäre. Sein Sohn wäre auch gezwungen gewesen, seine Söhne bei der Halbschwester des Beschwerdeführers zurückzulassen (Protokoll der mV S. 7). Für die erkennende Richterin entstand der Eindruck, dass der Beschwerdeführer mangels nachvollziehbarer Argumente dieser Frage gewollt ausgewichen ist, um sich diesbezüglich nicht noch weiter in Widersprüche zu verwickeln. Jedenfalls ist der vorgebrachte Kontaktabbruch auch im Hintergrund der im August 2024 eingebrachten Beschwerde nicht nachvollziehbar, da der Beschwerdeführer diesen Umstand in der Beschwerde wiederum mit keinem Wort erwähnte. Vielmehr entstand der Eindruck, dass der Beschwerdeführer versuchte, mit seinem Vorbringen, keinen Kontakt mehr zu haben, da sein Sohn untertauchen hätte müssen, weil er einer Verfolgung ausgesetzt wäre, sein ohnehin massiv gesteigertes und widersprüchliches Fluchtvorbringen zu untermauern. Es ist zudem lebensfremd und unplausibel, dass der Sohn untergetaucht wäre, ohne dem Beschwerdeführer oder der Halbschwester des Beschwerdeführers jedwede Kontaktmöglichkeit zu hinterlassen, das vor allem vor Hintergrund, dass der Sohn seine Kinder bei dieser gelassen hätte (Protokoll der mV S. 7).
Schließlich ist festzuhalten, dass angesichts der vielen Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers es nicht einmal glaubwürdig ist, dass sein Sohn und seine Schwiegertochter überhaupt in Afghanistan als Lehrende tätig gewesen wären, sodass eine entsprechende Feststellung zu treffen war.
In einer Gesamtschau der dargelegten beweiswürdigenden Erwägungen sowie unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen, dass sein Sohn oder seine Schwiegertochter als Lehrende tätig gewesen wären und seine Schwiegertochter bei einem Angriff auf die Schule getötet oder entführt worden wäre, noch, dass ihm in Afghanistan eine Verfolgung durch die Taliban oder der Familie der Schwiegertochter oder durch sonst irgendeinen Akteur droht. Vielmehr erwies sich sein Vorbringen insgesamt als nicht glaubhaft und der Beschwerdeführer sich als persönlich nicht glaubwürdig.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, sein Sohn wäre inzwischen Christ geworden (AS 185), ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer diese Behauptung weder im verwaltungsbehördlichen Verfahren erwähnt hatte, noch später in der Beschwerdeverhandlung erwähnte. Lediglich im Beschwerdeschriftsatz findet sich diese (niemals weiter substantiierte) Behauptung. Auch diesbezüglich muss sich der Beschwerdeführer eine erneute Steigerung seines Fluchtvorbringens vorwerfen lassen, die er offenbar in der Beschwerdeverhandlung nicht mehr aufrecht erhielt, und konnte der Beschwerdeführer diese völlig unsubstantiierte, alleinstehende Behauptung daher nicht glaubhaft machen.
2.3.2. Auch aus seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara ergibt sich laut den vorliegenden Länderberichten, auch unter Berücksichtigung der erfolgten Machtübernahme der Taliban im gesamten Staatsgebiet kein Risiko einer dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgung. So geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass sich die Lage der Hazara, die während der ersten Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, sich zur erneuten Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundsätzlich verbessert hat, wobei Hazara weiterhin am Arbeitsmarkt diskriminiert wurden. Es wird nicht verkannt, dass den Länderinformationen dennoch zu entnehmen ist, dass Hazara nach wie vor gefährdet sind, Opfer von Anschlägen des ISKP zu werden. Eine systematische Verfolgung von Angehörigen der Hazara ist der Berichtslage jedoch nicht zu entnehmen, zumal die Taliban als defacto-Machthaber den Berichten zufolge massiv und gewaltsam gegen den ISKP vorgehen.
Die in den Länderfeststellungen dargestellten oft auch äußerst schwerwiegenden Übergriffe gegen Angehörige der Volksgruppe der Hazara weisen allerdings unter Berücksichtigung des Umstandes, dass diese etwa 9 bis 15 % der Bevölkerung des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers ausmacht, nicht eine derartige Häufigkeit auf, dass maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer hypothetischen Rückkehr in den Herkunftsstaat davon betroffen wäre. Der Beschwerdeführer hat in den Verfahren letztlich auch keinerlei konkrete Vorverfolgung aus solchen Gründen behauptet.
Auch nach Machtübernahme der Taliban ist allein aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den schiitischen Hazara aktuell nicht von einer Gruppenverfolgung und somit nicht von einer individuellen Bedrohung auszugehen.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass den festgestellten Länderinformationen zufolge gewalttätige Übergriffe auf die Zivilbevölkerung stark zugenommen haben und die aktuelle Lage in Afghanistan daher für alle Bevölkerungsgruppen erhebliches Gefahrenpotential birgt. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass Angehörigen der schiitischen Hazara derzeit ein Ausmaß an Gewaltanwendung drohen würde, dass über die allen anderen Bevölkerungsgruppen drohende Gewalt hinausgeht. Eine asylrelevante Gruppenverfolgung der schiitischen Hazara kann daher auch aus den festgestellten Länderinformationen nicht abgeleitet werden.
2.3.3. Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit bzw. ist aktuell bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsort keiner wie immer gearteten individuellen Gefährdung bzw. psychischer und/oder physischer Gewalt von erheblicher Intensität durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I.:
3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren" (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.06.2010, U 613/10).
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0012; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.02.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der VwGH in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl. VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551; 29.06.2006, 2002/20/0167).
Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059; 18.11.2015, Ra 2014/18/0162; 19.04.2016, Ra 2015/20/0302, je mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) – , kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191).
Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
3.1.2.1. Wie beweiswürdigend dargelegt, hat der Beschwerdeführer sein gesamtes Fluchtvorbringen und die dort behauptete Verfolgung durch die Taliban oder durch die Familie der Schwiegertochter oder durch irgendeinen anderen Akteur nicht glaubhaft gemacht. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird dazu auf Punkt 2.3.1. der Beweiswürdigung verwiesen.
Erachtet die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz – wie im gegenständlichen Fall – im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380). Wie in der Beweiswürdigung dargetan, ergibt sich der Schluss auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Fluchtgründe aus einer Gesamtschau seiner Angaben, zudem aus dem in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck.
Der Beschwerdeführer ist schiitischer Hazara, wobei Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung von schiitischen Hazara in Afghanistan im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Auch die aktuellen UNHCR-Leitlinien vom Februar 2023 zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen, sprechen zwar hinsichtlich Mitgliedern ethnischer oder religiöser Minderheiten, inklusive Hazara, von einem verglichen zur Situation vor den Ereignissen vom 15.08.2021 erhöhtem internationalen Schutzbedarf, beschreiben jedoch nicht die Gefahr einer Gruppenverfolgung für Hazara.
3.1.3. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.
Da der Beschwerdeführer eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vor. Dafür, dass der Beschwerdeführer aus einem asylrelevanten Grund von der allgemeinen Lage besonders betroffen wäre, lässt sich kein Anhaltspunkt erkennen.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Maßgeblich ist insbesondere VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380 gewesen.