Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ, als Einzelrichterin, über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle, vom 15.05.2025, GZ: XXXX , wegen Feststellung des Endes der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG):
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Pensionsversicherungsanstalt zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1.Anlässlich einer jährlichen Überprüfung der Voraussetzungen der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG übermittelte die Pensionsversicherungsanstalt mit Schreiben vom 30.08.2024 und erneut vom 21.10.2024 jeweils ein Ersuchen um Übermittlung eines von der PVA zur Verfügung gestellten Fragebogens an die Beschwerdeführerin. Beide Schreiben wurden seitens der Österreichischen Post AG mit dem Vermerk „verzogen“ rückübersendet.
2. Mit Bescheid der PVA vom 15.05.2025 wurde ausgesprochen, dass die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen mit 31.12.2024 endet. Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin trotz wiederholter Aufforderungen dem Ersuchen, die erforderlichen Nachweise vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Somit seien die Voraussetzungen für die Selbstversicherung sind nicht mehr gegeben.
3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. An der gesundheitlichen Situation ihres Gatten habe sich seit dem Gewährungszeitpunkt nichts geändert. Ihr Gatte sei nach wie vor pflegebedürftig (Pflegestufe 4), neben anderer Pflegetätigkeiten brauche er mehrmals täglich ihre Unterstützung bei der Verwendung der Einwegkatheter. Aufgrund der zum größten Teils Unplanbarkeit ihrer Pflegetätigkeit sei es ihr nicht möglich, einer Arbeit nachzugehen.
4. Die Beschwerde wurde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht am 22.07.2025 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung:
Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (in der Folge VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
4. Zu ermittelnder Sachverhalt:
Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern.
Gemäß § 18b Abs. 3 ASVG endet die Selbstversicherung
1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder
2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.
Gemäß Abs. 4 hat der Versicherungsträger ab dem dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind.
Eingangs ist festzuhalten, dass mit der dem Versicherungsträger obliegenden Pflicht, in regelmäßigen Abständen das (weitere) Vorliegen der Voraussetzungen des § 18a Abs. 1 ASVG zu prüfen, eine Pflicht des Versicherten korrespondiert, in einer solchen Art und Weise mitzuwirken, dass dem Versicherungsträger auch tatsächlich die Überprüfung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen ermöglicht wird. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuwiesen, dass der Grundsatz der Amtswegigkeit (§ 39 Abs. 2 AVG) die Parteien nicht davon entbindet, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen (vgl. VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Gegenständlich wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung seitens der PVA mit Schreiben vom 30.08.2024 und erneut vom 21.10.2024 jeweils um Übermittlung eines von der PVA zur Verfügung gestellten Fragebogens ersucht. Beide Schreiben wurden seitens der Österreichischen Post AG mit dem Vermerk „verzogen“ rückübersendet.
Die PVA hat sich sodann damit begnügt und mit Bescheid vom 15.05.2025 ausgesprochen, dass die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen mit 31.12.2024 ende. Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin trotz wiederholter Aufforderungen dem Ersuchen, die erforderlichen Nachweise vorzulegen, nicht nachgekommen sei.
Nachdem die Begründung des bekämpften Bescheides impliziert, dass die Beschwerdeführerin bewusst und absichtlich die Mitwirkung verweigert hat, die betreffenden Schreiben vom 30.08.2024 und vom 21.10.2024 der Beschwerdeführerin jedoch evident nicht zugekommen sind, hätte die PVA jedenfalls Ermittlungen zu den Gründen der gescheiterten Zustellung – etwa im Wege einer Nachfrage bei der Österreichischen Post AG – anstrengen müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.
Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, da – wie die PVA selbst zugesteht (Vorlageschreiben, S. 3) – der bekämpfte Bescheid sehr wohl an derselben Adresse zugestellt werden konnte, und daher das Zustandekommen des Postvermerks „verzogen“ jedenfalls aufzuklären wäre. Erst dann kann nämlich die Frage, ob die Beschwerdeführerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt hat, und damit gegebenenfalls ihres Anspruchs auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b ASVG verlustig gegangen ist, abschließend beurteilt werden.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat, und sich der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der Beschwerdeführerin noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Im vorliegenden Beschwerdefall nimmt das Bundesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG Abstand, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.